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Alina Kenzel – Die junge Durchstarterin

Spätstarter, erfolgreiche Nachwuchsathleten auf dem Weg in die Spitze bei den „Großen“ und eine Rückkehrerin nach schwerer Verletzung. Bei der Hallen-DM in Dortmund haben DLV-Athleten mit unterschiedlichen Geschichten ihren ersten nationalen Titel ihrer Karriere gewonnen. leichtathletik.de erzählt ihre Geschichten. Heute die der jungen Kugelstoßerin Alina Kenzel (VfL Waiblingen).
Jan-Henner Reitze

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail alina-kenzel>Alina Kenzel
VfL Waiblingen

*10. August 1997
Größe: 1,81 m
Gewicht: 84 Kilo

Kugelstoßen

Bestleistung: 17,61 m (2017) Halle: 17,68 m (2017)

Erfolge:

Dritte U23-EM 2017
U20-Weltmeisterin 2016
Sechste U20-EM 2015
Siebte U18-WM 2013
Deutsche Hallenmeisterin 2018

Sie ist gerade einmal 20 Jahre alt und schon Deutsche Meisterin bei den "Großen". Bei ihrem Titelgewinn in Dortmund nutzte Alina Kenzel (VfL Waiblingen) einerseits die Gelegenheit zum Sieg durch die Abwesenheit von Titelverteidigerin Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge), die ihre Rückkehr nach ihrer Babypause erst im Sommer plant, und der verletzten Deutschen Freiluftmeisterin Sara Gambetta (SV Halle).

Andererseits bewies die neue Meisterin mit der Saisonbestleistung von 17,37 Metern einmal mehr, dass sie auf den Punkt ihre Leistung bringen kann. Dieser erste Sieg auf nationaler Ebene bei den Frauen ist eine weitere Station auf dem eingeschlagenen Weg in Richtung internationale Spitze, der in den vergangenen Jahren ohne Umwege immer weiter bergauf führte. In diesem Winter erschwerte allerdings eine Schienbeinverletzung, dass die Kugel noch weiter in Richtung Bestleistung (17,68 m) flog.

Vom Handball zum Kugelstoßen

Dass die Nachwuchshoffnung überhaupt bei der Leichtathletik gelandet ist, hängt mit einer Entwicklung in ihrer Familie zusammen. Denn in ihrer Kindheit spielte Alina Kenzel Handball, wie ihre Eltern, die beide zum rumänischen Nationalkader gehörten, bevor sie nach Deutschland übersiedelten. "Als sich meine Eltern getrennt haben, entschied ich mich, eine andere Sportart zu machen." Da war das Wurftalent 13 Jahre alt, das schon vorher neben dem Handball auch ins Leichtathletik-Training gegangen war.

Beim VfL Waiblingen, dem sie bis heute als Verein treu geblieben ist, trainierte sie unter der Anleitung von Norbert Apfel zuerst alle Disziplinen. Die Würfe kristallisierten sich aber schnell als besondere Stärke heraus – wen wundert's bei dem Elternhaus. Sabrina Werrstein führte die damals 14-Jährige im Jahr 2011 zu 42,31 Meter mit dem Speer, Platz zwei in der DLV-Bestenliste der W14. Eine angerissene Bizepssehne bereitete dann aber unangenehme Schmerzen im Wettkampf und Training der Lieblingsdisziplin. So kam es zum Wechsel zu Kugelstoß-Trainer Peter Salzer.

"Er hat zu mir gesagt: Komm wir machen etwas, was dir nicht wehtut", erinnert sich Alina Kenzel, die schon im gleichen Jahr mit 15,30 Metern mit der Drei-Kilo-Kugel die beste W14-Kugelstoßerin des Jahres war. Die Bizespssehne verheilte, die Schmerzen wichen und der Spaß kam mehr und mehr zurück. "Dazu mochte ich es, eine neue Technik zu erlernen." Seitdem ging es mit der Leistung rasant bergauf und schnell auch zu internationalen Einsätzen.

Frühe Auftritte auf internationaler Bühne

Ab 2013 war die Kugelstoßerin jedes Jahr bei einem internationalen Höhepunkt der Nachwuchsklassen dabei. Angefangen mit der U18-WM 2013 in Donetsk (Ukraine) bis zum Gold bei der U20-WM 2016 in Bydgoszcz (Polen). "Etwas Talent ist auch dabei", erklärt die DLV-Athletin ihre frühen Erfolge. "Aber ich habe schon immer fleißig trainiert, die Pläne meines Trainers umgesetzt und ein Feingefühl für die Kugel entwickelt. Das hat mir geholfen, in die Spitze zu kommen."

Der U20-WM-Titel war ein wichtiger Wendepunkt, der endgültig den Weg in Richtung Leistungssport markierte. "Zuerst war es einfach der Spaß, der mich auch bei internationalen Wettkämpfen begleitet hat", berichtet die Kugelstoßerin über ihre Einstellung. "Bei der U20-WM war mir dann schon sehr viel bewusster, dass die Trainingsstrategie auf diesen Höhepunkt ausgerichtet war. Dass ich meinen Kopf und Körper in dieser Situation so steuern konnte, dass der Titel dabei herauskam, war ein wichtiger Schritt."

Peter Salzer hat großen Anteil daran, dass die Entwicklung seiner Athletin so geradlinig nach oben verläuft. "Er hat das Feingefühl für jede Person. Das ist einzigartig", sagt die U20-Weltmeisterin über ihren Trainer. Auch die leistungsstarke Trainingsgruppe harmoniert, dazu gehören unter anderem die Universiade-Siegerin von 2015 Lena Urbaniak (LG Filstal), Paralympics-Sieger Niko Kappel und Olympia-Teilnehmer Tobias Dahm (beide VfL Sindelfingen). "Eine Trainingsgruppe, die sich mag, ist einfach ein schönes Umfeld", so Alina Kenzel.

Enger nationaler Kampf um Tickets für die Heim-EM

Auf dem Weg Richtung Sommersaison gilt es zuerst einmal die Schienbeinverletzung auszukurieren, die schon in der Vorbereitung auf die Hallensaison das Training behindert hatte. Gelingt das, steht der angestrebten Attacke auf die 18-Meter-Marke und einem Ticket für die Heim-EM in Berlin nichts im Wege.

Die nationale Konkurrenz um die Startplätze neben Titelverteidigerin Christina Schwanitz ist lang: Das Ziel Heim-EM verfolgen auch Sara Gambetta, Trainingspartnerin Lena Urbaniak, die eigentlichen Diskus-Spezialistinnen Claudine Vita (SC Neubrandenburg) und Anna Rüh (SC Magdeburg) oder U20-Europameisterin Julia Ritter (TV Wattenscheid 01).

Alina Kenzel nimmt diese herausfordernde Situation sportlich: "Ich gönne jedem einen Startplatz, weil ich weiß, was die anderen trainieren. Aber klar werde ich auch um meinen Platz kämpfen. Berlin wird eine einzigartige Stimmung bieten und man kann seine Familie einladen."

Schnelligkeit, Kraft, Technik: Überall ist noch was drin

Langfristig gesehen, sieht die Angehörige der Sportfördergruppe der Bundeswehr bei sich noch Potential in allen Bereichen. "Ich bin schon relativ schnell und habe die Länge im Stoß. In meinem Alter habe ich aber noch nicht die Trainingsjahre wie zum Beispiel eine Christina Schwanitz. Ich kann mich noch überall verbessern, auch beispielsweise beim Trainingsumfang." Um für Abwechslung im Training zu sorgen, dreht sich die eigentliche Angleiterin auch mal durch den Ring. "Das sorgt für Pep im Training."

Insgesamt beobachtet die 20-Jährige im Kugelstoßen der Frauen einen Trend zur Drehstoß-Technik und mehr an Schnelligkeit als Kraft orientierten Athletinnen. Wie weit ihre Kugel per Drehstoß fliegt, hat sie bisher noch nicht gemessen. Es eventuell einmal im Wettkampf auszuprobieren, ist bisher nicht geplant, aber auch nicht ausgeschlossen. Was Peter Salzer sich auch immer für ihr Training und ihre Wettkämpfe überlegt, Alina Kenzel gibt ihr Bestes, möglichst viel davon umzusetzen. Der bisherige Verlauf ihrer Karriere spricht dafür, dass der neuen Deutschen Hallenmeisterin der Anschluss an die internationale Spitze gelingen kann. "Ich vertraue Peter und das hat sich bisher immer ausgezahlt."

Video-Interview: <link video:17959>Alina Kenzel: "Ich bin überglücklich"
Video: <link video:17939>Erstes DM-Gold für Alina Kenzel

Das sagt Bundestrainer Sven Lang:

Alina Kenzel ist eine Sportlerin, die schon in den Nachwuchsaltersklassen sehr erfolgreich war und sich nun anschickt, in der Frauenklasse Fuß zu fassen. Dabei konnte sie bisher immer in den entscheidenden Wettkämpfen eine Bestleistung oder eine Weite nahe der persönlichen Bestleistung erzielen, was auf eine hohe Motivation und Steigerungsfähigkeit hinweist. Dabei kommt ihr eine gute Wettkampftechnik und ein gut ausgeprägtes Gefühl für die Kugel zu gute. Daraus resultiert auch ein langer Beschleunigungsweg. Eine Reserve ist sicherlich die nötige Aggressivität im Ausstoß, um noch größere Weiten erzielen zu können. Da spielen sicherlich auch die Kraftfähigkeiten eine entscheidende Rolle.

Alina ist ein sympathischer Typ, mit der man gut zusammen arbeiten kann. Unsere Zusammenarbeit, auch mit ihrem Heimtrainer Peter Salzer, verläuft sehr konstruktiv und angenehm. Das nächste Ziel für Alina Kenzel sollte das Erreichen der 18 Meter-Marke sein. Nach Christina Schwanitz und Sara Gambetta ist Alina sicherlich favorisiert, einen der beiden weiteren Startplätze für die Heim-EM in Berlin zu erkämpfen. In den kommenden Jahren gehört sie natürlich zu den Hoffnungsträgerinnen im Kugelstoßen der Frauen. Es ist die Athletin, der ich zutraue, relativ schnell den Sprung in die europäische Spitze zu schaffen.

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