| Interview

Julian Weber: „Ich visiere die 90 Meter an“

Die Saison ist noch jung, doch der Speer von Julian Weber fliegt bereits auf sehenswerte Weiten. Eingestiegen mit 86,09 Metern beim Diamond League-Meeting in Doha (Katar), zeigte er auch beim Anhalt-Meeting in Dessau eine konstante Serie und gewann mit 85,02 Metern. Schon am Dienstagabend geht's weiter beim Golden Spike Meeting in Ostrava! Im Interview verrät der Athlet des USC Mainz, warum es 2022 Zeit für einen internationalen Titel und seinen ersten Wurf über die 90 Meter ist.
Jane Sichting

Julian Weber, trotz der starken Würfe in Ihren ersten beiden Wettkämpfen der Freiluftsaison hadern Sie noch ein wenig mit Ihrem Anlauf und dem Abwurf. Woran müssen Sie noch arbeiten?

Julian Weber:

So früh in der Saison fehlt einfach noch die Routine und die Anläufe sind zu unterschiedlich. Aktuell bin ich noch in einer Findungsphase, wie es am besten für mich passt und wie ich vorne in eine gute Position komme. Das war teils noch zu langsam, teils auch zu schnell und ist auf jeden Fall noch ausbaufähig. Der perfekte Wurf war noch nicht dabei.

Die vergangenen Jahre waren bei Ihnen von vielen Verletzungspausen und Comebacks geprägt – am Ende standen dennoch Weiten von 85 und 86 Meter. In diesem Jahr stehen diese Werte schon zu Beginn der Saison – wo soll es denn 2022 noch hingehen?

Julian Weber:

Deutlich weiter! (lacht) Ich visiere auf jeden Fall die 90 Meter an, das ist mein Ziel. Dabei achte ich aber weniger auf Platzierung oder Weiten, als mehr darauf, wie ich mich bei den Würfen fühle. Ich möchte einfach richtig weite Würfe machen dieses Jahr, und je nachdem werden die dann auch weit gehen, zumindest weiter als bisher.

Obwohl Sie seit 2016 zur Weltelite gehören, standen Sie immer etwas im Schatten Ihrer DLV-Kollegen um Johannes Vetter oder Thomas Röhler. Kommt Ihnen das eher zu Gute – wie etwa das gute Abschneiden in Tokio gezeigt hat – oder wird es endlich Zeit, in die erste Reihe zu treten?

Julian Weber:

Beides. Die Rolle des Underdogs war okay – schließlich habe ich ja noch keinen Titel geholt, so wie die anderen. Aber dieses Jahr ist es an der Zeit, dass ich mich in der deutschen Spitze durchsetzen und zeigen kann, dass ich zu der vorderen Weltspitze gehöre und um die Medaillen mitkämpfe.

In Tokio hätte es beinahe mit einer solchen Medaille geklappt. Wie betrachten Sie Ihren vierten Platz heute mit ein bisschen mehr Abstand: Freuen Sie sich über den doch eher überraschenden Erfolg oder ärgert es Sie, Edelmetall um nur 14 Zentimeter verpasst zu haben?

Julian Weber:

Schwierig. Ich denke beides. Im ersten Moment hatte ich mich ein bisschen geärgert, dass es so knapp war. Jetzt im Nachhinein bin ich mega happy mit meinem vierten Platz. Es sollte einfach noch nicht sein – aber es ist ja noch nicht vorbei und es kommt auch noch ein Olympia. (lacht)

Mit Gold bei den Deutschen Meisterschaften haben Sie im letzten Jahr immerhin den nationalen Titel gewonnen. Dieses Jahr findet die DM in Berlin statt, wo Sie mittlerweile zu Hause sind. Für Sie ein Heimspiel?

Julian Weber:

Ja, das würde ich schon so sagen. Zwar starte ich immer noch für Mainz und bin meiner Heimat noch sehr verbunden. Aber ich wohne hier, trainiere hier und bin hier viel unterwegs. Auch habe ich keine lange Anreise und kenne die Gegebenheiten. Die DM in Berlin zu haben, wird bestimmt schön.

Sie haben es bereits angesprochen: Obwohl Sie zwischenzeitlich zwei Jahre in Rostock trainiert haben und nun in Potsdam aktiv sind, starten Sie nach wie vor für den USC Mainz. Warum bleiben Sie Ihrem Heimatverein weiterhin treu?

Julian Weber:

Ich habe noch viel Kontakt zu Mainz und auch zu meinem früheren Trainer Stephan Kallenberg. Der USC ist einfach mein Heimatverein, da war ich schon immer und da bleibe ich auch. Irgendwann war es nur einfach Zeit, woanders hinzugehen und neue Erfahrungen zu sammeln.

Blicken wir einmal auf Ihr Training. Nach drei Fuß-OPs sind Sie in manchen Übungen etwas eingeschränkt und können weniger hart, dafür auch mal ungewöhnlich trainieren. Etwa mit sogenanntem „Animal Moving“ – sind Sie grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber Neuem?

Julian Weber:

Ja, ich gucke mir auch gern verschiedene Sachen ab oder versuche, alle möglichen Übungen speerwurfspezifisch umzuändern und neue Dinge auszuprobieren. Das mit dem „Animal Moving“ ist allerdings eher etwas, das wir in der Vorbereitung auf die Saison machen, jetzt aber nicht mehr.

Aktuell sind Sie in einer Trainingsgruppe mit Bernhard Seifert, der Ihnen 2019 den Vortritt für die Teilnahme an der WM gelassen hat – wo Sie letztlich Sechster geworden sind. Spielt diese Geste für Sie Beide heute noch eine große Rolle und wie ist das gemeinsame Training?

Julian Weber:

Wir verstehen uns sehr gut und es ist ein großer Respekt zwischen uns. Was er damals für mich gemacht hat, würde ich für ihn genauso machen. Aber das ist jetzt alles auch schon etwas länger her und wirkt sich nicht speziell auf das tägliche Miteinander aus.

Und wie verhält es sich in der Zusammenarbeit mit Ihrem Trainer? Burkhard Looks gilt als sehr strukturiert, Sie hingegen eher als emotionsgeleitet. Wie können Sie voneinander profitieren?

Julian Weber:

Wir profitieren sehr viel voneinander, da wir uns gegenseitig das bestmöglich Positive geben und uns sehr gut ergänzen. Auch lässt er mir meinen Freiraum und es funktioniert einfach super zwischen uns, da wir sehr gut miteinander harmonieren.

Nach Ihren Fuß-OPs mussten Sie den Ansatzwinkel ihres Stemmfußes anpassen und Ihre Technik verändern. Wie lange braucht so etwas, um sich zu automatisieren bzw. bis es routiniert abrufbar ist?

Julian Weber:

Das dauert schon länger, aber ich probiere immer sehr viel herum und muss mich auch an meine körperlichen Gegebenheiten anpassen. Mittlerweile bin ich recht stabil und kann meine Technik kontinuierlich verbessern. Im Trainingslager waren schon sehr gute Würfe dabei und ich bin gespannt, wie es die nächsten Wettkämpfe läuft.

Vor allem im vergangenen Jahr war die Beschaffenheit der Tartanbeläge immer wieder ein großes Thema. Spielt das auch für Sie und Ihre Technik eine Rolle oder sind Sie da anpassungsfähig?

Julian Weber:

Ich würde behaupten, dass ich am anpassungsfähigsten bin von uns Speerwerfern. Solang der Anlauf nicht extrem hart ist, bin ich damit eigentlich ganz happy. Ich komme mit allen Gegebenheiten gut zurecht – bisher hatte ich allerdings noch keinen einzigen Regenwettkampf in meiner Karriere. Das steht noch aus und ich bin gespannt, ob ich damit auch klarkomme.

Wer Sie ein bisschen besser kennt, der weiß, dass Sie viel Humor haben, recht aufgeweckt sind und – wie es Ihr Trainer gesagt hat – einer zum Pferdestehlen. Dennoch gelingt es Ihnen im Wettkampf erstaunlich gut, in sich zu kehren und ganz bei sich zu sein. Was ist Ihr Geheimnis?

Julian Weber:

Darin war ich schon immer gut. Sobald ich im Wettkampf bin, bin ich so im Tunnel, dass ich teils meine Kollegen nach dem Wettkampf fragen muss, was so rundherum passiert ist oder wie der Wettkampf bei ihnen war. Ich bin da sehr bei mir und fokussiert, auch einfach mental sehr stark, so dass ich meine Leistung auch vom Kopf her gut abrufen kann.

Auffällig ist bei Ihnen zudem, dass Sie nach Verletzungspausen immer sehr schnell wieder zu alter Leistungsstärke zurückfinden. Wie schaffen Sie es, in so kurzer Zeit wieder so fit zu werden?

Julian Weber:

Ich arbeite immer sehr hart und viel an den jeweiligen Problemen und richte mein komplettes Leben danach aus, dass es so schnell wie möglich wieder gut läuft. Und ich bin sehr schnell anpassungsfähig und daher kann ich auch schnell wieder fit werden.

Nicht zuletzt aufgrund Ihrer vielen Verletzungen gelten Sie als sehr leidensfähig. Ist das noch so ein bisschen die Handballer-Mentalität in Ihnen?

Julian Weber:

Ja, doch, ich glaube schon, dass es auch daher kommt. Aber ich kenne es inzwischen einfach auch und kann damit umgehen. Zudem habe ich ein sehr gutes Körpergefühl und weiß, was ich brauche.

Kommen wir noch einmal auf Berlin zurück: Hier wohnen Sie nicht nur mit Ihrer Freundin zusammen, sondern haben auch ein sehr gutes Trainingsumfeld und es scheint rund herum alles zu stimmen. Wie wichtig sind gute Rahmenbedingungen auch für Ihr Leistungsvermögen?

Julian Weber:

Ich bin gerade sehr glücklich, dass rund herum alles gut läuft und stimmig ist. Um seine maximalen Leistungen bringen zu können, spielt Vieles mit rein – natürlich auch, dass die äußeren Bedingungen und das Umfeld stimmen. Nur so kann man auch voll bei der Sache sein und kann die Leistung bringen, zu der man fähig ist.

Wozu Sie fähig sind, können Sie in diesem Jahr auch bei der WM und Heim-EM in München unter Beweis stellen. Etwas weitergedacht, stehen 2024 die Olympischen Spiele an. Ist das etwas, worauf Sie jetzt schon hinarbeiten?

Julian Weber:

Ich würde auf jeden Fall gern noch einmal an den Olympischen Spielen teilnehmen und dann natürlich auch die Medaille holen (lacht). Aber so weit plane ich jetzt noch nicht, sondern schaue von Jahr zu Jahr bzw. von Monat zu Monat. In diesem Jahr stehen erst einmal WM und EM an sowie viele weitere schöne Wettkämpfe. Vor allem auf die Heim-EM freue ich mich riesig. Das wird der schönste Wettkampf überhaupt.

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