| Interview der Woche

Heike Henkel 30 Jahre nach Olympia-Gold: "Ich hatte Lust auf Leistung"

Am heutigen Montag vor 30 Jahren gewann Heike Henkel in Barcelona (Spanien) olympisches Gold – und auch Dieter Baumann lief an diesem goldenen Samstag zu Olympiasieg über 5.000 Meter. Im Interview mit ihrem damaligen Verein TSV Bayer 04 Leverkusen blickt die heute 58-jährige Hochspringerin zurück auf ihre grandiose Karriere.
pm / sb

Heike Henkel, 30 Jahre ist es jetzt her, seit Sie in Barcelona Hochsprung-Olympiasiegerin wurden. Wie präsent ist dieser Triumph heute noch für Sie?

Heike Henkel:

Es kommt mir natürlich nicht wie 30 Jahre vor. Aber ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, an bestimmte Momente. 

Welches ist die stärkste Erinnerung?

Heike Henkel:

Bei 1,95 Metern hätte es anders ausgehen können. Da hätte ich schnell rausfliegen können, ich brauchte drei Versuche. Normalerweise sprang ich bei einem guten Wettkampf immer alles im ersten Versuch. Doch da hatte ich das Erlebnis wie vier Jahre vorher in Seoul, wo ich nicht ins Finale kam. Gleiche Höhe, 1,95 Meter, obwohl ich gut drauf war. Für einen kurzen Moment musste ich mich wieder in den Fokus bringen. Und dann natürlich, als ich die 2,02 Meter übersprungen hatte und die anderen es nicht mehr schafften, also als klar war, ich habe jetzt die Goldmedaille gewonnen.  

Dieser Sieg war ja der Höhepunkt einer phänomenalen Drei-Jahres-Serie, während der Sie alle großen Freiluft- und Hallen-Meisterschaften gewonnen haben. Wie haben Sie Ihre Dominanz damals erlebt?  

Heike Henkel:

Viele Dinge waren mir gar nicht bewusst. 1991 hatte ich 32 Wettkämpfe gemacht und 31 gewonnen. Ganz genau weiß ich die Zahl nicht mehr. Das war mir nicht klar. Aber mein Bestreben war natürlich immer, möglichst dominant zu sein. So war die Erwartung auch bei mir selbst, dass ich in Barcelona unbedingt diese Goldmedaille gewinnen wollte. 

War es schwierig, mit dieser Erwartung umzugehen? 

Heike Henkel:

Natürlich wusste ich, dass alle anderen sich das auch wünschten und erwarteten – aber es war auch meine eigene Anforderung. Ich war da so klar, dass es für mich nichts anderes gab, als den Sieg zu holen. Ich hatte eine sehr gute Hallensaison, ich hatte damals den Hallen-Weltrekord von 2,07 Metern aufgestellt. Mit dem Gedanken bin ich in den Wettkampf gegangen. Ich bin viele Male über zwei Meter gesprungen, das gab mir eine unglaubliche Sicherheit. 

Sie sind 1985 aus Norddeutschland nach Leverkusen gekommen, um bei Gerd Osenberg zu trainieren, der schon Heide Rosendahl und Ulrike Meyfarth zu Olympiasiegen geführt hat. Hatten Sie da schon die Idee, auch so weit zu kommen?  

Heike Henkel:

Nein. Wenn, dann war es irgendwo im Hinterkopf so ein Gedanke. Ich war 1984 zum ersten Mal bei den Spielen dabei gewesen und hatte live erlebt, wie Ulrike da gewonnen hat. Bis dahin hatte ich aber nur an Teilnahme gedacht. Es entstand dann so ein bisschen der Traum, mal aufs Treppchen zu kommen. Aber an den Olympiasieg habe ich da noch gar nicht gedacht. Mir war klar, um voranzukommen, brauchte ich einen großen Verein. Jeder wollte damals zu Bayer Leverkusen. Umso besser, dass ich Gerd Osenberg kennenlernte. Mit den Erfahrungen, die er hatte, war er optimal für mich. Auch vom Wesen her, wir waren auf einer Wellenlänge. Für mich gab es da keine Alternative. 

Wie war der Wechsel aus dem Norden ins Rheinland?  

Heike Henkel:

Es gibt ja tatsächlich auch Karnevalsvereine in Kiel. Aber es war schon ein kleiner Unterschied, von der Mentalität her ist es anders im Rheinland. Ungefähr zwei Jahre hat es gedauert, das war schon eine Umstellung. Aber es war für mich vorher klar, dass das kommen wird. Ich war darauf eingestellt. Ich bin immer noch kein großer Karnevalist, aber ich habe mich sehr gut eingelebt hier.   

Wie schwierig war der Weg auf den Olymp? Er liest sich bei Ihnen ja sehr geradlinig: 1989 beim Sportfest in Köln erster Zwei-Meter-Sprung, 1990 bei der Hallen-EM erster internationaler Titel-Gewinn – und dann bis zum Olympiasieg ein Triumph nach dem anderen.

Heike Henkel:

Erstmal fing es nicht so easy an mit Seoul. Ich hatte da andere Vorstellung bei den Spielen 1988, aber es lief gar nicht. Ich war nicht im Finale. Danach fing es erst richtig an, dass ich einen klaren Weg gesucht habe, wie ich ans Ziel kommen kann. Ich habe gespürt, da ist mehr, ich kann mehr. Das wollte ich erreichen. Dann lernte ich meinen ersten Mann kennen [Rainer Henkel, Anm. d. Red.], er hatte solche Erfolge schon gefeiert, er war Doppel-Weltmeister im Schwimmen, da dachte ich mir: Wenn der das kann, kann ich das schon lange. Wenn man jemanden so gut kennt, ist das ein Ansporn, dann traut man sich das auch eher zu. Das spornt einen an, gibt Zuversicht. Deshalb halte ich es für sehr wichtig zu schauen, wie andere das machen.    

Nach der Geburt Ihrer Söhne 1994 und 1997 Sind Sie jedes Mal zurückgekommen, erst 2000 haben Sie nach Platz acht bei der Hallen-EM Ihre Karriere beendet. Mutter und Spitzensportlerin zu sein, war damals noch ungewöhnlicher als heute, oder?

Heike Henkel:

Es gab da keine Erfahrungswerte. Nach meinem ersten Sohn hatte ich schon irgendwie noch das Bedürfnis weiterzumachen, auch auf dem Niveau weiterzumachen. Trotzdem verschieben sich die Prioritäten. Man möchte sich auch mehr der Familie widmen. Damit muss man erstmal umgehen. Das war schwierig. Zumal ich auch schon viel erreicht hatte. Da fehlte das sportliche Ziel. Ich war sehr beschäftigt mit meinem Muttersein. Aber das sich Lösen vom Hochleistungssport ist auch nicht so einfach, das geht nicht von heute auf morgen. Nach meinem zweiten Sohn bin ich zurück, um wieder fit zu werden. Und da die Konkurrenz nicht so stark war, dachte ich: Okay, dann starte ich auch nochmal.

Es ist schwieriger geworden, zum Sportstar aufzusteigen, weil der Fußball noch dominanter geworden ist. Andererseits ist es mit Hilfe der Sozialen Medien auch möglich, ohne herausragende Sporterfolge eine Art Star-Status zu erlangen. Verrückte Welt?

Heike Henkel:

So entwickelt sich die Welt. Viele mögen es ja auch nicht, sich in diesem Leistungsdenken zu bewegen. Da werden schon Bundesjugendspiele abgelehnt, weil es um Vergleiche geht, um Leistung. Ich finde das schade. Ich hatte wirklich Lust auf Leistung, das hat mir Spaß gemacht. Ich glaube, dass es davon noch Viele gibt, das wird oft nicht anerkannt. Aber das war eigentlich schon immer so, es gab Sportarten, Rudern oder so, die haben Goldmedaillen geholt, und eigentlich hat sich kaum jemand dafür interessiert. Es war schon immer schwierig, in Deutschland überhaupt ein Sportstar zu werden. Heute ist man ein bisschen verpflichtet, wenn man präsent sein will, in den Sozialen Medien aktiv zu sein. Leichter ist es dadurch nicht geworden, das kostet auch unglaublich viel Zeit. Das hat seine Vor- und Nachteile. Wo früher mehr in Printmedien berichtet wurde, läuft heute viel über das Internet. Da hat man natürlich auch tolle Möglichkeiten. Es kann aber auch schnell in die Richtung gehen, dass man sich zu viel damit beschäftigt und den Sport zu wenig im Fokus hat. Ich glaube, die Sportlerinnen und Sportler sind gerade noch dabei, das zu lernen.

Worin lag für Sie der Reiz des Leistungssports?

Heike Henkel:

Für mich war der Reiz zu reisen. Der erste Impuls, als ich für die Schulmannschaft starten durfte, war eine Reise nach Berlin zum Finale. Da wollte ich hin. Unterwegs zu sein, hat mir immer sehr viel Freude gemacht. Und dann natürlich, Menschen aus aller Herren Länder näherzukommen. Da ist man in einer Gemeinschaft, in der man sich wohl fühlt.

Auf der Homepage des TSV Bayer 04 Leverkusen finde Sie das komplette Interview auch im Video

 

Zur Person
Heike Henkel, 58 Jahre, geboren in Kiel, Grafik-Designerin, Speakerin, ehemalige Hochspringerin des TSV Bayer 04 Leverkusen, Olympiasiegerin 1992, Weltmeisterin 1991 und Europameisterin 1990. 1989 erste Hochzeit mit dem Schwimmer Rainer Henkel, zwei Söhne, geboren 1994 und 1997, Karriereende nach der Hallen-EM 2000 mit 1,85 Metern und Platz acht. Seit 2004 verheiratet mit dem Ex-Zehnkämpfer Paul Meier, Tochter Marlene Meyer, 20 Jahre, ist Deutsche Meisterin im Hürdensprint.
Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024