| Zum Jubiläum

Ratingen – Seit 25 Jahren Heimat des deutschen Mehrkampfs

Das "Who is Who" im deutschen Mehrkampf findet sich in den Siegerlisten. Internationale Gäste adelten jährlich die Veranstaltung. Am 7./8. Mai feiert das Stadtwerke Ratingen Mehrkampf-Meeting sein 25-jähriges Jubiläum. Wir blicken zurück auf die Historie des Meetings, das sich zu einem wesentlichen Baustein für die internationalen Erfolge der deutschen Siebenkämpferinnen und Zehnkämpfer entwickelt hat.
Silke Bernhart

Weltrekordler. Olympiasieger. Und Weltmeister. Frank Busemann. Sabine Braun. Roman Sebrle. Tomas Dvorak und Erki Nool. Jessica Ennis-Hill. Oder in jüngerer Vergangenheit die deutschen Medaillensammler Michael Schrader, Rico Freimuth, Arthur Abele, Kai Kazmirek, Niklas Kaul sowie Jennifer Oeser, Lilli Schwarzkopf und Carolin Schäfer. Klangvolle Namen des nationalen und internationalen Mehrkampfs. Und allesamt bereits Gäste sowie fast alle auch schon siegreich im Ratinger Stadion am Stadionring.

Grund genug, um anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Stadtwerke Ratingen Mehrkampf-Meetings am 7./8. Mai 2022 zurückzublicken auf die reiche Historie des deutschen Mehrkampf-Mekkas. Das schon so vielen Athletinnen und Athleten als Bühne und zugleich als Sprungbrett in die Weltspitze gedient hat.

Zehnkampf-TEAM bringt Idee ins Rollen

Einer, der in den vergangenen 25 Jahren – und darüber hinaus – keines der Mehrkampf-Events in Ratingen verpasst hat, ist der Leitende Bundestrainer Mehrkampf Frank Müller. 1995 stand er dort als Athlet selbst an der Spitze eines deutschen Teams, das damals einen Ländersieg gegen die USA feiern konnte. Im Herbst darauf war es das Zehnkampf-TEAM, ein Förderverein für den deutschen Zehnkampf, das die Idee eines international hochklassigen Meetings auf deutschem Boden ins Rollen brachte.

„Wir brauchten eine Veranstaltung, in der wir uns auf dem eigenen Markt präsentieren können. Auch, um die Möglichkeit von Preisgeld für die deutschen Mehrkämpfer zu schaffen und ihnen den Zugang für den Start bei einem hochklassigen Meeting zu erleichtern. Es gab die Meetings in Österreich, in Frankreich, weitere Events in Europa – aber keins in Deutschland“, erklärt Frank Müller.

TV Ratingen Feuer und Flamme

Das Zehnkampf-TEAM hatte sich damals mit einem neuen Vorstand neu aufgestellt, auch der aktuelle M55-Weltrekordler Thomas Stevens oder Hermann Holzfuß, seit vielen Jahren federführend im Organisationsteam des Thorpe Cups – dem heutigen Ländervergleich zwischen Deutschland und den USA – zählten dazu. Sie entwickelten das erste Konzept, 1996 galt es dann, einen geeigneten Standort für das Vorhaben zu finden.

Die Entscheidung fiel auf Ratingen. Weil sich das dortige Team schon bei der Ausrichtung des Ländervergleichs bewiesen hatte, das Umfeld passte und weil der TV Ratingen für die Idee ebenfalls sogleich Feuer und Flamme war. Mann der ersten Stunde: Claus Marek. Als damaliger Vorstand im Zehnkampf-TEAM, Zehnkampf-Bundestrainer und später Vorgänger von Frank Müller als Leitender Mehrkampf-Bundestrainer war er bis zu seinem Ruhestand Motor des Ratinger Mehrkampf-Events.

Premieren-Siege für Frank Busemann und Sabine Braun

1997 war es, als der erste Startschuss des Meetings fiel. Und bezeichnend, dass sich zwei deutsche Ikonen als Erste in die Siegerlisten eintrugen: Frank Busemann, damals 22 Jahre jung, war ein Jahr nach seinem Überraschungs-Silber der Olympischen Spiele von Atlanta (USA) der gefeierte Held von Ratingen und legte zur Premiere mit 8.556 Punkten den drittbesten Zehnkampf seiner Karriere hin. Bei den Frauen setzte Sabine Braun direkt eine Marke, die in Ratingen bisher unerreicht blieb: 6.787 Punkte – Meetingrekord.

„Die Leute standen dicht an dicht, man konnte kaum um den Platz herumgehen“, erinnert sich Frank Müller. „Für die Premiere war es ein Glücksfall, dass mit Frank Busemann der neue deutsche Mehrkampf-Star dabei war. Und dass Paul Meier in Ratingen nach Verletzungen sein Comeback feierte.“ Auch der WM-Dritte von 1993 in Stuttgart ist nach wie vor Stammgast in Ratingen und als amtierender Präsident des Zehnkampf-TEAMs dem deutschen Mehrkampf weiter eng verbunden.

Sabine Braun setzt zur Siegesserie an

Wenngleich Sabine Braun zu diesem Zeitpunkt im Alter von 32 Jahren schon auf eine überragende Karriere unter anderem mit Titeln bei WM, Hallen-WM und zwei Europameisterschaften zurückblicken konnte, sollte sie die folgenden Jahre des Ratinger Mehrkampf-Meetings prägen: Gleich zum Auftakt dreimal in Folge und insgesamt viermal, zuletzt 2002, holte sich die Deutsche Rekordhalterin den Sieg beim Heimspiel – das konnte ihr bisher niemand nachmachen.

„Für uns war es etwas Besonderes, auch als Gegenpart zu Götzis, jetzt ein eigenes deutsches Meeting zu haben“, erklärt Sabine Braun und betont: „Die super Stimmung und das kompetente Publikum waren für mich in Ratingen immer sehr leistungsfördernd.“ Dazu trugen auch die eigenen Fans bei, die Ratingen zu ihrem Heimspiel machten: „Ich erinnere mich gut, wie in einem Jahr meine Freunde aus dem Meeting ein kleines Happening gemacht und dort einen Tisch, Essen und Trinken organisiert haben.“

Einen besonderen Platz in ihrer Erinnerung nimmt die Veranstaltung im Jahr 2000 ein: „Damals konnte ich zwar nicht gewinnen. Aber ich habe mich in Ratingen für meine fünften Olympischen Spiele qualifiziert“, blickt sie zurück. Nicht nur für sie persönlich ein Meilenstein, sondern auch einzigartig in der deutschen Mehrkampf-Geschichte.

Hochkarätige Gäste adeln das Meeting

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) übernahm in der Folge erst mit seinem Förderverein und dann mit seiner Vermarktungsagentur DLM – welche heute offiziell als Ausrichter agiert – die Verantwortung für die Fortführung des Meetings und unterstrich damit weiter dessen nationale Bedeutung: Die Siegerliste von 25 Jahren Ratingen liest sich mittlerweile wie das „Who is Who“ im jüngeren deutschen Zehn- und Siebenkampf.

Doch es waren immer auch die internationalen Gäste, die den hohen Stellenwert des Meetings untermauerten. Zum Beispiel der Tscheche Roman Šebrle, der 2002 als Weltrekordler antrat, sich mit 8.701 Punkten den noch immer gültigen Meetingrekord holte und anschließend in München die EM-Goldmedaille feierte. Oder dessen Landsmann, der dreimalige Weltmeister und vorherige Weltrekordler Tomáš Dvořák. Und Erki Nool (Estland), Olympiasieger von 2000. Sie alle saßen 2002 in Ratingen neben Frank Busemann im Startblock.

Groß war die Freude, als im Jahr 2016 Olympiasiegerin Jessica Ennis-Hill auf ihrer „Road to Rio“ in Ratingen Station machte. Die Sympathieträgerin aus Großbritannien bedankte sich für die Gastfreundschaft mit einem starken Siebenkampf, in dem sie mit 6.733 Punkten nur knapp den Meetingrekord von Sabine Braun verfehlte. Im Jahr zuvor hatte Anouk Vetter (Niederlande) mit einem Ratingen-Sieg Fahrt aufgenommen für den EM-Titel 2016.

Alles für die Athletinnen und Athleten

Dafür, dass sowohl nationale als auch internationale Gäste immer wieder gerne nach Ratingen kommen, sorgt das Veranstaltungsteam vor Ort um die Vorsitzende des TV Ratingen Marion Weißhoff-Günther: „Wir tun alles dafür, damit sich die Athletinnen und Athleten wohlfühlen und gute Leistungen bringen. Sie geben uns dafür viel Wertschätzung zurück“, erklärt sie.

Marion Weißhoff-Günther ist seit 1987 hauptamtlich beim TV Ratingen im Einsatz, auch sie hat bisher keines der Meetings verpasst – wie im Übrigen viele der Helfer, für die das Meeting seit Jahren eine Herzensangelegenheit ist. „Für sie ist es toll, bei dem Event mithelfen zu können, das schweißt auch uns zusammen“, erklärt sie. 150 Ehrenamtler machen am Meeting-Wochenende die Veranstaltung überhaupt erst möglich. 30 von ihnen sind mit der Ausrichtung im gesamten Jahresverlauf beschäftigt. „Alle sind richtig motiviert – und waren sehr enttäuscht, als das Meeting 2020 wegen Corona ausfallen musste.“

25-jährige Premiere als Fest der Mehrkampf-Familie

Ratingen: Das ist seit Jahr und Tag ein Event, bei dem neben sportlichen Höchstleistungen zugleich die Faszination Mehrkampf gefeiert wird – von Athletinnen und Athleten, den Trainer- und Betreuerteams, Angehörigen und Zuschauern gemeinsam. Nach der Absage 2020 war dies auch in 2021 aufgrund der Corona-Pandemie nur bedingt möglich. So dient das 25-jährige Jubiläum auch dazu, die Mehrkampf-Familie im Jahr 2022 wieder enger zusammenzubringen.  

Angekündigt haben sich sowohl die derzeit besten deutschen Siebenkämpferinnen und Zehnkämpfer um die Olympia-Teilnehmer von Tokio (Japan) Carolin Schäfer (Eintracht Frankfurt), Vanessa Grimm (Königsteiner LV), Niklas Kaul (USC Mainz) und Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) als auch jede Menge Protagonisten der Ratingen-Historie. So wie Sabine Braun. Frank Busemann. Paul Meier. Frank Müller. Mona Steigauf. Oder Jennifer Oeser. Gemeinsam läuten sie am 7./8. Mai mit der Jubiläumsfeier und dem Kampf um die WM- und EM-Startplätze den nächsten Abschnitt in der Geschichte des Stadtwerke Ratingen Mehrkampf-Meetings ein.

Stadtwerke Ratingen Mehrkampf-Meeting 2022

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024