| Interview

David Storl: "Technikumstellung ist ein Glücksspiel"

Olympiasieger Tomasz Majewski geschlagen, dritter Sieg in Folge bei der Team-EM, Meisterschaftsrekord und Saison-Bestleistung auf 21,20 Meter gesteigert: Kugelstoßer David Storl feierte vor einer Woche einen erfolgreichen Auftritt in Braunschweig, ehe er in Schönbeck 21,90 Meter nachlegte. Im Interview spricht er über Verantwortung für das Team, weniger Kilos und mehr Geschmeidigkeit beim Angleiten.
Anja Herrlitz

David Storl, wie ist das so bei einer Team-EM, nicht nur für sich, sondern für eine ganze Mannschaft zu stoßen?

David Storl:

Nervöser als sonst war ich nicht. Ich habe nur versucht, den ersten Versuch auf jeden Fall gültig zu machen. Die 20,26 Meter im ersten Versuch waren ein absoluter Sicherheitsstoß, um Punkte zu sichern. Danach hat der Wettkampf eigentlich erst richtig begonnen.

Was unterscheidet so einen Sicherheitsstoß von einem anderen?

David Storl:

Man gestaltet den Versuch einfach ein bisschen langsamer, und ich stelle das linke Bein so hin, dass ich richtig sicher stehe. Bei so einem Mannschafts-Wwettkampf steht man mehr unter Druck. Ich war froh, dass ich mich Stück für Stück gesteigert habe. Von 20,26 über 20,85 auf 21,20 Meter. Im letzten Versuch wollte ich dann noch einmal einen draufsetzen, und der war auch weiter, aber leider ungültig.

Sie steigern sich auch im Verlauf der Saison immer ein bisschen. Alle Wettkämpfe waren über 21 Meter, allerdings auch alle sehr nah beisammen im Bereich von 21,08 bis 21,20 Meter …

David Storl:

… und das nervt. Ich wollte eigentlich in Braunschweig schon weiter stoßen. 21,50 Meter hatte ich mir vorgenommen. Aber ich bin schwer in den Wettkampf gekommen, weil sich alles ein bisschen hingezogen hat und es kalt und windig war. Deswegen denke ich, sind 21,20 Meter schon okay. Das Einstoßen war gut, die Trainingswerte stimmen, es hat einfach der letzte Druck gefehlt.

Ihr Trainer Sven Lang spricht nicht nur von 21,50, sondern von 22,00 Metern. Ist das eher ein langfristiges Ziel?

David Storl:

Am Tag vor der Team-EM fing auch jemand an vom Weltrekord zu sprechen … (lacht). Jetzt muss ich in den nächsten Wettkämpfen erst einmal die 21,50 Meter stoßen. Dann müssen irgendwann die 22 Meter fallen. Aber das ist kein Schritt, den man einfach mal so macht. Da muss auch der Kopf bereit sein, deswegen ist das schon eher ein langfristiges Ziel.

Bietet die EM vielleicht den nötigen Ansporn, um so ein Ziel anzugehen?

David Storl:

Ich gehe davon aus, dass es sich bei der EM wieder zwischen Tomasz Majewski und mir entscheiden wird. Er wird dort ganz sicher über 21 Meter stoßen. Da wird schon Druck da sein, den man auch braucht. Anders als bei der Diamond League – wenn man ehrlich ist, interessiert die doch niemanden.

Was für eine Bedeutung hatte denn die Team-EM in Braunschweig für Sie?

David Storl:

Für mich war es bis jetzt der schönste Wettkampf in diesem Jahr. Schade finde ich nur, dass ich nur vier Versuche hatte. In Deutschland vor so einer Kulisse macht es super viel Spaß, wenn man sieht, wie das Publikum mitgeht. Da geht alles ein bisschen leichter.

Was ist der Unterschied zu einer internationalen Meisterschaft in einem anderen Land?

David Storl:

Hier schauen die Zuschauer natürlich viel mehr auf uns deutsche Athleten und unterstützen uns auch mehr. Wir Athleten habe es außerdem noch einfacher, die Leute zu animieren, uns zu unterstützen.

Sie gehören trotz Ihrer erst 23 Jahre ja schon zu den Stützen der Mannschaft. Spüren Sie Verantwortung gegenüber den noch jüngeren Athleten in der Mannschaft?

David Storl:

Ich denke Verantwortung fühlt jeder Athlet im Team. Keiner wollte in Braunschweig mit null Punkten rausgehen und hat sein Bestes gegeben. Aber Jüngere an die Hand zu nehmen, das ist – glaube ich – noch nicht meine Aufgabe.

Wie sehen Sie denn dieses EM-Jahr generell? Viele Athleten schalten in so einem Jahr einen Gang zurück und gönnen sich und ihrem Körper etwas mehr Pause. Sie auch?

David Storl:

Ich habe dieses Jahr nichts anders gemacht. Ich denke ich bin mit 23 Jahren auch noch nicht in einem Alter, in dem ich nach zwei Jahren mit Olympia und WM unbedingt eine Pause brauche. Die normale Pause im Herbst hat mir gereicht, um wieder die nötige Frische zu bekommen. Man darf so ein EM-Jahr aber auch nicht unterschätzen, sonst fällt die Leistung ganz schnell ab.

In Ihren ersten Jahren in der Erwachsenen-Klasse ging es bei Ihnen oft darum, Gewicht und Kraft zuzulegen. Zuletzt haben Sie wieder etwas an Gewicht abtrainiert und mehr auf Schnelligkeit gesetzt …

David Storl:

… in den letzten zwei Jahren hatte ich eine Kraft-Phase, und diese Kraft habe ich auch jetzt nicht verloren. Ich konnte meine Bestleistungen in den Kraftbereichen trotzdem halten und vielleicht sogar ein bisschen ausbauen, auch wenn ich an Gewicht verloren habe. Aber mir fällt das normale Training und speziell das Sprinten natürlich leichter, wenn ich ein paar Kilo weniger drauf habe. Außerdem bin ich nicht mehr so schnell müde, alles ist wieder ein bisschen lockerer und spritziger.

Das heißt das Thema „mehr Gewicht“ ist als nicht zielführend abgehakt?

David Storl:

So würde ich das nicht unbedingt sagen. Die beiden letzten Jahre waren mit Olympia-Silber und WM-Gold ja nicht schlecht. Ich denke einfach es ist an der Zeit, träge Masse abzubauen.

Sie haben nicht nur an Ihrem Körpergewicht, sondern auch an der Technik gefeilt …

David Storl:

… ja, die haben wir ein bisschen geändert. Ich versuche jetzt, ein bisschen flüssiger zu starten. Noch ist es ein kleines Glücksspiel – mal funktioniert es, mal nicht. Aber ich denke die Sicherheit kommt mit den Wettkämpfen.

Einen Tag vor der Team-EM haben Sie auf Facebook ein Video von Ihrem letzten Training gepostet. Da war die Anlage etwas zu kurz, oder? Sie haben mit der Kugel in Sandsäcke gestoßen, die ganz am Ende aufgestellt waren …

David Storl:

… die Anlage war ungefähr 20,80 Meter lang. Und es war schon eine Motivation, auf den Fußweg zu stoßen, der dahinter lag. (lacht)

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