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Schöneborn-Zwillinge: „Die Konkurrenzsituation sorgt für einen Push“

Die beiden Zwillinge Rabea und Deborah Schöneborn beeindruckten vergangene Woche beim Valencia-Marathon mit starken Leistungen. Während Deborah ihre persönliche Bestzeit um fast viereinhalb Minuten auf 2:26:55 Stunden steigern konnte, erreichte Rabea das Ziel bei ihrem Marathon-Debüt in 2:28:42 Stunden. Im „Interview der Woche“ berichten die Geschwister über ihre Rennen in Valencia, die nationale Konkurrenzsituation sowie darüber, wie es ist, wenn die eigene Schwester eine dieser großen Konkurrentinnen ist.
Nicolas Walter

Für Rabea und Deborah Schöneborn (beide LG Nord Berlin) rückte vergangene Woche der Traum von den Olympischen Spielen 2021 ein gutes Stückchen näher. Mit ihren Zeiten beim Valencia-Marathon unterboten beide Athletinnen die Olympia-Norm von 2:29:30 Stunden deutlich. Doch der Kampf um die begehrten Olympia-Tickets bleibt hart umkämpft, haben doch insgesamt bereits fünf deutsche Läuferinnen die Norm geknackt. Im Interview sprechen die beiden 26-Jährigen unter anderem über den nationalen Konkurrenzdruck sowie ihren Fahrplan im neuen Jahr. 

Rabea und Deborah Schöneborn, der Valencia-Marathon liegt nun eine Woche zurück. Wie ist die erste Woche nach dem Wettkampf für Sie verlaufen?

Rabea Schöneborn:

Wir reiten immer noch ein bisschen auf dieser Welle, die der Marathon mit sich gebracht hat und sind rückblickend sehr dankbar dafür, dass wir dort starten durften. Schließlich durfte nur eine sehr ausgewählte Anzahl an Läufern an den Start gehen. Wir sind sehr glücklich und inzwischen lässt auch der Muskelkater ein bisschen nach. Jetzt nutzen wir die ruhige Zeit ein bisschen, um unserem Studium nachzugehen.

Rabea, für Sie war es Ihr Marathon-Debüt. War es so, wie Sie es erwartet hatten?

Rabea Schöneborn:

Ich hatte tatsächlich sehr viele Vorstellungen und es war zugebenermaßen ziemlich anders. Ich hatte immer gehört, die ersten 15 Kilometer im Marathon seien die einfachsten und quasi überhaupt nicht anstrengend. Aber die ersten 15 waren für mich die allerhärtesten Kilometer. Ich habe mich erst ab Kilometer 23 wirklich wohl gefühlt und es wurde dann tendenziell auch immer besser im Verlauf des Rennens. Das hatte ich so nicht erwartet und war eine sehr interessante Erfahrung.

Wie lief bei Ihnen das Rennen, Deborah?

Deborah Schöneborn:

Ich hatte mir vorab viele Gedanken gemacht, weil die Veranstalter keine Tempomacher für unseren Tempo-Bereich zur Verfügung gestellt hatten. Es gab eine sehr schnelle Gruppe und eine Gruppe, die die Olympia-Norm anpeilte. Dazwischen gab es aber nichts. Bei der technischen Besprechung, die wir auf YouTube angeschaut haben, hat dann der Trainer einer schwedischen Athletin in den Kommentaren die Frage gepostet, ob jemand Interesse an einer Zeit dazwischen hätte, also 73:30 Minuten auf dem Halbmarathon. So war ich dann glücklich, dass ich doch noch jemanden gefunden hatte. Nach und nach kamen dann sogar immer mehr Leute dazu. Mit dieser großen Gruppe konnte ich dann glücklicherweise die ganze Zeit mitschwimmen. Vor allem auf den Gegenwind-Passagen war das für mich sehr hilfreich. Wir sind die erste Hälfte recht schnell angegangen, sodass ich diesmal die muskuläre Belastung im Vergleich zu meinem ersten Marathon im vergangenen Jahr in Köln stärker gespürt habe. Dass es so eine gute Zeit geworden ist, habe ich erst auf dem letzten Kilometer richtig realisiert und mich dann sehr darüber gefreut.

Wie erleichtert waren Sie über die erreichte Olympia-Norm?

Deborah Schöneborn:

Dieses Jahr war ein verrücktes, verhextes Jahr. Niemand wusste wann und wo Wettkämpfe stattfinden und wann wir endlich unser Training unter Beweis stellen können. Im Frühjahr mussten wir die Marathon-Vorbereitung abbrechen, obwohl wir gut trainiert hatten. Das war sehr frustrierend für uns. Jetzt haben wir den gesamten Aufbau nochmal durchlaufen und haben zuletzt gute Trainingseinheiten gezeigt. Deswegen waren wir glücklich, dass wir das jetzt auch im Wettkampf unter Beweis stellen konnten. Und klar, am Ende war es sicherlich eine große Erleichterung. Jetzt haben wir ein Standing für das nächste Jahr, auf dem wir aufbauen können, um dann im Frühjahr die Marathon-Distanz erneut anzugreifen. Rabea wird das auf jeden Fall machen. Ich denke, ich auch. Aber das werden wir dann sehen. Jetzt machen wir erstmal Pause, um dann im Frühjahr in Ruhe wiederaufzubauen.

Wegen Corona mussten 2020 zahlreiche Wettkämpfe entfallen. Auch im kommenden Jahr ist noch nicht klar, welche Rennen stattfinden werden. Wie gehen Sie mit dieser Unsicherheit um?

Rabea Schöneborn:

Wir haben uns psychologisch in diesem Jahr weiterentwickelt. Durch die Unsicherheit im Frühjahr, die uns erstmal aus der Bahn geworfen hat, haben wir festgestellt, dass wir sehr zielorientiert arbeiten und unsere Motivation sehr stark aus unseren Zielen schöpfen. Mit dem Wegfall von Wettkämpfen ist es uns deutlich schwerer gefallen ein strukturiertes Training und vor allem die besonders harten Einheiten zu absolvieren. Wir haben daran gearbeitet und uns gesagt, dass wir die Absage der Olympischen Spiele als Chance sehen müssen, da wir als recht unerfahrene Läuferinnen auf der Marathon-Distanz so die Möglichkeit haben noch einen Marathon dazwischen zu schieben. Auch wenn unklar war und ist, ob Wettkämpfe stattfinden: Halbe Lunge zu machen bringt nichts. Wir bereiten uns auf jeden Wettkampf mit dem Gedanken vor, dass er stattfinden wird.

Sie haben beide ein sehr gutes Verhältnis zueinander, trainieren und wohnen sogar zusammen. Letztlich sind Sie aber auch direkte Konkurrentinnen. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Deborah Schöneborn:

Das ist unsere tagtägliche Bredouille. Wir profitieren enorm davon, dass wir Trainingspartner sind, den gleichen Tagesablauf haben und jederzeit zusammen loslaufen können. Das ist gerade im Winter, in der kalten und dunklen Jahreszeit sehr hilfreich. Im Corona-Jahr war es nochmal extra Glück, weil wir ein Haushalt sind und wirklich zu jeder Zeit zusammenlaufen konnten. Und man hat natürlich jemanden zum Austausch, der auf Augenhöhe ist und die Probleme des anderen nachvollziehen kann. Auf der anderen Seite gibt es die Konkurrenzsituation. Wenn die eine einen Tick mehr erreicht beim Wettkampf als die andere, dann fragt man sich als Unterlegene schon, woran es gelegen hat. Das war bei mir beispielsweise im Sommer so, als ich nach einer Verletzung Rabea anfangs nur hinterherlaufen konnte.

Rabea Schöneborn:

Oftmals ist am Wettkampftag dann die Tagesform oder der Rennverlauf entscheidend. In Valencia lief es für Debbie beispielsweise besser, weil sie der Gruppe folgen konnte. Bei einem Gerangel an der ersten Verpflegungsstation habe ich dagegen den Anschluss verloren und mich an diesem Tag nicht so gut gefühlt, als das ich wieder hätte aufschließen können. Da können am Renntag Kleinigkeiten entscheidend sein.

Deborah Schöneborn:

Letztlich trainieren wir zusammen und gönnen der jeweils anderen die Erfolge. Wenn wir dann aber im Wettkampf sind, zieht jede ihr Rennen durch. Da sehen wir uns als ganz normale Konkurrentinnen. Am Ende ist im Wettkampf jeder seines eigenen Glückes Schmied. Im Ziel treffen wir uns dann und haben hoffentlich beide ein gutes Ergebnis eingefahren, sodass wir uns gemeinsam freuen können.

Die deutschen Straßenläufer- und Läuferinnen haben 2020 sehr starke Leistungen gezeigt. Amanal Petros lief in Valencia deutschen Rekord im Marathon, Melat Kejeta lief sogar europäischen Rekord im Halbmarathon. Auch dahinter gab es in diesem Jahr starke Leistungen zu beobachten. Wie sehr können Sie persönlich von diesem Leistungsaufschwung im deutschen Team profitieren?

Deborah Schöneborn:

Gerade als relativ unerfahrene Läuferinnen profitieren wir enorm von jedem Austausch mit anderen Läufern und Läuferinnen. Bei den Wettkämpfen, aber vor allem auch bei Trainingslagern und anderen Trainingsmaßnahmen. Zudem sorgt die Konkurrenzsituation immer auch für einen Push und Sogeffekt. Wenn gute Leistungen erbracht werden, motiviert es die anderen nochmal mehr eigene gute Leistungen zu erbringen. Von daher glaube ich, dass die aktuell vielen guten deutschen Läufer für die generelle Leistungsentwicklung enorm positiv sind, weil sich alle gegenseitig pushen und übertrumpfen wollen.

Bei aller Unsicherheit: Wie sieht Ihr Fahrplan für das kommende Jahr aus?

Rabea Schöneborn:

Derzeit ist nach wie vor alles sehr ungewiss, selbst was die Trainingslagerplanung angeht. Das ist ein wesentlicher Faktor und es steht die Frage im Vordergrund, welche Möglichkeiten sich im neuen Jahr ergeben werden. Wir haben auf jeden Fall Interesse daran in ein Trainingslager zu fahren. Entweder im Frühjahr oder, sofern es möglich ist, noch im deutschen Winter. Und wir planen, je nachdem welche Rennen dann im Frühjahr stattfinden werden, mit dem Fokus auf der Langstrecke und im Marathon wieder zu starten. Ansonsten müssen wir abwarten, was sich an Wettkämpfen ergeben wird.

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