| Interview der Woche

Deniz Almas: "In der Favoritenrolle fühle ich mich wohl"

Sprinter Deniz Almas (VfL Wolfsburg) ist nur eine Woche nach seinen starken 10,08 Sekunden aus Weinheim auch seiner Favoritenrolle bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig gerecht geworden. Der 23-Jährige setzte sich im 100 Meter-Finale in 10,09 Sekunden mit deutlichem Vorsprung durch. Im Interview erzählt er von seinem neuen Selbstbewusstsein, Gründen für den Leistungssprung und langen Busfahrten zum Training in seiner Jugendzeit. 
Birte Grote

Deniz Almas, herzlichen Glückwunsch zum Sieg und dieser starken Vorstellung in 10,09 Sekunden. Wie fühlen Sie sich jetzt als Deutscher Meister? 

Deniz Almas:

Ich bin super happy, einfach überglücklich. Ich hatte mir den Titel fest vorgenommen, auch wenn ich das vorher nach außen nicht so kommuniziert habe. Am Ende war es eine ganz andere Situation als sonst und ich bin erleichtert, dass alles geklappt hat.

Sie waren zum ersten Mal in der Rolle des großen Favoriten und hatten auch viel mediale Aufmerksamkeit im Vorfeld der Deutschen Meisterschaften. Ist Ihnen all das leicht gefallen?

Deniz Almas:

In letzter Zeit fällt mir das leichter. Ich habe mehr Selbstbewusstsein bekommen, nachdem ich gute Zeiten gelaufen bin. Ich weiß jetzt, was ich kann. Das gibt einem einen Extra-Schub. Ich habe auch in stressigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren können. Zum Beispiel als es im Finale der Hallen-DM drei Fehlstarts gab. Ich würde schon sagen, dass ich mental deutlich stärker geworden bin.

Wie viel hat auch der Hallen-Titel zum größeren Selbstbewusstsein beigetragen?

Deniz Almas:

Der Hallen-Titel hat mir super viel Rückenwind gegeben. Aber ich glaube, dass nach der Halle auch ein paar Leute daran gezweifelt haben, ob ich auch über 100 Meter so schnelle Zeiten rennen kann. Gerade weil ich nur 1,75 Meter groß bin. Aber ich habe heute wohl bewiesen, dass ich das kann.

Gefällt Ihnen denn die Rolle des Underdogs oder des Favoriten besser?

Deniz Almas:

Ich fühle mich in der Favoritenrolle doch wohler. Als Underdog ist man vielleicht noch etwas angespannter, weil man sich beweisen und hinterherrennen muss. Das kann ich nicht so gut. Es ist deutlich angenehmer, vorneweg zulaufen. 

Seit zirka einem Jahr haben Sie mit einem deutlichen Leistungssprung auf sich aufmerksam gemacht. Worauf führen Sie das zurück? 

Deniz Almas:

Ich habe eine sehr starke, große Trainingsgruppe in Leipzig und ein super tolles Trainerteam mit Ronald Stein, Sven Knipphals und Alexander John. Alles zusammen ist das einfach ein Glücksgriff. Ich habe aber auch konstant trainieren können. In den letzten Jahren hatte ich immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Das haben wir endlich in den Griff bekommen.

Welche Verletzungen hatten Sie und wie haben Sie das in den Griff bekommen?

Deniz Almas:

2018 hat das mit zwei Muskelfaserrissen über die Saison angefangen, dazu ein Muskelbündelriss und eine Drehverletzung des Muskelbündes. Wir haben sehr lange Ursachenforschung betrieben, ich habe auch meine Ernährung umgestellt, und dann haben viele Faktoren zusammengespielt, dass ich jetzt gesund bin. 2019 habe ich dann wohl einfach noch Zeit gebraucht, bis ich das umsetzen konnte. Ich bin da auch schon 10,28 Sekunden gerannt, aber noch sehr unkonstant. 

Fällt es Ihnen in der Trainingsgruppe leicht, neben so vielen starken Trainingspartnern immer alles zu geben?

Deniz Almas:

Wir ergänzen uns alle sehr gut. Jeder hat individuelle Stärken und Schwächen. Jeder kann den anderen unterstützen oder Tipps geben. Ich bin beispielsweise am Start gut und ab und zu im Kraftraum. Ansonsten bin ich aber kein Trainingsweltmeister. Andere aus der Gruppe laufen auch im Training super starke Zeiten und ich kann mich da gut ranhängen.

Wie erging es Ihnen nach den starken 10,08 Sekunden in Weinheim vor einer Woche?

Deniz Almas:

In Weinheim kommen oft sehr gute Zeiten raus und dann gibt es immer wieder Skeptiker, die bezweifeln, ob zum Beispiel der Wind dort gestimmt hat. Umso wichtiger war es mir zu zeigen, dass ich die Zeit auch bei Deutschen Meisterschaften auf einer anderen Bahn, mit nur 0,1 Sekunden Rückenwind und unter anderen Voraussetzungen laufen kann.

Mit dem Wechsel von Baden-Württemberg nach Leipzig haben Sie jetzt ein sehr professionelles Trainingsumfeld gewonnen. Zu Beginn Ihrer Karriere sah das noch ganz anders aus, als Sie einen sehr großen Aufwand betrieben haben, um überhaupt zum Training zu gelangen …

Deniz Almas:

Ich komme vom Dorf. Da war es immer schwierig nach Sindelfingen zu kommen, als ich noch keinen Führerschein hatte. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln fuhr ich immer eine Stunde zum Training und dann nach zwei Stunden Training wieder eine Stunde zurück. Das war neben dem Nachmittagsunterricht schon oft sehr stressig. Aber jetzt hat sich bestätigt, dass sich der Aufwand ausgezahlt hat.

Hatten Sie denn schon in ihrer Jugendzeit damit gerechnet, dass es für die Spitze reicht?

Deniz Almas:

Ich habe es zumindest gehofft. Sonst hätte ich den Schritt nach Leipzig damals auch nicht gewagt. Felix Schraub ist damals nach Leipzig gezogen und hat mir von den Bedingungen und dem Umfeld erzählt.

Wie kam der Vereinswechsel zum VfL Wolfsburg zustande?

Deniz Almas:

Das hat Sven Knipphals organisiert, der sich nach seinem Karriereende für seinen langjährigen Verein eingesetzt hat und einen Nachfolger gesucht hat. Ich hatte zu dem Zeitpunkt wegen meiner Verletzung keinen Kaderstatus mehr und der VfL Wolfsburg hat mich damals finanziell aufgefangen. Ich fühle mich in dem Verein sehr wohl und bin dankbar für die Unterstützung.

Was ist noch drin, nachdem Sie schon zweimal so dicht an der Zehn-Sekunden-Marke gekratzt haben?

Deniz Almas:

Ich glaube, dass es in Deutschland ganz viele starke Sprinter gibt, die diese Zeiten laufen können. Ich gebe alles dafür, dass ich das auch mal schaffe.
 

DM 2020 Braunschweig

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024