| Interview

Jürgen Scholz – Vom Sprinter zum Dauerläufer

Beim Württembergischen Leichtathletik-Verband (WLV) steht am kommenden Sonntag beim Verbandstag in Bad Liebenzell ein historischer Führungswechsel an. WLV-Präsident Jürgen Scholz tritt nach 18 Jahren als dienstältester WLV-Präsident zurück. Seit wenigen Wochen ist er Präsident des Landessportverbandes (LSV) Baden-Württemberg und damit ranghöchster Sportfunktionär im Land. Der 61-Jährige, der weitere Ehrenämter, darunter als DLV-Vizepräsident und Präsident des Süddeutschen Leichtathletik-Verbandes bekleidete, zieht im Gespräch mit leichtathletik.de Bilanz seiner langen Ära im WLV.
Ewald Walker

Jürgen Scholz, vom Sprinter mit einer Bestzeit von 10,9 Sekunden im Trikot von Salamander Kornwestheim sind Sie in den vergangenen 18 Jahren zum Dauerläufer als langjähriger Funktionär im Ehrenamt geworden – was ist in all dieser Zeit passiert?

Jürgen Scholz:

Wir haben in Württemberg unzählige Deutsche Meisterschaften ausgerichtet, von den Aktiven-Meisterschaften in Ulm, den Deutschen Jugendmeisterschaften in Heilbronn, den Deutschen Mehrkampfmeisterschaften in Bietigheim bis hin zu den Deutschen Hallenmeisterschaften in Sindelfingen. Der WLV hat damit seinen Ruf als exzellenter Ausrichterverband, den er schon 1965 beim Europacup, bei den Europameisterschaften 1986, bei der WM 1993 und den Weltfinals von 2006 bis 2008 in Stuttgart unter Beweis stellte, immer wieder bestätigt.

Welche sportlichen Ereignisse sind zu erwähnen?

Jürgen Scholz:

Athletinnen und -Athleten im Aktiven- und Jugendbereich des WLV haben allein in meiner Ägide über 550 DM-Titel gewonnen.

Welche weniger erfreulichen Ereignisse hatten Sie zu registrieren?

Jürgen Scholz:

Unser Stadion, das Gottlieb-Daimler-Stadion in Stuttgart, ist weg für die Leichtathletik, das war eine sehr bittere Erfahrung. Ich habe damals am 14. September 2008 nach dem letzten Rundendurchlauf beim Weltfinale versucht, die Rundenglocke mitzunehmen. Man hat mir die Abschiedsglocke dann aber doch entzogen. Das war für die Leichtathletik in Baden-Württemberg ein starker Rückschlag. Wir haben zwar mit dem Donaustadion in Ulm ein Stadion, in dem wir Deutsche Meisterschaften durchführen können, wir haben mit Heilbronn ein weiteres leistungsfähiges Stadion, aber für die Infrastruktur hat der Verlust des Daimler-Stadios in Stuttgart insgesamt sehr weh getan.

Gibt es weitere Tiefpunkte in Ihrer Ära?

Jürgen Scholz:

Das war sicher das Ende des Sparkassencups in der Schleyer-Halle. 25 Jahre war es das weltbeste Hallenmeeting mit allen Topstars, die es in der Leichtathletik gab. Leider macht die Welt-Leichtathletik seitdem einen Bogen um Stuttgart. In diese Reihe gehört leider auch, dass es das weltbeste Hochsprungmeeting in Eberstadt nach 40 Auflagen nicht mehr gibt. Wir haben aber auch Lichtblicke. Dazu zählt die bundesweit wohl einmalige Aufrüstung der Molly-Schauffele-Halle als Bundesstützpunkt.     

Die Verbände Württemberg und Baden haben sich in den letzten Jahren angenähert, mit welcher Absicht?

Jürgen Scholz:

Um gemeinsam mit Baden eine Infrastruktur in der Trainer-Aus- und Weiterbildung, im Nachwuchsbereich und im Wettkampfbereich zu schaffen, die wir so noch nie hatten. Wir liegen im Leistungssport zudem im DLV mit vorne.

Wo steht der WLV in Sachen Breitensport?

Jürgen Scholz:

Da glaube ich, dass wir der am breitesten aufgestellte Verband sind. 2.500 Lauftreffs und Walking-Betreuer sowie 800 Trainer im Bereich der Kinderleichtathletik belegen dies. Wir waren im Bereich der Kinderleichtathletik mit den von Fred Eberle maßgeblich entwickelten Konzepten federführend. Eine Erfolgsgeschichte ist der Stuttgart-Lauf mit teilweise über 20.000 Teilnehmern.

Wer waren denn Ihre herausragenden württembergischen Athleten in der 18-jährigen Amtszeit?

Jürgen Scholz:

Das ist ganz schwer zu sagen. Ich denke aber, dass Tobias Unger, den ich im olympischen Finale von Athen 2004 über 200 Meter gesehen habe, zu nennen ist. Bei den Frauen ist das Nadine Hildebrand, die fünfmalige Deutsche Meisterin geworden ist und heute als Aktivensprecherin im DLV-Präsidium sitzt.

Mit welchen Initiativen wartet der WLV im Bildungsbereich auf?

Jürgen Scholz:

Seit fünf Jahrzehnten findet in Schwäbisch Gmünd mit dem Nikolaus-Lehrgang, der herausragende Referenten aus dem aktiven Bereich begrüßt und auf eine Riesenbeteiligung von Trainern und Übungsleitern zurückblickt, eine außergewöhnliche Veranstaltung statt. Wir haben während Corona viele digitale Veranstaltungen im Bildungsbereich erfolgreich durchgeführt.

2004 sind Sie in Bad Liebenzell zum WLV-Präsidenten gewählt worden, 2022 findet ebenfalls in Bad Liebenzell der Abschied aus diesem Amt statt – was bleibt nach 18 Jahren bei Jürgen Scholz zurück?

Jürgen Scholz:

Viele schöne Ereignisse und: einmal Leichtathletik, immer Leichtathletik.

Raus aus dem einen Amt, rein in das nächste als LSV-Präsident, dem höchsten Amt des freien Sports auf Landesebene. Was sind dort Ihre zukünftigen Aufgaben und Ziele?

Jürgen Scholz:

Nach der Corona-Krise und der jetzigen Energie-Krise sollten wir baldmöglichst wieder in einen normalen Modus kommen. Und dabei müssen wir als freier Sport mit einer Stimme reden.

Zur Person:

Jürgen Scholz (61), verheiratet, zwei Kinder, Bürgermeister in Sersheim (Kreis Ludwigsburg) seit 32 Jahren, ehemaliger Sprinter Salamander Kornwestheim (10,9 sec.), WLV-Präsident 2004-2022, WLV-Breitensportwart 2002-2004, Präsident des Süddeutschen Leichtathletik-Verbandes 2008-2011, DLV-Vizepräsident 2009-2013, Mitglied im Landesausschuss Leistungssport, seit Juli 2022 Präsident des LSV Baden-Württemberg. 

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