| Interview der Woche

Clemens Prokop: „Erfolgreiches Jahr für die deutsche Leichtathletik“

Überraschende Erfolge auf internationalem Parkett, mitreißende Deutsche Meisterschaften mit hohem Innovationscharakter aber auch erschreckende Nachrichten aus der internationalen Leichtathletik: Die olympische Kernsportart Nummer eins steht nach dem Jahr 2015 an einem Scheideweg. Der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) Dr. Clemens Prokop blickt zurück auf die Meilensteine der vergangenen Monate und wagt einen hoffnungsvollen Ausblick auf das Olympia-Jahr 2016 sowie angestoßene Reform-Prozesse in der Welt der Leichtathletik.
Silke Morrissey

Clemens Prokop, das Jahr 2015 neigt sich dem Ende entgegen. Würden Sie sagen, es war ein gutes für die deutsche Leichtathletik?

Clemens Prokop:

Ja, ich würde schon sagen, dass es ein erfolgreiches war. Wir hatten sehr gute Ergebnisse beim internationalen Höhepunkt, den Weltmeisterschaften in Peking. Wir haben ausgesprochen erfolgreiche Deutsche Meisterschaften in Nürnberg veranstaltet. Und zum Schluss waren die Leichtathleten auch bei der Wahl der „Sportler des Jahres“ stark vertreten. So kann man sagen, dass es ein gutes Jahr für die deutsche Leichtathletik war.

Welche Momente werden Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?

Clemens Prokop:

Wenn ich an sportliche Leistungen denke, dann waren es die Auftritt von Gesa Felicitas Krause und Cindy Roleder in Peking. Einfach, weil diese Erfolge so überraschend waren. Und weil sie uns Medaillen in Disziplinen beschert haben, in denen wir bisher nicht erfolgsverwöhnt waren. Das waren schon ganz besondere Momente.

Die Leichtathletik befindet sich in einem stetigen Wandel. Manchen geht’s dabei mit den Änderungen gar nicht schnell genug, andere wollen nichts überstürzen. Welche Prozesse wurden in Deutschland angestoßen, um die Leichtathletik zukunftsfähig zu machen?

Clemens Prokop:

Die Entwicklung der Leichtathletik in Deutschland ist ein sehr dynamischer Prozess. Dieser vollzieht sich nicht mit Paukenschlägen, sondern mit stetigen Schritten, die in die Zukunft weisen. Ich möchte eigentlich nur eines hervorheben: die Vorbereitungen auf die Europameisterschaften 2018 in Berlin. Wir arbeiten schon jetzt intensiv daran, für 2018 ein Fest der Leichtathletik zu organisieren mit vielen neuen Ideen und Innovationen. Und vor allem mit der Hoffnung, dass wir mit diesen Europameisterschaften eine Plattform schaffen, die die Leichtathletik noch stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt.

Auf internationalem Parkett kam der Impuls zu dringend notwendigen Reformen von außen – Stichwort Doping- und Korruptionsskandal. Was muss sich ändern, was wird sich ändern?

Clemens Prokop:

Die Fakten, die durch die Medien ans Licht gebracht wurden, sind erschreckend. Zurzeit findet ein Reinigungsprozess statt. Der erste Schritt ist zunächst, alles lückenlos aufzuklären. Und dann geht es darum, die Glaubwürdigkeit der Leichtathletik vor allem auf internationalem Parkett wieder herzustellen. Dazu müssen tatsächliche Veränderungen eingeleitet werden. Der vorübergehende Ausschluss des russischen Verbandes ist da natürlich ein Ausrufezeichen.

Aber ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn ich die Berichterstattung über die Geschehnisse verfolge, über Aussagen, die Lamine Diack [ehemaliger IAAF-Präsident] getätigt haben soll – dann bin ich selbst noch immer fassungslos über das Ausmaß dieses Sumpfes.

Wie können Sie sich als Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes in den Reinigungsprozess einbringen, auch ohne Sitz im Council des Weltverbands IAAF?

Clemens Prokop:

Es gilt, diesen Prozess auf der gesamten europäischen Ebene zu unterstützen. Wir erwägen hier durchaus, im Schulterschluss unser sportpolitisches Gewicht geltend zu machen. Natürlich verfolgen wir auch die Medienberichte und den Stand der Ermittlungen und warten momentan die Ergebnisse der staatlichen Untersuchungen ab. Entsprechend dieser Ergebnisse werden wir sportpolitische Forderungen erheben.

Eine Entwicklung auf nationaler Ebene, die Sie wohl durchaus auch als persönlichen Erfolg werten können, ist die Einführung des Anti-Doping-Gesetzes in Deutschland, für das Sie sich stark gemacht haben. Kann dieses auch eine Signalwirkung auf internationaler Ebene haben?

Clemens Prokop:

Ich denke, dass die Einführung ein ganz klares Signal ist: In Deutschland bekämpfen der Sport und die Politik das Doping gemeinsam. Das Gesetz soll die Sportler schützen, die sauber an den Start gehen und sich regelkonform verhalten. Das ist wichtig für die Glaubwürdigkeit der deutschen Sportler und für die Glaubwürdigkeit des deutschen Sports. Ich denke, dass wir damit auch im internationalen Sport ein moralisches Gewicht haben und diese Fairness dementsprechend von anderen einfordern können.

Die deutschen Topathleten haben gerade in einem Trainingslager in Südafrika gemeinsam die Olympia-Saison 2016 eingeläutet. Auch Sie waren kurz vor Ort. Welche Stimmung haben Sie unter den deutschen Olympia-Hoffnungen wahrgenommen?

Clemens Prokop:

Die perspektivische Planung der Athleten ist ganz klar auf die Olympischen Spiele 2016 ausgerichtet. Bei dem einen oder anderen Athleten überwiegt natürlich zunächst die Hoffnung darauf, sich überhaupt zu qualifizieren. Aber grundsätzlich ist alles auf den Start in Rio ausgerichtet – das wird im kommenden Jahr der sportliche Akzent. Und es herrscht Optimismus, dass die deutschen Leichtathleten dort erfolgreich abschneiden.

Welche Erwartungen und Hoffnungen setzen Sie in das Olympia-Jahr?

Clemens Prokop:

Ich hoffe darauf, dass die Leichtathleten in der öffentlichen Wahrnehmung mehr in den Fokus rücken. Ich denke zurück an das Jahr 2012, in dem ebenfalls sowohl Europameisterschaften als auch Olympische Spiele stattgefunden haben, und erwarte daher ab dem Frühsommer eine breite mediale Begleitung der Leichtathletik. Die Hoffnung ist, dass wir uns sportlich auf einem Niveau ähnlich wie in 2012 bewegen – ohne dass ich hier Prognosen zu Medaillen abgeben möchte. Die Gesamtbewertung von 2012 war überaus positiv, das gleiche wünschen wir uns zum Abschluss von 2016.

2015 war auf vielen Ebenen ein Jahr der Umbrüche. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die Zukunft der deutschen Leichtathletik?

Clemens Prokop:

Ich denke, dass wir uns als Sportart in Deutschland auf hohem Niveau etablieren. Natürlich könnte vieles noch besser sein, besonders was die Würdigung der Leichtathleten in der breiten Öffentlichkeit betritt. Aber wir haben uns im Vergleich mit anderen Sommersportarten neben dem Fußball in eine der führenden Positionen gebracht. Und ich bin optimistisch, dass wir diese Führungsrolle behaupten können. Daher blicke ich mit großen Erwartungen und auch mit großer Vorfreude auf das neue Jahr.

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