| Porträt

Alica Schmidt – Vom Boss-Laufsteg auf die blaue Bahn von Leipzig

Profisportlerin, Studentin, Instagram-Star und Werbegesicht: Alica Schmidt ist beschäftigt und gefragt. Sie hat Millionen Follower auf Instagram, doch ihr Fokus liegt ganz klar auf dem Sport. Überzeugen will sie mit schnellen Zeiten. Das gelang ihr zuletzt beim Erfurt Indoor mit einer neuen Hallen-Bestzeit über 400 Meter. Angreifen will sie diese bei der Hallen-DM in Leipzig, am liebsten mit einer 52 vor dem Komma.
Sandra Arm

Im Ziel blickt Alica Schmidt mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht in Richtung Anzeigetafel. Sie hat kein Gefühl, was dieses Rennen wert ist. Erst als der Hallensprecher die Zeiten verkündete, realisiert die Athletin vom SCC Berlin, dass sie gerade eine Hallen-Bestzeit über 400 Meter aufgestellt hatte. Sie ballt die Fäuste, ein Lächeln huscht über ihre Lippen – sie wirkt erleichtert. Äußerlich wie innerlich. Anfang Februar, beim Erfurt Indoor, verbesserte sich Alica Schmidt auf 53,24 Sekunden – zurzeit Platz zwei in Deutschland. Ihr Plan, auf das erste Rennen in Karlsruhe (53,58 sec) eine Bestzeit folgen zu lassen, war damit aufgegangen.

Der Einstieg gleicht immer einer Standortbestimmung und gibt Aufschluss über mögliche Optimierungsstellen. „Mit unserem Bundestrainer [Jörg Möckel] habe ich mein erstes Rennen in Karlsruhe analysiert und wir wussten, wo ich noch ansetzen kann, um in Erfurt ein bisschen was drauflegen zu können. Ich wusste nach Karlsruhe, ich kann mich noch verbessern“, berichtet Alica Schmidt. „Erfurt hat echt eine coole Halle mit einer schnellen Bahn. Obwohl sie nur vier Rundbahnen hat, lässt es sich dort sehr gut rennen.“

Wobei die Rennen in der Halle für die 1,75 Meter große Langsprinterin aufgrund der engen Kurven herausfordernd sind. Ferner sei sie auch nicht die schnellste 200-Meter-Sprinterin. Und noch etwas habe sich gezeigt: „In Erfurt bin ich als Erste auf die zweite Runde gegangen. Ich brauche jemanden, der vorn Druck macht. So allein von vorn das Rennen zu gestalten, das fällt mir doch sehr schwer. Aber es hat trotzdem einigermaßen geklappt, ich konnte mich weiter steigern“, erklärt Alica Schmidt.

"Mini-Hallensaison" endet in Leipzig

Hoffnungsvoll blickt die 23-Jährige  nun ihrem Hallen-Höhepunkt entgegen: Mit der Hallen-DM in Leipzig endet am Wochenende ihre „Mini-Hallensaison“. „Wir haben den Fokus im Training schon in Richtung Freiluftsaison gelegt“, erklärt Alica Schmidt. Krönen möchte sie ihre kurze Hallensaison am liebsten mit einer 52 vor dem Komma. „Solch eine Zeit wäre schon sehr schön. Ich versuche sie in Leipzig anzupeilen.“

Die Hallen-WM in Belgrad (Serbien; 18. bis 20. März) ist dagegen kein Thema: „Wir hatten mal kurz drüber nachgedacht, aber die Hallen-WM findet erst Mitte März statt. Zu diesem Zeitpunkt befinde ich mich bereits in der Vorbereitung auf die Sommersaison, die Trainingslager beginnen. Alles ist auf den Sommer mit EM und WM ausgerichtet.“

Für das Leichtathletik-Jahr mit dem Doppel-Höhepunkt quält sie sich im Training nochmal mehr, überschreitet Grenzen und hat ihre Ziele stets im Blick. Ein solches ist ein Einzelstart bei einem Großereignis. „Für mich wäre es das Schönste, ein Teil der Heim-EM in München zu sein und vor einem großen Publikum zu starten", erklärt die Wahl-Berlinerin, die in der Jugend für den MTV Ingolstadt gestartet war und damit in München ein echtes Heimspiel hätte.

Erfahrung Tokio weckt Lust auf mehr

Wie es sich anfühlt, ein Teil des Ganzen zu sein, erlebte Alica Schmidt bei ihrem Olympia-Debüt in Tokio. Schon allein der Nominierungsprozess mit Startplätzen sowohl in der reinen Frauen- als auch in der Mixed Staffel war ein Nervenkitzel. „Im Frühjahr hatte ich eine Coronavirus-Infektion, anschließend war ich verletzt. Ich bin sieben Wochen ausgefallen. Das waren keine gute Vorzeichen.“ Sie kämpfte sich zurück, holte auf und bot schnelle Zeiten unter 53 Sekunden an. „Es war trotzdem sehr eng. Keiner wusste, wie viele von uns mitkommen. Es waren dann sieben.“

Ihr Olympia-Debüt erlebte sie als Ersatzläuferin. Und obwohl sie kein einziges Rennen bestritt, würde sie diese Tage nicht missen wollen. „Die Olympischen Spiele sind nochmal komplett was anderes als eine EM oder WM. Für mich war es die aufregendste Zeit, in der ich tolle Erfahrungen sammeln konnte. Ich kenne jetzt die einzelnen Abläufe, die mir bei meinem nächsten internationalen Einsatz helfen können“, zeigt sie sich „unfassbar dankbar“ über diese Chance.

Obendrein nahm sie eine fotografische Erinnerung mit ihrem großen Vorbild, der US-Sprinterin Allyson Felix, mit nach Hause. Bei der Stadionbesichtigung liefen sich die Athletinnen über den Weg. „Ich habe mich wahnsinnig gefreut, sie zu sehen. Sie machte sich gerade warm, als ich mich getraut habe, sie anzusprechen und war froh, dass es ich es gemacht habe.“ Allyson Felix ist auf der Bahn absolute Weltklasse. Derweil ist Alica Schmidt bei Social Media schon ganz weit vorn und hat auf Instagram 2,5 Millionen Abonnenten.

Eine Schlagzeile lässt 2017 die Zahl der Fans explodieren

Eine einzige Schlagzeile veränderte 2017 ihr Leben, als ein australisches Magazin sie zur „heißesten Athletin der Welt“ kürte. „Mein Bruder hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass über mich berichtet wurde. Im ersten Moment war ich sehr verwundert, weil ich an keinem Wettbewerb teilgenommen hatte“, berichtet Alica Schmidt. Phasenweise kamen in der Anfangszeit 100.000 neue Follower dazu. Sie wusste nicht, wie sie mit der gestiegenen Bekanntheit in den sozialen Medien umgehen sollte. „Ich hatte anfangs Angst, etwas falsches zu posten. Man macht sich weiterhin Gedanken, was kann ich von mir zeigen.“

Mittlerweile ist Social Media für die Leichtathletin zu einem richtigen Job geworden. Um sie dabei zu entlasten, wird sie unterstützt von ihrem Manager und ihrem Freund, mit dem sie in Potsdam lebt. „Man hat im Prinzip nie frei und ist ständig dabei, seinen Account für die Besucher interessant zu halten. Mein Manager hilft mir bei Verhandlungen und dem E-Mail-Verkehr, bei den Stories und Fotos geht mir mein Freund zur Hand“, erklärt Alica Schmidt, die Medien- und Kommunikationsmanagement studiert. Sie hat sich bewusst für ein Fernstudium entschieden. „Ich kann überall studieren und es lässt sich gut mit meinem Sport vereinbaren.“

Absage für "Let's Dance", Zusage für Boss

Was Alica Schmidt im Gespräch immer wieder hervorhebt: Leichtathletik ist ihre große Leidenschaft und ihre absolute Nummer eins. Dem Sport ordnet sie alles unter. Absagen musste sie beispielsweise eine Anfrage für die aktuelle Staffel von „Let´s Dance“, wie sie die Tage in ihrer Insta-Story verriet.

Es gibt aber auch Ausnahmen: Im Herbst nahm sie einen Model-Job bei der Fashion Week in Mailand an, sie lief für die Kult-Marke „Boss“. „Für mich war es das erste Mal, dass ich als Model über einen Laufsteg gelaufen bin. Das war super aufregend. Ich habe den Moment total genossen. Mir kam dabei entgegen, dass wir auf einem Football-Feld gelaufen sind und ich keine hohen Schuhe tragen musste. Mit Highheels wäre es sicherlich noch schwieriger geworden“, plaudert sie über ihr Laufsteg-Debüt.

Noch aufregender: ein Wüsten-Trip: Als Teil der #BeYourOwnBOSS Kampagne unterbrach die Langsprinterin zuletzt ihr Training und reiste für vier Tage nach Dubai. „Wir haben das Training so gestaltet, dass ich diesen Job annehmen konnte“, erklärt sie. Die Tage des Filmdrehs in der Wüste, mit dem die neue Frühjahr-/Sommer-Kollektion präsentieren wird, erforderten reichlich Ausdauer. „Ich bin um 4 Uhr aufgestanden und war 19:30 Uhr wieder im Hotel. Es gab unterschiedliche Szenarien, es wurde viel wiederholt. Es war zwar sehr viel Arbeit, aber auch sehr cool. Ich bin dankbar, was ich dort erlebt und gelernt habe.“

Gesicht ziert Leinwände und Plakate

Gefeiert wurde die neue Kollektion mit Sportgrößen wie Hochsprung-Olympiasieger Mutaz Essa Barshim (Katar) oder Tennisspieler Matteo Berrettini, die ebenfalls ein Teil der Kampagne sind. Auch das Gesicht von Alica Schmidt ziert nun große Leinwände, Banner und Plakate. Ein komisches Gefühl für die 23-Jährige: „Das ist schon Wahnsinn. Ich wusste nicht, dass die Kampagne so groß wird, aber es freut mich unheimlich, Teil davon zu sein.“

Und in welchen Situationen ist Alica Schmidt ihr eigener Boss? „Wenn ich meinen Alltag selbst bestimmen, mir mein Studium selbst einteilen und meinen Sport ausleben kann. Und es mir erlauben kann, mich hauptsächlich auf den Sport zu konzentrieren.“

Hallen-DM 2022 Leipzig

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