
Lisa Ryzih feiert bei der EM in Amsterdam ihre zweite internationale Medaille.
Der große Disziplin-Check 2016 – Stabhochsprung Frauen
Das Leichtathletik-Jahr 2016 mit dem Höhepunkt der Olympischen Spiele in Rio ist fast Geschichte. Athleten, Trainer und Fans haben Monate mit großen Erfolgen, aber auch Enttäuschungen hinter sich. Neben dem bunten Sportereignis in Brasilien fanden auch die Europameisterschaften in Amsterdam, die U20-WM in Bydgoszcz sowie die U18-EM in Tiflis mit starker DLV-Beteiligung statt. In unseren rückblickenden Disziplin-Analysen nehmen wir das Abschneiden der verschiedenen Disziplingruppen unter die Lupe. Heute: der Stabhochsprung der Frauen.
Der Moment des Jahres 2016
Ein strahlendes Lächeln über ihre zweite internationale Medaille zierte das Gesicht von Lisa Ryzih bei der Siegerehrung der Europameisterschaften in Amsterdam (Niederlande). Silber im EM-Finale, ein Traum wurde wahr. Bei Regen und Wind übersprang die 28-Jährige im zweiten Anlauf 4,70 Meter. Endlich wieder eine stattliche Höhe, als es darauf ankam, auch bei schwierigen Bedingungen. Das zeichnet eine echte Wettkämpferin aus. Darüber hinaus steigerte die EM-Dritte von 2010 ihre Bestleistung in diesem Jahr auf 4,73 Meter.
Erste internationale Erfahrung in der Frauenklasse durfte Annika Roloff sammeln, sowohl in Amsterdam als auch bei den Olympischen Spielen in Rio (Brasilien). Die Deutsche Meisterin Martina Strutz erreichte zweimal das Finale und reihte sich zweimal auf einem Platz in den Top Ten ein. Silke Spiegelburg hatte sich mit dem Titelgewinn bei der Hallen-DM zurückgemeldet, im Freien im Wettstreit um die Olympia-Startplätze aber das Nachsehen.
Bewundernswert ist der unerschütterliche Glaube von Desiree Singh (LG Lippe Süd) an ihr Talent und Können. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes ist die U18-Weltmeisterin von 2011 wieder im Training und verfolgt mit ihren immer noch erst 22 Jahren weiter ehrgeizige leistungssportliche Ziele: "Ich bin motiviert, das Training klappt super, ich freue mich über meinen täglichen Muskelkater und habe richtig Bock das Ding zu rocken!" Erstes Ziel für die kommende Hallensaison sind vier Meter.
Die Top Drei
Lisa Ryzih
ABC Ludwigshafen, 28 Jahre
SB/PB: 4,73 m (2016)
DM: 2. Platz
EM: 2. Platz | OS: 10. Platz
Hallen-WM: –
DLV-Jahresbestenliste: 1.
Europäische Bestenliste: 4.
Welt-Jahresbestenlisten: 10.
Martina Strutz
Schweriner SC, 35 Jahre
SB: 4,70 m | PB: 4,80 m (2011)
DM: 1. Platz
EM: 10. Platz | OS: 9. Platz
Hallen-WM: –
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 5.
Welt-Jahresbestenlisten: 11.
Annika Roloff
MTV 49 Holzminden, 25 Jahre
SB/PB: 4,60 m
DM: 3. Platz
EM: 11. Platz | OS: 21. Platz
Hallen-WM: –
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 11.
Welt-Jahresbestenlisten: 25.
Internationale Top Acht-Platzierungen 2016
Olympische Spiele: keine
EM: 2. Platz Lisa Ryzih (4,70 m)
Hallen-WM: keine
U20-WM: keine
U18-EM: 7. Platz Dovile-Michelle Scheutzow (3,70 m)
Die Hoffnungsträgerinnen
Dovile-Michelle und Lauré Scheutzow
Schweriner SC, 16 Jahre
SB/PB: 3,85 m (2016)
Sie sind Zwillinge und nächstes Jahr noch in der U18 startberechtigt. Dovile-Michelle und Lauré Scheutzow sehen sich nicht nur zum Verwechseln ähnlich, sie springen auch gleich hoch. Beim nachgeholten Stabhochsprung-Wettbewerb der Jugend-DM (U18) im Rahmen der U16-DM in Bremen überflogen beide 3,85 Meter und teilten sich mit der exakten Abfolge von Fehlversuchen den Meistertitel. Dovile-Michelle Scheutzow belegte als eine der Jüngsten außerdem Platz sieben im U18-EM-Finale.
Auch die U20-WM-Teilnehmerinnen Louisa Schaar (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Tamara Schaßberger (VfL Sindelfingen) sowie die Deutsche U20-Vizemeisterin Stina Seidler (SV Werder Bremen) sind mit Sprüngen über die vier Meter gut durchs Jahr gekommen.
Der Pechvogel
Katharina Bauer
TSV Bayer 04 Leverkusen, 26 Jahre
SB: 4,40 m | PB: 4,65 m (2015)
Olympia-Traum durch einen Unfall geplatzt: Im Juni war Katharina Bauer schwer auf ihr linkes Handgelenk gestürzt und musste operiert werden. Ihr Stab rutschte aus dem Einstichkasten im Stadion von Montreuil (Frankreich), das war dort auch schon Lisa Ryzih passiert. Die Leverkusenerin darf ihre Hand noch nicht wieder voll belasten, daher tastet sie sich einstweilen einarmig an ihre Lieblingsdisziplin heran. Im Sommer soll es wieder mit Wettkämpfen klappen.
Fazit des Bundestrainers
Andrei Tivontchik, wie fällt Ihre Bilanz für das Olympia-Jahr 2016 aus?
Andrei Tivontchik:
Im deutschen Frauen-Stabhochsprung gab es dieses Jahr Höhen und Tiefen. Katharina Bauer hatte einen schwerwiegenden Wettkampf-Unfall mit anschließender OP. Für Silke Spiegelburg lief es leider auch nicht optimal. Sie musste nach den Deutschen Meisterschaften die Saison beenden. Lisa Ryzih hat sich in der Wintersaison verletzt und musste operiert werden. Trotz nicht optimaler Vorbereitung auf die Sommersaison gelang es ihr, bei den Europameisterschaften die Silbermedaille zu gewinnen. Für Martina Strutz war es eine gute Saison. Sie ist mit übersprungenen 4,70 Metern Deutsche Meisterin geworden. Bei den Olympischen Spielen war sie mit Platz neun die erfolgreichste deutsche Stabhochspringerin.
Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?
Andrei Tivontchik:
Persönliches Highlight war natürlich die Silbermedaille von Lisa Ryzih bei den Europameisterschaften. Es herrschten sehr schwierige Bedingungen im Finale, trotzdem hat sie bei schwierigen Windverhältnissen mit 4,70 Metern die Silbermedaille gewonnen. Ein weiteres Highlight waren selbstverständlich die Olympischen Spiele.
Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison?
Andrei Tivontchik:
Wir befinden uns bereits mitten in der Vorbereitung für das nächste Jahr. Der Fokus liegt natürlich auf den Weltmeisterschaften in London. Ich hoffe, dass alle Athletinnen gesund bleiben und wir bei der WM gut abschneiden werden. Ich wünsche mir, dass wir drei deutsche Stabhochspringerinnen im Finale sehen werden.
Bei den U23-Europameisterschaften ist es das Ziel, vordere Platzierungen im Finale zu erreichen. Friedelinde Petershofen hat sich über die vergangenen zwei Jahre sehr gut entwickelt. Bei einem optimalen Saisonverlauf ist sie unsere Hoffnungsträgerin bei den U23-Europameisterschaften.
Statistik – Das sagen die Zahlen
Die zehn Jahresbesten
4,73 m – Lisa Ryzih (ABC Ludwigshafen)
4,70 m – Martina Strutz (Schweriner SC)
4,60 m – Annika Roloff (MTV 49 Holzminden)
4,55 m – Anjuli Knäsche (SG TSV Kronshagen/Kieler TB)
4,50 m – Silke Spiegelburg (TSV Bayer Leverkusen)
4,40 m – Regine Kramer (TSV Bayer Leverkusen)
4,40 m – Carolin Hingst (TG Nieder-Ingelheim)
4,40 m – Katharina Bauer (TSV Bayer Leverkusen)
4,30 m – Lilli Schnitzerling (TSV Bayer Leverkusen)
4,30 m – Friedelinde Petershofen (SC Potsdam)
Entwicklung des deutschen Spitzenniveaus
Jahr | Athleten > 4,55 m | Schnitt Top Ten |
---|---|---|
2005 | keine | 4,33 m |
2006 | Anastasija Ryzih (4,63 m), Yvonne Buschbaum (4,62 m), Silke Spiegelburg (4,56 m) | 4,48 m |
2007 | Carolin Hingst (4,65 m), Silke Spiegelburg (4,60 m), Julia Hütter (4,57 m), Anna Battke (4,56 m) | 4,49 m |
2008 | Silke Spiegelburg (4,70 m), Carolin Hingst (4,65 m) | 4,48 m |
2009 | Silke Spiegelburg (4,70 m), Carolin Hingst (4,65 m) | 4,46 m |
2010 | Carolin Hingst (4,72 m), Silke Spiegelburg (4,71 m), Lisa Ryzih (4,65 m), Anna Battke (4,60 m), Kristina Gadschiew (4,60 m) | 4,51 m |
2011 | Martina Strutz (4,80 m), Silke Spiegelburg (4,75 m), Carolin Hingst (4,65 m), Kristina Gadschiew (4,60 m) | 4,51 m |
2012 | Silke Spiegelburg (4,82 m), Lisa Ryzih (4,65 m), Martina Strutz (4,60 m), Kristina Gadschiew (4,60 m) | 4,49 m |
2013 | Silke Spiegelburg (4,79 m), Carolin Hingst (4,71 m), Martina Strutz (4,65 m), Kristina Gadschiew (4,61 m), Lisa Ryzih (4,55 m) | 4,55 m |
2014 | Liza Ryzih (4,71 m), Katharina Bauer (4,55 m) | 4,47 m |
2015 | Silke Spiegelburg (4,75 m), Lisa Ryzih (4,70 m), Martina Strutz (4,65 m), Katharina Bauer (4,65 m) | 4,51 m |
2016 | Lisa Ryzih (4,73 m), Martina Strutz (4,70 m), Annika Roloff (4,60 m), Anjuli Knäsche (4,55 m) | 4,49 m |
Das fällt auf
- Seit 2006 bewegt sich der Top Ten Schnitt rund um 4,50 Meter.
- Mit Annika Roloff und Anjuli Knäsche konnten zwei Athletinnen in diesem Jahr erstmals Höhen von 4,50 Meter und darüber hinaus meistern.
Entwicklung Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
---|---|---|---|---|---|
2005 | 4,50 (C. Hingst) | 5,01 (Isinbayeva/RUS) | 0.51 | 5,01 (Isinbayeva/RUS) | 0,51 |
2006 | 4,63 (A. Ryzih) | 4,91 (Isinbayeva/RUS) | 0,28 | 4,91 (Isinbayeva/RUS) | 0,28 |
2007 | 4,65 (C. Hingst) | 4,91 (Isinbayeva/RUS) | 0,26 | 4,91 (Isinbayeva/RUS) | 0,26 |
2008 | 4,70 (S. Spiegelburg) | 5,05 (Isinbayeva/RUS) | 0,35 | 5,05 (Isinbayeva/RUS) | 0,35 |
2009 | 4,70 (S. Spiegelburg) | 5,06 (Isinbayeva/RUS) | 0,36 | 5,06 (Isinbayeva/RUS) | 0,36 |
2010 | 4,72 (C. Hingst) | 4,75 (Feofanova/RUS) | 0,03 | 4,89 (Suhr/USA) | 0,17 |
2011 | 4,80 (M. Strutz) | 4,80 (M. Strutz) | 0,00 | 4,91 (Suhr/USA) | 0,11 |
2012 | 4,82 (S. Spiegelburg) | 4,82 (S. Spiegelburg) | 0,00 | 4,83 (Suhr/USA) | 0,01 |
2013 | 4,79 (S. Spiegelburg) | 4,89 (Isinbayeva/RUS) | 0,10 | 4,90 (Silva/CUB) | 0,11 |
2014 | 4,71 (L. Ryzih) | 4,71 (Ryzih/GER, Stefanídi/GRE) | 0,00 | 4,80 (Murer/BRA) | 0,09 |
2015 | 4,75 (S. Spiegelburg) | 4,83 (Kiriakopoúlou/GRE) | 0,08 | 4,91 (Silva/BRA) | 0,16 |
2016 | 4,73 (L. Ryzih) | 4,86 (Stefanídi/GRE) | 0,13 | 5,00 (Morris/USA) | 0,27 |
Das fällt auf
- Seit der Ära von Yelena Isinbayeva ist der Abstand zur europäischen Spitze zwar größer geworden, Lisa Ryzih konnte aber dennoch Silber bei der EM in Amsterdam gewinnen.
- Zum dritten Mal in Folge sind die Griechinnen an der Spitze Europas zu finden.
- Die Olympia-Zweite Sandi Morris überflog als zweite Athletin überhaupt im Freien die fünf Meter.
Video-Clips
Freiluft:
Herzogenaurach: Regine Kramer sorgt für ersten Sieg der Meeting-Premiere
U23-DM: Friedelinde Petershofen strahlt über ersten Meistertitel
Junioren-Gala: Angelica Moser überfliegt die gesamte Konkurrenz
Jugend-DM: Tamara Schaßberger nach Regenschlacht hoch hinaus
U16-DM: Lukka Franke überrascht mit Bestleistung und Gold
Halle:
Hallen-DM: Silke Spiegelburg meldet sich zurück nach Verletzung
Jugend-Hallen-DM: Luisa Schaar verteidigt ihren Titel
Die weiteren Disziplin-Checks 2016 im Überblick:
Männer – Sprint
Frauen – Sprint
Männer – Langsprint
Frauen – Langsprint
Männer – Mittelstrecke
Frauen – Mittelstrecke
Männer – Langstrecke
Frauen – Langstrecke
Männer – Hürdensprint
Frauen – Hürdensprint
Männer – 400 Meter Hürden
Frauen – 400 Meter Hürden
Männer – 3.000 Meter Hindernis
Frauen – 3.000 Meter Hindernis
Männer/Frauen – Gehen
Männer – Hochsprung
Frauen – Hochsprung
Männer – Stabhochsprung