| Interview der Woche

Alina Reh: „Es war extrem schwer, ein richtig tiefes Tal“

Hinter Alina Reh (SSC Berlin), Bronzemedaillen-Gewinnerin der Europameisterschaften, liegen schwierige Monate. Nach einer Zwangspause aufgrund einer leichten Herzmuskelentzündung feierte sie am vergangenen Samstag bei der Langstrecken-DM in Pliezhausen ein Comeback nach Maß. In 32:06,63 Minuten holte sie sich ihren zweiten deutschen Meistertitel über 10.000 Meter und unterbot damit zugleich die EM-Norm (32:20 min) deutlich. Im Interview berichtet die 24-Jährige über innere Zweifel, ihren Kampf zurück auf die Laufbahn und was ihr in dieser schwierigen Zeit Halt gegeben hat.
Nicolas Walter

Alina Reh, herzlichen Glückwunsch zum Titelgewinn. Nach der Diagnose Ihrer Herzmuskelentzündung durften Sie mehrere Monate lang nicht trainieren. Hinter Ihnen liegt dementsprechend keine leichte Zeit. Haben Sie bei Ihrem Comeback gleich mit dem Titel gerechnet?

Alina Reh:

Vielen Dank! Überhaupt nicht. Ich bin nach Pliezhausen gereist und habe mir gesagt, wenn ich Fünfte werde, ist das gut. Ich wollte vor allem Spaß haben und einfach wieder an der Linie stehen – vollkommen egal, wie schnell ich bin. Ich habe mir vorab klargemacht, dass es in den letzten Wochen echt schwierige Momente gab und ich jetzt endlich wieder das tun darf, was ich gerne mache.

Ihr Start in Pliezhausen war lange Zeit ungewiss. Wann ist die endgültige Entscheidung gefallen anzutreten?

Alina Reh:

Am Donnerstag. Ich hatte mich zwar gemeldet, um mir die Option offenzuhalten, aber die Entscheidung fiel recht spät. Ich war extrem nervös die Woche über und dachte mir dann, dass das das richtige Zeichen ist, um wieder anzugreifen. Ein finaler Test hat mir auch nochmal Selbstvertrauen zurückgebracht. Mein Trainer hat mir gesagt, dass ich einmal die 5.000 Meter alleine zuhause auf der Bahn laufen muss, um zu wissen, dass ich es kann. Es war gut, dass ich das gemacht habe.

Dem DM-Rennen haben Sie dann Ihren Stempel aufgedrückt. Einsam haben Sie an der Spitze Ihre Kreise gedreht. Was ist Ihnen währenddessen durch den Kopf gegangen?

Alina Reh:

Nicht nachlassen, damit keiner mehr von hinten rankommt. Aber auch locker bleiben und die Atmosphäre genießen.

Über Ihre Herzmuskelentzündung nach der Corona-Impfung wurde viel berichtet. Wie würden Sie die letzten Monate für sich persönlich zusammenfassen?

Alina Reh:

Es war extrem schwer, ein richtig tiefes Tal. Das Problem war, dass man anfangs so wenige medizinische Anhaltspunkte hatte. Ich wurde richtig gut in Tübingen und Ulm betreut, dort hat man wirklich alles getan. Aber wenn der Körper plötzlich fremdbestimmt ist, ist das sehr schwierig. Kurzzeitig habe ich alles infrage gestellt.

Letztlich haben Sie sich aber zurückgekämpft…

Alina Reh:

Es ist schön, wenn man weiß, dass der Körper wieder alles geben kann. Ich hatte daran gezweifelt, ob ich jemals überhaupt wieder an meine alte Leistung herankommen kann. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte ich mir die Frage stellen müssen, ob ich den Sport mit Abstrichen machen möchte. Das wäre mir, glaube ich, sehr schwer gefallen.

Gibt es etwas, was Ihnen in der schwierigen Zeit Halt gegeben hat?

Alina Reh:

Tatsächlich ja. Meine Mama hat ja einen Supermarkt, in dem ich auch meine Ausbildung gemacht habe. Dort arbeite ich gerade wieder jeden Tag. Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß, sie gibt mir eine Aufgabe, eine Art Erfüllung. Das gibt einem ein gutes Gefühl. Danach gehe ich dann immer ins Training.

Gibt Ihnen die Arbeit auch das Gefühl von Normalität?

Alina Reh:

Ja, das habe ich jetzt auch in Pliezhausen wieder gemerkt. Man ist im Kosmos Laufsport, hier hat jeder etwas mit dem Laufen zu tun. Aber wenn ich am Montag wieder ins Geschäft gehe, dann ist das vollkommen egal. Klar, die Leute freuen sich, aber ihnen ist vor allem wichtig, warum es kein Rapsöl gibt und nicht, was eine schnelle Rundenzeit ist. Das erdet.

Nun haben Sie bei Ihrem Comeback sofort die Norm für die Heim-EM in München geknackt. Wie viel Sicherheit gibt das für die kommenden Monate?

Alina Reh:

Schon sehr viel Sicherheit. Ich hatte ein bisschen mit der Norm für den Europacup geliebäugelt. Schön, dass ich jetzt sogar die EM-Norm in der Tasche habe.

Neben der EM steht mit der WM ein weiteres Highlight in diesem Jahr an. Ist die Qualifikation für Eugene eines Ihrer Ziele für den weiteren Saisonverlauf?

Alina Reh:

Klar, wäre das schön, aber so wirklich habe ich daran noch gar nicht gedacht. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht einmal genau, wo die Norm steht. Ich trainiere jetzt erstmal noch ein paar Wochen, und dann schaue ich weiter in welche Richtung es gehen wird.

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