| Berg- und Trailrunning

Anna Hahner bei EM-Premiere "Off-Road" wieder zurück im Nationaltrikot

Neun Athletinnen und Athleten werden am kommenden Wochenende (1. bis 3. Juli) die deutschen Farben bei der EM-Premiere im Off-Road-Running vertreten. Eine von ihnen: Anna Hahner. Die Olympia-Teilnehmerin von 2016 im Marathon hat sich zuletzt erfolgreich neuen Herausforderungen im Gelände gestellt und dabei die Bedeutung von Ausrüstung, Verpflegung und Vertrauen in den eigenen Körper ganz neu kennengelernt.
European Athletics | Egon Theiner

Wer Hahner sagt, der denkt zuerst einmal an zwei starke Läuferinnen auf der Halbmarathon- und Marathon-Distanz, doch der übersieht, dass die Zwillingsschwestern auch eine erfolgreiche Vergangenheit im Crosslauf haben. Und dass Gegenwart und Zukunft von einer der beiden auf den Trails liegen. Anna Hahner nimmt in wenigen Tagen an den ersten "European Off-Road Running Championships", den EAORCH auf La Palma in El Paso (Spanien) teil.

„Dass ich mich mehr und mehr den Trails verschrieben habe, hängt sicher damit zusammen, dass mein inneres Feuer für das Laufen zwar immer noch brennt, doch dass meine Ambitionen auf der Straße nicht mehr ganz so stark sind, wie sie früher einmal waren. Wer vorne mitlaufen möchte, der benötigt aber unabdingbares Commitment dafür, der muss im Training an die Grenzen gehen können“, sinniert Hahner.

Als nun ihr Ausrüster an sie herangetreten war und nachfragte, ob sie nicht als Gastläuferin Teil des „Everesting“-Versuchs ihres deutschen Landsmanns Janosch Kowalczyk sein wolle, sagte die 1989 geborene Spitzenathletin gerne zu. Sie begleitete ihn ein Stück des Weges bei seinem Unterfangen, an einem Tag 8.848 Höhenmeter zu laufen. „Und dann war ich geflasht und begeistert“, sagt Anna Hahner. „Es fühlte sich so richtig an, durch die Natur auf- und abzulaufen. Dabei hatte ich gar nicht die Ambition, ins Trailrunning einzusteigen.“ Das war vor recht genau einem Jahr.

"Vertrauen in den Körper"

Eines ergab das andere. Hahner, die erfahren und erfolgreich auf der Straße ist und andere trainiert, findet sich in der Rolle der Schülerin wieder, wird von Marcel Höche an die Hand genommen und von ihm in die Besonderheiten des Trailrunnings eingeführt. „Mit der doch anderen Lauftechnik habe ich mich aber nicht sonderlich schwer getan, es ist sehr vieles spielerisch passiert“, sagt Hahner. „Irgendwie war es so wie bei meinen Lauf-Anfängen, als ich auch mit offenen Augen in die für mich neue Welt eingestiegen bin, mit anderen trainiert habe, mir einiges abgeschaut habe. Marcel hat mir gezeigt, wie viel Spaß Downhill-Laufen machen kann, wie es so ist, vorausschauend zu laufen und den Kopf quasi auszuschalten. Nun habe ich das Vertrauen, dass der Körper schon den richtigen Weg den Berg hinunter finden wird.“

Downhill-Laufen ist eine ihre Stärken, es gibt Hahner ein gutes Gefühl zu wissen, nach dem Anstieg sich angstfrei hinunterstürzen und mit anderen mithalten zu können. Das mag überraschend kommen für jemanden, der hauptsächlich auf flachem und technikbefreitem Untergrund unterwegs war (und auch noch weiter sein wird).

Neue Bedeutung von Ausrüstung und Verpflegung

Überraschend kam für die Neo-Trailrunnerin der zum Trail dazugehörende Materialsektor. „Da stehst du bei einem Lauf, studierst die Liste der Pflichtausrüstung – beispielsweise körperbedeckende Laufkleidung im Falle eines Wetterumschwungs -, und fragst naiv nach: ,Das müssen wir aber jetzt nicht mithaben?‘ Und bekommst zur Antwort: ,Äh, doch.‘ Auch die Verpflegungssituation ist eine andere als bei Stadtmarathons, wo in den allermeisten Fällen alle fünf Kilometer verlässlich eine Labe steht. Auf den Trails mag so ein Punkt beispielsweise bei Kilometer elf eingezeichnet sein, aber er kann sich dann auch bei Kilometer 10,5 oder 11,8 oder 13,0 befinden.“

Einmal, erinnert sich Hahner, habe sie sich Wasser aus einem Bach in die Flasche gefüllt, weil sie einen Verpflegungsposten ausgelassen, aber die Distanz mit den enthaltenen Höhenmetern unterschätzt hätte.

Dass es die Konkurrenz zu Mitbewerberinnen gibt, ist klar: Wenn der Startschuss fällt, kommt der Wettkampftyp in ihr zum Vorschein. Und dennoch ist Traillauf so viel mehr. Eins sein mit der Natur, Unvorhersehbares, das es auf der Straße nicht gibt, managen, Up- und Downhills und somit auch die eigenen Kräfte und die eigenen Möglichkeiten richtig bewerten. „Wie technisch, wie steil ist der Streckenabschnitt“, fragt sich Hahner dann und weiß, dass sie im Wettkampf, on the spot, Entscheidungen zu treffen hat. Das macht sie sehr gut: Den Chiemgau Trail Anfang April hat sie ebenso gewonnen wie den Rennsteig-Marathon Mitte Mai. Die Nominierung für die EM nahm sie mit Freude entgegen, „es ist immer eine Ehre und erfüllt mich mit Stolz, das Nationaltrikot tragen zu dürfen.“

Eine große Community

Auf den Kanaren freut sich die deutsche Läuferin aber nicht nur auf den Wettbewerb, sondern auch auf den Austausch mit anderen. „Bei Straßenläufen gibt es definierte Bereiche für die einen und die anderen, bei den Trail-Konkurrenzen sind wir eine einzige Community. Wir alle sitzen an den gleichen Tischen, egal welche Zeiten oder Platzierungen gelaufen werden – weil es zuerst einmal nicht gegen andere geht, sondern um die Bewältigung der Distanz und deren Schwierigkeiten."

Die EAORCH findet Hahner einfach nur genial, „weil Berglauf und Traillauf zueinander finden, weil ein solcher Event nicht nur relevant für die Medien ist, sondern zuallererst für die Lauf-Community, die sich trifft.“ Wo denn ihre persönliche Messlatte liegt? „Mein Ziel ist, mit Freude und Leichtigkeit zu laufen, das Beste aus meinem Körper herauszuholen und dankbar das Resultat zu akzeptieren, das ich erreichen werde.“

In diesem und im nächsten Jahr liegt Hahners Fokus auf den Trails. „Das heißt aber nicht, dass ich keine Straßenläufe mehr bestreiten werde. Ich habe indes gelernt, auf meine innere Stimme zu hören, und dieses sagt mir: Schau mal, was du im Trailrunning noch so erreichen kannst.“

Der Text wurde zur Verfügung gestellt mit freundlicher Genehmigung von European Athletics

Mehr:

Off-Road Running-EM: DLV-Team für El Paso nominiert

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024