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Aleksandar Askovic – Geschwindigkeit in Weite umsetzen

Zehn Athletinnen und Athleten, die noch nie einen Titel bei Deutschen Hallenmeisterschaften gewonnen haben, standen Ende Februar in Dortmund ganz oben auf dem nationalen Podium. Einige von ihnen sind schon länger Teil der DLV-Spitze, die meisten dagegen neue Gesichter. Wir stellen sie vor. Heute: Sprinter Aleksandar Askovic (LG Stadtwerke München).
Jan-Henner Reitze

Aleksandar Askovic
LG Stadtwerke München

Bestleistungen:
60 Meter: 6,56 sec (2023)
100 Meter: 10,36 sec (2020)
Weitsprung: 7,34 m (2022; Halle)

Erfolge:
Deutscher Hallen-Meister 2023

Vieles richtig gemacht, aber doch noch unvollendet, um rundum glücklich zu sein: Das 60-Meter-Finale bei der Hallen-DM in Dortmund steht sinnbildlich für die bisherige Karriere von Aleksandar Askovic: In 6,56 Sekunden war der 25-Jährige die Strecke gerade so schnell gesprintet wie noch nie und hatte alle Favoriten hinter sich gelassen. Da fiel im Ziel die Spannung so abrupt ab, dass er sich eine leichte Oberschenkelverletzung zuzog, die einen Start bei der Hallen-EM am vergangenen Wochenende verhinderte. Das trübte die Freude über den Sieg. „Einerseits hatte ich ein gutes Niveau in der Hallensaison und konnte endlich Meister werden, anderseits ist es schade, dass ich Deutschland nicht repräsentieren konnte.“

Der Student der Materialwissenschaften musste schon häufiger Rückschläge verarbeiten. Sein Kopf ist zwar schon seit der Kindheit auf Sieg programmiert. „Ich kann nicht verlieren, egal was ich mache.“ Die körperlichen Voraussetzungen für Erfolge zu schaffen ist die Herausforderung und braucht Geduld, harte Arbeit sowie das passende Trainingskonzept.

An all diesen Faktoren feilt der Athlet der LG Stadtwerke München seit Jahren und trainiert inzwischen bei Sebastian Kneifel mit dem Ziel, im Weitsprung den Anschluss an die internationale Spitze zu schaffen. Das Duo sieht sich auf dem richtigen Weg, obwohl auch dieser noch unvollendet ist.

Leichtathletik zuerst als Konditionstraining fürs Tennis

Leichtathletik gehörte seit frühesten Kindheitstagen für Aleksandar Askovic zum Leben dazu. „Meine Mutter war Hürdenläuferin, mein Vater ist bis heute Stabhochspringer“, erzählt der Deutsche Hallenmeister, der im Alter von vier Jahren mit seinen Eltern aus Belgrad (Serbien) nach Augsburg kam. Dort begann er beim TSV Schwaben Augsburg, der später Teil der LG Augsburg wurde, mit dem Leichtathletik-Training. Seine erste Trainerin war seine Mutter.

„Meine erste sportliche Priorität war damals allerdings noch Tennis. Leichtathletik war vor allem als Konditionstraining gedacht“, erzählt der heutige Spitzenathlet. „Bei Leichtathletik-Wettkämpfen hatte ich es schwer, weil die meisten Gegner aus meinem Jahrgang zwei Köpfe größer waren als ich.“ Mit der Zeit stellte sich aber heraus, dass in der Leichtathletik das größere Potenzial lag. Nach einem dramatischen Match bei den Vereinsmeisterschaften entschied der damals 16-Jährige, mit dem Tennis aufzuhören.

Stattdessen begann er intensiver an seinen Sprint- und Sprungfähigkeiten zu arbeiten. Sein Haupttrainer zu diesem Zeitpunkt war Stefan Wastian, um den Stabhochsprung kümmerte sich Matthias Schimmelpfennig. Dadurch gelang ihm der Anschluss an die erweiterte DLV-Spitze im Nachwuchsbereich. Im Weitsprung landete er im Bereich um sieben Meter, seine Stabhochsprung-Bestleistung schraubte er bis auf 4,70 Meter. Die größten Erfolge gelangen dem damaligen U20-Athleten im Sprint mit Platz vier über 100 Meter (10,62 sec) und Platz fünf über 200 Meter (21,75 sec) bei der Jugend-DM in Jena 2016.

Suche nach bestem Trainingskonzept

Nach dem Schulabschluss stand fest, dass der Sport weiterhin eine wesentliche Rolle im Alltag spielten sollte. „Ich wollte wissen, wie weit ich es schaffen kann.“ Neben dem Sport nahm Aleksandar Askovic an der Universität Augsburg ein Studium in Materialwissenschaften auf. Der Bachelor ist inzwischen abgeschlossen, es läuft das Masterstudium. Das Training übernahm der damalige bayrische Landestrainer Patrick Saile, was neue Bestzeiten zur Folge hatte.

Bei Deutschen U23-Meisterschaften ging es in mehrere Finals, 2018 in Heilbronn über 200 Meter mit Platz drei (21,16 sec) sogar aufs Podest. Erste internationale Luft schnupperte der Athlet 2019 bei der Universiade in Neapel (Italien), als Halbfinalist über 100 Meter. Immer mehr zur Stärke entwickelten sich die 60 Meter, was sich bei der Hallen-DM 2020 in Leipzig verdeutlichte. In 6,66 Sekunden gewann Aleksandar Askovic mit Bronze die erste Medaille auf nationaler Ebene bei den Männern. Im Weitsprung ging er nur noch selten an den Start.

Als Trainer Patrick Saile den Standort München verließ, schloss sich der damals 23-Jährige Ende 2020 der Trainingsgruppe um den Deutschen Rekordler Julian Reus in Erfurt und dem  LC Top Team Thüringen an. Dort gewann er viele wertvolle neue Eindrücke durch Trainer Tobias Schneider und das gemeinsame Training mit Julian Reus, Julian Wagner und Luis Brandner.

Rückkehr nach München und unverhoffter Start bei Hallen-WM

Nach einem Jahr Trainingsmittelpunkt Erfurt entschied sich Aleksandar Askovic allerdings noch einmal neu: Er wollte es wieder mit dem Weitsprung versuchen. In dieser Disziplin sieht er noch größeres Potential als im Sprint. So zog er nach München, wo er bis heute von Sebastian Kneifel betreut wird. Sein Verein ist seitdem die LG Stadtwerke München.

Um seinen Alltag und seine Wohnung in München zu finanzieren, arbeitet der 25-Jährige neben seinem Studium als Konditionstrainer für zwei Tennisspielerinnen und als Projektmanager in seinem Verein, wo er für ein Schulprojekt zuständig ist. Finanzielle Unterstützung durch einen Status als Bundeskader-Athlet hat der Deutsche Hallenmeister bisher nicht erhalten. „Trotzdem habe ich es so weit geschafft.“

Das Wettkampf-Comeback im Weitsprung begann mit der Bestleistung von 7,34 Metern zum Auftakt der Hallensaison 2022. Die verschiedenen neuen Impulse brachten aber auch eine weitere Verbesserung über 60 Meter, die den Weitsprung erstmal wieder etwas in den Hintergrund treten ließ. Aleksandar Askovic steigerte sich bis auf 6,61 Sekunden und qualifizierte sich für die Hallen-WM ausgerechnet in seiner Geburtsstadt Belgrad. In 6,61 Sekunden und 6,62 Sekunden in Vorlauf und Halbfinale verkaufte er sich bei seinem ersten Auftritt auf ganz großer Bühne teuer, fürs Finale reichte es knapp nicht.

Körper noch nicht fit für den Weitsprung

Mit dieser Motivation im Rücken ging es vergangenes Jahr Richtung Sommersaison, in der endlich der Weitsprung-Plan voll umgesetzt werden sollte. Beim Wettkampfauftakt Anfang Mai klappte das in den ersten fünf Versuchen mit einer Tagesbestweite von 6,86 Metern noch nicht. Im sechsten Versuch passierte es dann: Der Student zog sich einen Muskelfaserriss der Adduktoren zu, er litt außerdem an einer Schambeinentzündung. „Das war wirklich eine schwere Verletzung, die ersten Tage konnte ich meine Beine kaum bewegen.“

Ein klares Zeichen das Körpers: Für die Belastung des Weitsprungs war er nicht bereit. So schwer dieser Rückschlag auch war, Aleksandar Askovic bewertet ihn im Nachhinein als Weckruf. Behutsam und ohne immer gleich alles zu wollen, musste er ins Training zurückfinden. Mittlerweile zieht er nicht mehr ohne Rücksicht auf Verluste sämtliche Wiederholungen durch, die der Trainingsplan vorsieht. Schon bei kleineren Warnsignalen des Körpers werden lieber weitere Belastungen vermieden.

„Ich habe viel für die Rumpfstabilität getan, die Adduktoren und den Hüftbeuger, zum Beispiel Schwunggymnastik mit Gewicht. Unsere Vereins-Physiotherapeutin Cristina Gunz und CrossFit-Trainer Dominic Bilic haben mich Schritt für Schritt zurückgeholt. Von Weitsprungkollegen, die ebenfalls diese Problematik kennen, habe ich Tipps bekommen“, erzählt der Deutsche Hallenmeister. „Sebastian Kneifel und ich haben rausgefunden, welche Übungen mir gut tun.“

Mit Bedacht in den Sommer

Der zurückliegende Winter mit neuen Bestzeiten und dem DM-Titel über 60 Meter zeigen, dass die Rückkehr mehr als gelungen ist. Der schmerzhafte Fehltritt nach dem Zieleinlauf bei der Hallen-DM ist aber auch eine Erinnerung, dass der Fokus stets aufrecht erhalten bleiben möchte. Der Verzicht auf die Hallen-EM unterstreicht die neue Marschroute, im Zweifelsfall wird weiteres Verletzungsrisiko vermieden.

So heißt es erstmal, die Beugerprobleme vollständig auszukurieren. Im Trainingslager im April sollen dann möglichst wieder qualitativ hochwertige Einheiten auf dem Programm stehen. Und auch wieder Sprünge.

Der Wettkampfeinstieg kommenden Sommer ist allerdings noch nicht geplant. Anders als im vergangenen Jahr möchte Aleksandar Askovic nicht um jeden Preis schon Anfang Mai wissen, was sein Leistungsstand hergibt. „Zeitdruck mache ich mir keinen. Und ich weiß auch, dass meine 60-Meter-Leistung bisher deutlich stärker ist, als im Weitsprung. Aber ich möchte noch zeigen, dass ich auch in dieser Disziplin mehr drauf habe.“

Video-Interview: Aleksandar Askovic: "Ich bin sehr, sehr glücklich"
Video: Aleksandar Askovic schnellster Mann in Dortmund

Das sagt Bundestrainer David Corell:

Aleksandar hat sich vor allem in den vergangenen beiden Jahren erfolgreich weiterentwickelt. Das hat seine Qualifikation für die Hallen-Weltmeisterschaften gezeigt, wo er unter Druck voll abgeliefert und seine Bestleistung eingestellt hat. In der Beschleunigung ist Aleksandar schon länger stark, im fliegenden Bereich gab es noch Potential. Es ist sehr erfreulich, dass er sich in den vergangenen beiden Jahren auch in diesem Bereich verbessern konnte. Das lässt darauf schließen, dass er auch draußen eine schnellere 100-Meter-Zeit laufen kann. Das Wichtigste für ihn ist es, gesund zu bleiben. Wenn das klappt, kann er seine Verbesserungen im freien Sprint auch über die 100 Meter ausspielen.

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