| DM 2020

Corinna Schwab und der große Knall über 400 Meter

51,72 Sekunden über 400 Meter – schneller als Corinna Schwab (LG Telis Finanz Regensburg) war bei Deutschen Meisterschaften zuletzt Grit Breuer im Jahr 2001. Weil sich dahinter auch die anderen 400-Meter-Läuferinnen deutlich steigerten, hat die DLV-Staffel mit Blick auf Olympia auf einmal wieder glänzende Aussichten.
Philip Häfner

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So schnell sie auf der Bahn gewesen war, so gemächlich ließ es Corinna Schwab danach auf dem Rückweg angehen. Anstatt den direkten Weg durch das Stadion, wählte die frischgebackene Deutsche Meisterin über 400 Meter den Weg außen herum – im Schatten anstatt durch die pralle Sonne. Die Hitze sei extrem gewesen, sagte sie. Und dass es bei dem Wetter eigentlich brutal sei, 400 Meter zu rennen. „Das ist wirklich nicht einfach“, meinte Schwab.

Im Journalismus würde man wohl von einer klassischen Text-Bild-Schere sprechen, bei der das Gesagte mit dem Gezeigten so gar nicht übereinstimmt. Denn tatsächlich war das Niveau auf der Stadionrunde ebenso hoch wie die Temperaturen. Gleich zwei Läuferinnen blieben unter der 52-Sekunden-Marke – das gab es bei Deutschen Meisterschaften zuletzt 2001. Neben Corinna Schwab, die mit neuer persönlicher Bestzeit nach 51,72 Sekunden ins Ziel stürmte, gelang das auch der Zweitplatzierten Karolina Pahlitzsch (LG Nord Berlin/51,88 sec); knapp dahinter war auch Ruth Sophia Spelmeyer (VfL Oldenburg/52,14 sec) so flott wie lange nicht.

Schnellste Siegerin seit Grit Breuer

„Das hat auf der Bahn heute richtig geknallt“, meinte Schwab. Derart hoch war die Qualität in diesem Jahr, dass 52,20 Sekunden für Alica Schmidt (SCC Berlin) nur zu Rang vier reichten. In den vergangenen 20 Jahren hätte eine solche Zeit neun Mal sogar zum Titel gereicht. „Gleich fünf Athletinnen sind persönliche Bestleistung gelaufen. So ein Niveau hatten wir schon lange nicht mehr", sagte auch DLV-Cheftrainerin Annett Stein.

Doch über allem thronte Corinna Schwab mit der schnellsten DM-Siegerzeit seit 2001, als Grit Breuer 49,78 Sekunden gelaufen war und damit bis heute den Deutschen Meisterschaftsrekord über 400 Meter hält. „Das ist cool, das war mir gar nicht so bewusst“, sagte sie, „aber das macht es noch umso schöner. Ich bin einfach megahappy.“ Die 21-Jährige galt nach ihren 51,97 Sekunden zum Saisonauftakt in Berlin und vier Siegen aus ebenso vielen Rennen bereits im Vorfeld als Favoritin und wurde dieser Rolle im Eintracht-Stadion absolut gerecht.

Hallentitel war keine Eintagsfliege

Vom Start weg wurde deutlich, dass sich die 21-Jährige etwas vorgenommen hatte, denn schon ausgangs der ersten Kurve war sie zu der vor ihr laufenden Alica Schmidt aufgelaufen. „Ich wollte zeigen, dass die Zeit aus Berlin und der deutsche Meistertitel in der Halle keine Eintagsfliegen waren“, sagte sie.

Einmal mehr wurde offenbar, wie akribisch sie auch während der Corona-Zeit zusammen mit ihrem Trainer Jörg Möckel an ihrer Form gefeilt hatte. „Wir haben diese Zeit einfach als positive Chance gesehen“, so die Sportlerin der LG Telis Finanz Regensburg, die sich im Herbst 2018 der Trainingsgruppe des Bundestrainers in Chemnitz angeschlossen hatte. Seitdem hat sie sich stetig gesteigert und erntete im Februar mit dem Hallentitel in Leipzig erstmals die Früchte ihrer Arbeit. „Das war extrem wichtig fürs Selbstbewusstsein“, sagte Schwab. Inzwischen ist sie in ihre nationale Führungsrolle noch stärker hineingewachsen. „Heute zähle für mich nur der Sieg. Ich wusste, was ich draufhabe und dass es für die anderen Mädels schwer wird, mich zu schlagen, wenn ich mein Rennen durchziehe.“

Steigerung um sieben Zehntel

Tatsächlich kam die Konkurrenz auf der Zielgeraden aber noch einmal stark auf. Karolina Pahlitzsch und auch Ruth Sophia Spelmeyer ließen bis zum Ende nicht locker und wurden beide für ihren forschen Auftritt belohnt. Pahlitzsch etwa verbesserte ihre bisherige Bestleistung gleich um 72 Hundertstel. „Das hatte ich nicht erwartet“, sagte sie, zumal das Jahr für sie bis dahin recht turbulent verlaufen war. Nach ihrer Rückkehr aus den USA plagte sich die letztjährige WM-Teilnehmerin mit der Mixed-Staffel mit Knieproblemen herum; zudem wechselte sie den Verein und die Trainingsgruppe.

„Ich hatte gehofft, dass ich hier vielleicht um eine Medaille kämpfen kann, aber Silber mit dieser Zeit ist natürlich der Hammer. Ich hatte Glück, dass ich mich auf Bahn drei einfach hinten dranhängen konnte. 100 Meter vor dem Ziel habe ich dann gemerkt, dass die anderen noch nicht allzu weit weg sind und langsamer werden. Das hat mir noch einmal einen zusätzlichen Schub gegeben.“

Jetzt ruft die Diamond League

Diesen Extraschub hat durch die Zeiten von Braunschweig auch die deutsche 4x400-Meter-Staffel bekommen, die nach zwei eher dürftigen Jahren den Anschluss an die Weltspitze schaffen will. Bei der WM 2017 waren die DLV-Damen zuletzt bei einem Weltereignis dabei, im vergangenen Jahr in Doha blieb dagegen zuletzt nur die Zuschauerrolle. „Wir stehen eigentlich immer auf der Kippe“, sagte Karolina Pahlitzsch, „deswegen war auch klar, dass wir uns alle steigern müssen. Das haben wir jetzt bewiesen. Wenn wir diese Zeiten auf die Staffel übertragen können, haben wir im nächsten Jahr beste Chancen, bei Olympia dabei zu sein.“

Auch Corinna Schwab sah die kollektive Leistungsexplosion als klares Signal: „Wir wollen zu den Olympischen Spielen und wieder zeigen, dass die Deutschen schnell laufen können“, erklärte sie. Für sie ist auf einmal sogar ein Einzelstart in Reichweite. Am kommenden Freitag (14. August) darf sie sich beim Diamond-League-Meeting in Monaco schon einmal mit der absoluten Weltspitze messen. „Nach der Pflicht kommt jetzt die Kür“, blickt sie voraus auf ihre Premiere in der wichtigsten Meetingserie. „Ich freue mich riesig, gegen die Besten der Welt zu laufen und dort hineinzuwachsen. Das sind alles Erfahrungen, die im nächsten Jahr wichtig sein werden.“

Übrigens: Auch für Monaco sind für Freitag wieder 30 Grad vorhergesagt. Es könnte also schon bald den nächsten heißen Auftritt von Corinna Schwab auf der Stadionrunde geben.

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