| Trainingslager I

Deutsche Läufer wirbeln in Kenia heftig Staub auf

Naht der Frühling, machen sich alle Kaderathleten auf, schon sommerlichere Trainingsbedingungen aufzusuchen. In alle Winde verstreut schlagen sie auf verschiedenen Kontinenten ihre Trainingszelte auf. Wir haben ihre Camps aufgespürt und bringen in einer Trainingslager-Serie das Flair aus der Ferne auf leichtathletik.de. Den Anfang machen die Läufer in Kenia.
Pamela Ruprecht

Die Legende besagt, dass am Ende des ostafrikanischen Grabens die ersten Menschen existierten. „Die Wiege des Lebens“, ein sagenumwobener Ort, an dem sich das Kerio View Hotel, die Residenz der deutschen Läufer, befindet, die dort Kraft für den Wettkampf-Sommer tanken wollen. Einen Tag nach der Hallen-EM im tschechischen Prag ging der Flieger der Kadergruppe unter Leitung von Wolfgang Heinig nach Iten.

„Wenn dort die Sonne aufgeht, wird gelaufen“, so die Selbstverständlichkeit für Jens Boyde, seit anderthalb Jahren Bundestrainer der Mittel- und Langstrecke Männer. Er ist, anders als ein Großteil der Gruppe, zum ersten Mal in Kenia. Verschiedene Camps kennenlernen, um später selbst gute Konzepte schmieden zu können. „Die Abstimmung läuft prima“, erzählt Boyde über die Zusammenarbeit mit dem Leitenden Bundestrainer. Heinig kennt sich aus, war schon oft im Läufer-Mekka Afrikas.

Iten andere Hausnummer als Flagstaff

Rund 100 Läufer aus verschiedensten Nationen starten morgens um sechs Uhr auf den Bahnen, Straßen und im Gelände. In keinem anderen Land der Welt sieht man so etwas. Mittendrin: die Frankfurter Trainingsgruppe von Wolfgang Heinig mit dem Deutschen Hallen-Rekordhalter über 1.500 Meter Homiyu Tesfaye, der Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause, den Zwillingen Diana und Elina Sujew sowie Nico Sonnenberg. Auch der Hallen-EM Fünfte über 800 Meter Robin Schembera (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Andreas Lange (LG Braunschweig) sind unterwegs.

Kenia ist noch einmal eine andere Hausnummer als die Höhenlager in Flagstaff (USA; 2.100 m) oder St. Moritz (Schweiz, 1.800 m). 2.402 Meter zeigt der Höhenmesser von Jens Boyde an der höchsten Stelle an. „Die 300 Meter mehr machen nochmal einen Unterschied.“ Der Trainingseffekt ist größer, die Komponente Witterung, in Flagstaff kann Schnee liegen, fällt weg. Die Zeitverschiebung zur mitteleuropäischen Sommerzeit beträgt nur eine Stunde.

Naturwege voller rotem Sand

Gelaufen wird auf Naturwegen aus rotem Sand. „Vom Untergrund her ein Läuferparadies“, sagt Boyde. „Nur mit dem Staub muss man klar kommen.“ Dieser klebt nach dem Training an Beinen und Kleidung. Die bergige Landschaft passt in die Kraft-Ausdauer-Phase. Verschiedene Runden von 10, 12 oder 15 Kilometern und mit verschiedenen Profilen stehen zur Verfügung. Die Ausdauer muss für die ganze Saison reichen, über mehrere Qualifikationsrunden bis hin zur WM in Peking (China) Ende August.

Nach der ersten Laufeinheit und dem Frühstück wird der Tag besprochen, der an Belastungstagen eine Zwei-Stunden-Einheit am Vormittag vorsieht. Und nach Mittagsruhe und Massage eine zwei- bis dreistündige Nachmittags-Session. Danach Abendessen, physiotherapeutische Behandlung, bei der die Athleten für den nächsten Morgen fit gemacht werden, Rückblick und Nachtruhe. „Also nicht so spannend“ - denkt der Trainer…

Gesa Krause alter Kenia-Hase

Für Gesa Felicitas Krause ist es in ihrer Karriere bereits der siebte Aufenthalt in Iten. „So langsam finde ich immer mehr Gefallen am Training hier“, beschreibt die Hindernisspezialistin. Allein seit Dezember war die Hallen-EM-Fünfte über 1.500 Meter dreimal im Kerio View Hotel und hat in ihren Augen große Fortschritte gemacht. „Jedes Training ist eine Herausforderung. Man lernt vor allem den mentalen und körperlichen Herausforderungen standzuhalten.“

In den Jahren 2010 und 2011 waren die drei Wochen im kenianischen Hochland für Krause noch Neuland. „Mittlerweile weiß ich aber, dass das harte Training hier gute Wettkampfresultate mit sich bringt.“ Inspirierend ist es zu sehen, wie hart und mit welcher Aufopferung die Weltspitze dort trainiert. „Da möchte man einfach mitziehen“, sagt sie zu ihrer Motivation. Klima, jeden Tag Sonnenschein und 28 Grad, und Natur bieten beste Bedingungen. Die Wärme ist Balsam für Muskulatur und Schnelligkeit der Mittelstreckler.

Spaß an der Qual

Auch Diana Sujew kann nach ihrer Verletzung wieder ein hohes Trainingspensum absolvieren. Täglich legen die Langstreckler fast eine Marathonstrecke zurück, 30 bis 40 Kilometer, für die Mittelstreckler stehen 20 bis 30 Kilometer auf dem Programm. Der starke Wind und die Berge machen jeden Dauerlauf noch härter. Dazu kommen Krafttraining und Gymnastik. Entspannt wird im Kältebad. Aber, was nicht vergessen werden sollte: „Es macht auch Spaß!“, hat die Schinderei für Sujew zwei Seiten.

Viel Zeit für Freizeit bleibt nicht. Ein lockerer Spaziergang. Zur Abwechslung ein Ausflug nach Eldoret. Oder schauen, was in der Heimat los ist. Trotz der weiten Entfernung hat die Gruppe verfolgt, was in Frankfurt passierte. Die Wahl der olympischen Bewerberstadt Hamburg ist ihnen nicht entgangen. „Langeweile ist bis jetzt noch nicht aufgekommen“, sagt Boyde.

Training am Limit

Bis zur Halbzeit ist das Training ausgezeichnet verlaufen, so seine Zwischenbilanz. Keine Verletzungen, nur kleine Wehwehchen, eine Blase am Fuß oder ein Ziehen in der Wade, nichts, was der Physio bis zum nächsten Tag nicht wieder hinbiegt. Richtige Belastungsprobleme sind erst zum Ende der Trainingsmaßnahme zu erwarten.

„Leistungssport ist immer eine Gratwanderung.“ Die Kunst ist, nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel zu machen. „Wir bewegen uns auf jeden Fall am Limit“, dies ist notwendig, um international erfolgreich zu sein, weiß der Bundestrainer. In Kenia lassen sich bei schönem Ausblick auf die Landschaft sicher noch ein paar Körner mehr rauskitzeln.

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