| Olympia-Premiere

Als Underdog zu den Olympischen Spielen: Katharina Maisch und ihr Weg nach Tokio

Nachdem sie in den vergangenen Jahren immer wieder die Rolle der Ersatzfrau einnehmen musste, ist der Knoten bei Katharina Maisch endlich geplatzt. Trotz erster Erfolge im U20- und U23-Bereich hatte die 24 Jahre alte Kugelstoßerin wohl kaum jemand auf der Rechnung für ein Olympia-Ticket nach Tokio. Ihr Weg dahin war ein steter, wenn auch nicht immer leicht.
Jane Sichting

Olympische Spiele 2021 Tokio kompakt

Dass sie in wenigen Tagen im Trikot der deutschen Nationalmannschaft ihren ersten olympischen Wettkampf bestreiten wird, damit hätte Katharina Maisch (LV 90 Erzgebirge) wohl zu Beginn der Saison selbst nicht gerechnet. „Die Teilnahme an den Olympischen Spielen war ein Traum von mir. Weil ich 2020 die komplette Saison verletzt war und sieben, acht Monate überhaupt nicht trainieren konnte, ist es einfach fantastisch, dass er jetzt wahr geworden ist“, sagt sie voller Vorfreude. Zwar habe sie zu Saisonbeginn nach ihrem ersten 18-Meter-Stoß ein bisschen damit geliebäugelt, sich für die Spiele in Tokio (Japan; 30. Juli bis 8. August) zu qualifizieren, doch als konkretes Ziel habe sie es nicht formuliert.

Rückblickend sagt sie nun, dass die Verschiebung der Spiele um ein Jahr gut für sie war. Denn nachdem sie 2020 bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig trotz bereits anhaltender Schmerzen im Schienbein mit 17,98 Metern Silber holte, folgte die bittere Diagnose: Ermüdungsbruch. Das Aus im Olympiajahr!

Das war ihr sofort klar. Denn dass die Heilung viel Zeit in Anspruch nehmen würde, wusste Maisch nur zu gut. Bereits in der Jugend bremste sie ein Ermüdungsbruch im Schienbein aus – „fast genau an der gleichen Stelle“, sagt sie. Und obwohl sie sich damals in der Folge vom Mehrkampf verabschieden musste und zu den Wurfdisziplinen wechselte, kann sie heute auch etwas Positives darin sehen: „Ich glaube, dass ich beim Wurf ohnehin besser aufgehoben bin“. Ohne die Verletzung hätte sie wohl nie solch eine große Leidenschaft für das Kugelstoßen entwickelt.

Gespräch mit Bundestrainer Lang führt Maisch nach Chemnitz

Fortan entwickelte sich die gebürtige Baden-Württembergerin stetig weiter. Nach einem Wechsel von der Angleit- zur Drehstoßtechnik stellten sich direkt die ersten Erfolge ein. Auf den dritten Platz bei den Deutschen U18-Meisterschaften 2014 folgte im Jahr darauf der Vizetitel in der U20, Bronze bei den Deutschen U23-Meisterschaften 2016 sowie 2017 bei der Hallen-DM und im Sommer 2017 jeweils der fünfte Platz bei den Deutschen U23-Meisterschaften und den Deutschen Meisterschaften.

Doch Maisch hatte das Gefühl, dass sie in Stuttgart mit der Technik etwas stehen geblieben war: „Ich habe neue Reize gebraucht und das Gespräch mit dem Bundestrainer Sven Lang gesucht. Das hat dann sofort wie die Faust aufs Auge gepasst und ich bin direkt nach Chemnitz gezogen.“ Zwar sei es ihr als Familienmensch zunächst etwas schwergefallen, so weit weg zu sein, doch sagt sie bestimmt: „Ich bereue gar nichts“. Bereits 2019 machte sich das Training unter Lang positiv bemerkbar und Maisch wurde unter anderem jeweils Vizemeisterin bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften, den Deutschen U23-Meisterschaften sowie bei den U23-Europameisterschaften in Gävle (Schweden).

Als dann die Corona-Pandemie für einen Großteil der Athleten vor allem mental zu einer großen Herausforderung wurde, kam sie für Maisch beinahe gelegen. Anstatt der verletzungsbedingt verpassten Saison hinterherzutrauern, konnte sie die Zeit nutzen und in Ruhe an ihren Schwächen arbeiten. „Vor allem in der Kraft bin ich noch nicht ganz so stark. Da war es gut, dass ich das angehen konnte“, sagt sie. Wenngleich sie nach wie vor die Technikeinheiten mehr bevorzugt und auch noch viel Athletiktraining mit Sprint und Sprung absolviert.

Ambitioniert in Richtung 19 Meter

Am meisten schätzt die Sportsoldatin jedoch das gemeinsame Training mit Christina Schwanitz, von der sie viel profitieren und lernen kann: „Sie gibt mir wertvolle Tipps und motiviert mich immer wieder neu. Wir sind ein richtig gutes Team“, schwärmt sie von der Weltmeisterin von 2015. Entsprechend sei es besonders schön, nun gemeinsam nach Tokio reisen zu können. „Ich bin froh, dass mich Christina da an die Hand nimmt und an meiner Seite ist“, sagt Maisch.

Zudem gibt ihr die gelungene Generalprobe beim Thumer Werfertag, bei dem sie noch einmal 18,48 Meter gestoßen hat, ein gutes Gefühl. Dass sie in dem 68.000 Zuschauer fassenden Olympiastadion in Tokio vor leeren Rängen stoßen wird, trübt ihre Vorfreude jedoch nicht: „Ich kenne es ja nicht anders. Ich hoffe einfach, dass ich mein Bestes geben kann. Zudem bin ich noch jung und 2024 sieht die Situation vielleicht anders aus“, sagt sie.

Sportpsychologin und Trainer stärken Selbstvertrauen

Wichtig wird sein, dass sie die Nerven behält, denn das wurde ihr zuletzt noch bei der Hallen-EM Anfang des Jahres zum Verhängnis, als sie nicht über die Qualifikation hinausgekommen war. „Ich arbeite jetzt mit einer Sportpsychologin zusammen. Die hilft mir extrem dabei, im Wettkampf zu bleiben und nicht die Nerven zu verlieren“, erzählt Maisch. Und verrät damit ein weiteres Puzzleteil, das dazu beigetragen hat, dass sie diese Saison nicht nur in die nationale Spitze vorgedrungen ist, sondern auch konstant weite Stöße abliefert.

„Ich hoffe, mich auf diesem Niveau zu stabilisieren und dass die Stöße dann über 19 Meter gehen“, sagt Katharina Maisch. In ihrem Vorhaben bestärkt wird sie vor allem von ihrem Trainer: „Herr Lang hat mir immer wieder sehr viel Mut zugesprochen und auch an mich geglaubt, wenn es im Wettkampf mal nicht so gut geklappt hat. Ich bin froh, dass er hinter mir steht.“

Und wer weiß, vielleicht kann Katharina Maisch mit so viel Rückenwind und ihrer unbekümmerten Art für einen der Überraschungsmomente im deutschen Team sorgen. Denn, so sagt sie selbst über ihre große Begeisterung für das Kugelstoßen: „Wenn alles zusammenpasst, dann kann die Kugel auch sehr weit fliegen."

Olympische Spiele 2021 Tokio kompakt

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