| DM 2014

Deutsche Hürdensprinterinnen stark wie nie

Es war das schnellste Hürdenfinale in der Geschichte der Deutschen Meisterschaften: Gleich vier Athletinnen blieben unter 13 Sekunden, angeführt von Nadine Hildebrand, die mit 12,71 Sekunden den DM-Rekord einstellte. In dieser Verfassung rennt die 26-Jährige auch bei den Europameisterschaften in Zürich um die Medaillen.
Philip Häfner

Pamela Dutkiewicz konnte einem leidtun. Die Hürdensprinterin vom TV Wattenscheid 01 stand in der Mixed-Zone und weinte. Sie war im Donaustadion persönliche Bestleistung gelaufen, hatte in 12,95 Sekunden gar die Norm für die Europameisterschaften in Zürich (Schiwez; 12. bis 17. August) um fünf Hundertstel unterboten – und ging an diesem Tag dennoch leer aus.

Drei Hürdenläuferinnen waren noch schneller als sie, allen voran Nadine Hildebrand. In 12,71 Sekunden erzielte die 26-Jährige vom VfL Sindelfingen sogar einen neuen Meisterschaftsrekord; bei gerade noch gültigem Rückenwind von 2,0 Metern pro Sekunde war sie damit exakt so schnell wie vor vier Jahren in Braunschweig Carolin Dietrich (MTG Mannheim), die damals noch unter ihrem Mädchennamen Nytra und für das Bremer Leichtathletik-Team startete.

Hildebrand sensationell

Erst vor einer Woche hatte sich die langzeitverletzte Dietrich zuletzt zu Wort gemeldet und ihren Verzicht auf die Deutschen Meisterschaften verkündet. Es ist ohnehin fraglich, ob sie eine Nadine Hildebrand in der derzeitigen Verfassung hätte gefährden können. Schon im Vorlauf war die Sindelfingerin in 12,76 Sekunden bei ebenfalls noch zulässigem Rückenwind (+1,9) so schnell gelaufen wie nie zuvor. Persönliche Bestzeit im Vorlauf, obwohl sie schon einige Meter vor dem Ziel austrudeln ließ – da schlug Hildebrand die Hände vors Gesicht und starrte fast schon entsetzt hinüber zur Anzeigetafel.

„So eine Zeit schon im Vorlauf hatte ich nicht erwartet“, sagte sie. Der Lauf sei sauber gewesen, aber noch längst nicht ausgereizt. Das Finale war dann am Limit. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie einfach es eigentlich ist, so schnell zu laufen“, so Hildebrand. „Früher dachte ich immer, man muss einen total abgefahrenen, krassen Trick anwenden, um unter 13 Sekunden zu laufen.“

Finale ist Pflicht

Das ursprünglich formulierte Ziel von Nadine Hildebrand und ihrem Trainer Werner Späth, in dieser Saison eine Zeit von 12,80 Sekunden zu laufen, ist längst hinfällig. Zur EM reist die deutsche Meisterin als drittbeste Europäerin, hinter der Französin Cindy Billaud (12,56 sec) und Tiffany Porter aus Großbritannien (12,65 sec).

Eine Medaille ist in Reichweite, es wäre die erste für eine DLV-Hürdensprinterin bei einem internationalen Großereignis seit drei Jahren, als Carolin Dietrich in Paris Halleneuropameisterin wurde. Noch aber stapelt Nadine Hildebrand tief: „Ich möchte mir keinen Druck machen. Das Finale ist Pflicht, aber dann ist zwischen Platz drei und Platz acht alles drin.“

Drei unter den Top Acht

Die Vorläufe und das Halbfinale über 100 Meter Hürden finden bei den diesjährigen Europameisterschaften gleich am ersten Wettkampftag statt, das Finale folgt dann einen Tag später. Gut möglich, dass dann gleich drei deutsche Sportlerinnen in den Startblöcken stehen – übrigens zum ersten Mal seit 1990, als es in Split sogar vier deutsche Finalistinnen gab, drei aus der DDR und eine aus der Bundesrepublik.

Denn mit Cindy Roleder (LAZ Leipzig) auf Platz vier und der jungen Franziska Hofmann (LAC Erdgas Chemnitz) auf Rang sieben stehen zwei weitere DLV-Hürdenläuferinnen unter den besten Acht Europas. Beide liefen in Ulm neue persönliche Bestzeit – Hofmann 12,87 Sekunden, Roleder 12,80 Sekunden.

Hobby-Hürdenläuferin

Genau wie Nadine Hildebrand hatte auch die Leipzigerin schon im Vorlauf vorgelegt, als sie 12,84 Sekunden lief, die sie mit einem verdutzten „Häh?!“ kommentierte. „In Zürich ist mit diesen Zeiten auf jeden Fall der Endlauf drin“, sagte die 24-Jährige, die 2012 in Helsinki (Finnland) als Siebte schon einmal in einem EM-Finale gestanden hatte. Bei der Hallen-WM im Frühjahr mischte sie als Sechstplatzierte ebenfalls vorn mit. Ein starkes Ergebnis für eine, die sich seit Herbst vergangenen Jahres als Mehrkämpferin bezeichnet und den Hürdensprint nur noch nebenbei betreibt.

Auch in den Wochen vor den Deutschen Meisterschaften lief sie nur zweimal in der Woche über die Hürden, die restliche Zeit trainierte sie Hochsprung, Weitsprung und Kugelstoßen. „Das ist mein Weg, und den werde ich auch weiter gehen“, sagte sie und erstickte jede Diskussion im Keim, ob sie nicht doch wieder voll auf die Hürden setzen sollte. „Der Wechsel zum Mehrkampf war definitiv die richtige Entscheidung“, so Roleder. Sie sei jetzt fitter als je zuvor.

Hofmann überrascht

Das kann man wohl auch über Franziska Hofmann sagen, die Drittplatzierte von Ulm. Die 20-Jährige krönte ein hervorragendes erstes Jahr bei den Erwachsenen mit der Bronzemedaille und darf jetzt als Zugabe sogar mit zur EM. „Vielleicht kann ich dort die Konkurrenz nutzen, um noch einmal so ein Ding rausknallen“, sagte sie.

Auf die Hallensaison hatte die Chemnitzerin extra verzichtet, um sich gezielt auf den Sommer vorzubereiten und vor allem an der Grundschnelligkeit zu arbeiten – ähnlich wie übrigens Nadine Hildebrand, bei der während der Vorbereitung ebenfalls Sprints und Tempoläufe im Vordergrund standen. Das ist er also: Der total abgefahrene, krasse Trick, um schnell zu laufen.

<link>Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift

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