| Interview der Woche

U20-Doppel-Europameisterin Rosina Schneider: „Der größte Erfolg meines Lebens“

Zu den Heldinnen der zurückliegenden U20-Europameisterschaften in Jerusalem (Israel) zählte Rosina Schneider. Die Athletin des TV Sulz triumphierte im Hürdensprint und ließ am Abschlusstag noch Gold mit der 4x100-Meter-Staffel folgen. Im Interview der Woche verrät die 18-Jährige, welch starkes Team hinter ihrem Erfolg steckt, ob sie künftig weiterhin die Doppelbelastung zwischen Flach- und Hürdensprint angehen wird und was sie mit zwei anderen U20-Europameisterinnen von Jerusalem verbindet.
Svenja Sapper

Rosina Schneider, was für eine Woche: Du bist U20-Europameisterin über 100 Meter Hürden und mit der 4x100-Meter-Staffel. Hast du überhaupt schon realisiert, was du in den letzten Tagen geleistet hast? 

Rosina Schneider:
Tatsächlich immer noch nicht so ganz. Wenn ich nach Hause komme und meine Familie und Freunde mich empfangen, vielleicht werde ich dann so richtig realisieren, was ich da geschafft habe. Auf Gold mit der Staffel hatten wir gehofft. Aber damit, dass ich zwei Goldmedaillen in meiner Hand halten werde, hätte ich niemals gerechnet. 

Wie wird der Erfolg nach deiner Rückkehr gefeiert? 

Rosina Schneider:
Meine Mutter und mein Bruder haben mich vor Ort schon unterstützt und nebenher ein bisschen Urlaub gemacht. Sie haben sich natürlich mega mit mir gefreut und es war so schön, sie in den Arm nehmen zu können. Ich schätze mal, wenn ich zum Verein komme oder zum Olympiastützpunkt in Stuttgart, dass mich dann viele drücken und mir gratulieren werden. Ich glaube, da wird es erst so richtig bei mir ankommen. Das ist der größte Erfolg, der mir je gelungen ist. 

Angereist bist du mit einer Hürden-Bestzeit von 13,38 Sekunden. Am Ende hast du in 13,06 Sekunden Gold gewonnen. Rang zwei in der ewigen deutschen U20-Bestenliste und deutsche Jahresbestleistung bei den Aktiven …

Rosina Schneider:
Ja, stimmt! Ich kann mich an Franzi Schuster erinnern mit ihren 13,11 Sekunden. Meine Bestzeit in Rostock bin ich bei schlechtem Wetter und Gegenwind gelaufen, deshalb haben wir schon spekuliert, welche Zeit ich laufen könnte. Ich bin als Siebte angereist und wusste, dass noch was geht. Aber dass es so eine Zeit wird, damit hätte ich niemals gerechnet. Das hat mich im ersten Moment sprachlos gemacht. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich gewinne – aber ich habe gewonnen!

Gemeinsam mit Lia Flotow, die Bronze gewonnen hat, gab es in Jerusalem einen doppelten Erfolg für den deutschen Hürdensprint zu feiern. Ihr hattet einen straffen Zeitplan zu bewältigen, mit nur rund zweieinhalb Stunden zwischen Halbfinal- und Finallauf. Hilft es, wenn man nicht allein da durchmuss?

Rosina Schneider:
Ja, mit Lia hat es total gut funktioniert. Wir haben uns gegenseitig so eine Stärke gegeben. Wir wussten: Wir müssen beide da durch. Wir müssen beide noch unsere Koordination machen, unser Starttraining. Das hat mir viel geholfen. Ich habe auch zwischen Halbfinale und Finale noch einen Powernap gemacht. Ich bin so eine Kandidatin, die immer zwischen Vorläufen und Halbfinals schläft. Ich habe mich hingelegt, relaxt und war noch mal beim Physio. 

Beeindruckend war auch, welch konstant gute Leistung du nicht nur im Finale, sondern auch in den beiden Runden zuvor abgerufen hast. Im Vorlauf bist du bereits mit 13,13 Sekunden europäische U20-Jahresbestleistung gerannt. Wie hast du es geschafft, nach diesem Highlight die Konzentration auf die zwei weiteren Rennen hochzuhalten? 

Rosina Schneider:
Ich war über die 13,13 sehr überrascht. Vor allem darüber, dass der Wind gültig war. Ich dachte mir: „Wow, okay. Ich bin jetzt Favoritin. Ich bin jetzt Nummer eins.“ Dadurch kommt ein gewisser Druck. Auf die beiden Rennen musste ich mich sehr fokussieren. Aber ich hatte ein gutes Trainerteam, das mich darauf eingestellt hat, auch mit dem Kopf da zu sein. Es war auch eine Sache des Mindsets. 

In Jerusalem hat Nachwuchs-Bundestrainer Björn Sterzel dich und die anderen Hürdensprinterinnen betreut. Wie sieht dein Trainingsumfeld zu Hause aus? 

Rosina Schneider:
Cathleen Tschirch [WM-Dritte mit der 4x100-Meter-Staffel von 2009; Anm. d. Red.] schreibt meine Trainingspläne. Was das Hürdentraining angeht, betreut mich Aleksandra Gacic und teilweise auch Sven Rees. Ich habe auch noch einen Krafttrainer, Nicolas Neumann. In Stuttgart sind die Trainingsbedingungen top: Wir haben ein richtig großes Gym, ein sehr gutes Stadion und eine tolle Halle, in der wir trainieren können. Ich trainiere in einer bunt durchmischten Trainingsgruppe, wir sind alle verschiedenen Alters und betreiben teilweise auch verschiedene Disziplinen. Das klappt super. Dazu gehört zum Beispiel Elisa Lechleitner, die mit der 4x400-Meter-Staffel zur WM fahren wird. Bruno Betz, der jetzt auch mit in Jerusalem war. Und Angelos Tsimopoulos [Deutscher Jugend-Vizemeister über 400 Meter Hürden von 2022, die Red.], Jan Lukas Schröder [U20-EM-Dritter mit der 4x400- Meter-Staffel von 2021] und noch einige andere.

Auch du bist nicht nur im Hürdensprint unterwegs, sondern warst vergangenes Jahr über 100 Meter im Halbfinale der U20-WM. In der Hallensaison bist du Deutsche Jugendmeisterin über 60 Meter Hürden und 200 Meter geworden. Hast du unter all diesen Disziplinen eine Präferenz oder reizt dich auch weiterhin die Abwechslung? 

Rosina Schneider:
Gerade favorisiere ich den Hürdenlauf, aber das liegt natürlich vor allem daran, dass es jetzt bei der EM so gut lief. Aber ich würde gerne schon weiterhin beides machen, ich brauche den Ausgleich zwischen den Disziplinen. Sich immer auf eins zu fokussieren, ist sicher schön. Aber wenn ich nur Flachsprint trainieren würde, würden mir irgendwann die Hürden fehlen – genauso andersrum. Deshalb werde ich auch weiterhin neben dem Hürdensprint noch 100 und auch 200 Meter laufen. 

Du bist nicht die einzige deutsche U20-Europameisterin, die am Olympiastützpunkt in Stuttgart trainiert. Am Dienstag haben auch Sandrina Sprengel im Siebenkampf und Nina Ndubuisi im Kugelstoßen Gold gewonnen. Ihr trainiert alle in Stuttgart und habt diesen Sommer auf derselben Schule euer Abitur abgelegt …

Rosina Schneider:
Sandrina, Nina und ich sind ein richtig gutes Team. Wir waren alle in der gleichen Stufe, haben zur selben Zeit Abi gemacht. Wir sind alle im April durch diese harte Phase gegangen, haben den Stoff gelernt und hatten trotzdem die EM im Fokus. Man sieht sich jeden Tag in der Halle. Wir trainieren zwar in unterschiedlichen Trainingsgruppen, aber wenn man sich sieht, weiß man: Man ist nicht alleine. Das war schon bei der Anreise nach Jerusalem sehr schön. Wir verstehen uns super. Ich bin richtig glücklich, dass ich die beiden habe. 

Vor allem dein Erfolg über die Hürden hat auch Reaktionen in der Heimat hervorgerufen. In den sozialen Medien haben unter anderem die jahrelangen Leistungsträgerinnen Cindy Roleder und Pamela Dutkiewicz-Emmerich zum Erfolg gratuliert. Wie viel hat dir das bedeutet?

Rosina Schneider:
Ich habe mich total darüber gefreut. Auch, weil ich mit ihnen bislang ja noch nicht so wirklich Kontakt hatte. Es war total schön, dass beide das Video von unserem Rennen auch repostet haben und dazugeschrieben haben, dass richtig gute Hürdensprinterinnen nachkommen. Damit bin ja nicht nur ich gemeint, sondern auch Lia. Ich habe mich dann auch bedankt und sie haben mir geschrieben, dass ich den Erfolg genießen soll. Beide sind natürlich auch Vorbilder für mich. 

Gibt es noch weitere Athletinnen oder Athleten, die dich inspirieren? 

Rosina Schneider:
Ja, Sydney McLaughlin zum Beispiel oder Mondo Duplantis. Die finde ich auch sehr cool, obwohl sie ja andere Disziplinen machen. Aber sie waren schon in so jungem Alter erfolgreich und haben Rekorde aufgestellt. Sydney war mit 16 schon bei Olympia, Mondo Duplantis bricht Weltrekord um Weltrekord, obwohl er auch noch so jung ist. Das inspiriert mich. 

Mehr: 

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