| Interview

Amanal Petros: „Ich widme meine Erfolge jenen Menschen, die in Tigray bedroht sind“

Amanal Petros stürmte am vergangenen Wochenende in Valencia zum deutschen Rekord auf der Halbmarathon-Distanz. Im Interview erzählt der 26-Jährige, dass er sich im Vorfeld des Rennen nicht gut fühlte, er spricht über die bevorstehenden Monate sowie über die Situation seiner Familie in der äthiopischen Tigray-Region.
Jörg Wenig

Amanal Petros hat am Sonntag in Valencia (Spanien) einen deutschen Uralt-Rekord gebrochen: Im Halbmarathon steigerte sich der Läufer des TV Wattenscheid 01 auf 60:09 Minuten und unterbot damit die Marke von Carsten Eich, der 1993 in Berlin 60:34 Minuten gelaufen war. Der 26-Jährige, der vor rund zehn Jahren aus Eritrea nach Deutschland geflüchtet war, avancierte somit zum ersten deutschen Läufer, der die nationalen Männer-Rekorde im Halbmarathon und Marathon zeitgleich hält. Im Dezember 2020 hatte er ebenfalls in Valencia die deutsche Marathon-Bestzeit auf 2:07:18 Stunden geschraubt. Amanal Petros gab nach seinem Halbmarathon-Rennen dieses Interview:

Amanal Petros, Sie haben mit Ihrem Halbmarathon-Rekord ein Novum erreicht, denn noch nie hielt ein deutscher Läufer zeitgleich die Rekorde im Halbmarathon und Marathon.

Amanal Petros:

Ja, das stimmt und darauf bin ich wirklich sehr stolz. Denn ich denke dabei auch immer daran, wo ich herkomme und wie ich angefangen habe. Das werde ich nie vergessen. Es ist der Wahnsinn, ich bin super happy, dass ich das alles so geschafft habe. Und ich weiß auch: Ich kann noch viel mehr erreichen.

Hatten Sie damit gerechnet, dass Sie in Valencia den deutschen Rekord brechen?

Amanal Petros:

Ich konnte damit nicht rechnen, denn ich hatte mich im Vorfeld gar nicht so gut gefühlt. Ich hatte Eisenmangel und war immer wieder müde. Noch rund eine Woche vor dem Rennen in Valencia war ich in Eldoret in Kenia für eine Blutuntersuchung im Krankenhaus. Die Werte waren aber dann alle in Ordnung. Das Problem war wohl, dass ich nach dem Olympia-Marathon zunächst etwas Urlaub gemacht habe und dann gleich danach ins Höhentraining nach Kenia gefahren bin – da fehlte mir ein gewisses Grundlagentraining, sodass ich dann immer wieder sehr erschöpft war.

Wie geht es nach dem Valencia-Halbmarathon weiter, was sind Ihre nächsten Ziele?

Amanal Petros:

Zurzeit bin ich noch ein paar Tage in Valencia. Dann fahre ich direkt wieder ins Höhentraining zurück nach Kenia. Der Halbmarathon war auch nur ein Teil einer langfristigen Vorbereitung auf meinen nächsten Marathon. Ich wollte nicht zu lange am Stück in der Höhe trainieren, da hat das Rennen in Valencia sehr gut gepasst. Ich plane, noch in diesem Jahr meinen nächsten Marathon zu laufen.

2022 finden sowohl die Weltmeisterschaften in den USA als auch die Europameisterschaften in München statt. Können Sie schon sagen, worauf Sie sich konzentrieren werden und ob Sie überhaupt einen Meisterschafts-Marathon laufen werden?

Amanal Petros:

Mein Fokus wird im nächsten Jahr auf dem Europameisterschafts-Marathon in München liegen. Ich möchte mich jetzt frühzeitig qualifizieren und werde dann auch keinen Frühjahrs-Marathon mehr laufen, um mich voll auf die EM konzentrieren zu können. Ich denke, wir könnten in München auch in der Marathon-Team-Wertung sehr gute Chancen haben. Schließlich haben wir mittlerweile sehr starke Athleten, wie Richard Ringer, Hendrik Pfeiffer oder Simon Boch. Ob ich mich eventuell parallel versuche über 10.000 Meter für die WM zu qualifizieren ist noch offen.

Sie haben immer wieder auf die verheerende Situation in der äthiopischen Tigray-Region hingewiesen, in der weiterhin kriegerische Zustände herrschen. Dort lebt Ihre Mutter mit Ihren beiden Schwestern. Haben Sie inzwischen wieder Kontakt und wie ist die aktuelle Situation?

Amanal Petros:

Es ist nach wie vor sehr schwierig und zurzeit habe ich gar keinen Kontakt zu meiner Familie. Zwischenzeitlich hatte ich über Dritte indirekt ein paar Nachrichten bekommen. Das ist sehr schlimm und stimmt mich traurig. Seit einem Jahr leben die Menschen dort im Krieg, Kinder und Familien sterben. Es scheint aber niemanden mehr zu interessieren, was wirklich passiert. In den Medien wird leider kaum noch über die Situation berichtet. Ich denke ständig an die Menschen in Tigray und widme meine Erfolge jenen, die dort bedroht sind.

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