| Anti-Doping

Dr. Clemens Prokop: WADA-Rückzieher bei Meldonium ein Skandal

Die WADA hat den Meldonium-Sündern ein Hintertürchen geöffnet - sehr zum Unverständnis von Anti-Doping-Kämpfern. Auch rechtlich bewegt sich die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA auf dünnem Eis.
dpa/pr

Als „Skandal“ bezeichnet der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) Dr. Clemens Prokop das Vorgehen der Welt-Anti-Doping-Agentur bezüglich der verbotenen Substanz Meldonium. „Entweder ist es ein Skandal, Athleten des Dopings ohne wissenschaftliche Beweise zu bezichtigen oder es ist ein Skandal bei wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen einen Rückzieher hinsichtlich der Sperre zu machen“, sagte der Jurist am Donnerstag. „Das ist ein schwerer Schlag gegen die Glaubwürdigkeit im Anti-Doping-Kampf.“ Sportrechtler Michael Lehner kritisierte das zum 1. Januar ausgesprochene Einnahme-Verbot des Mittels als „Schnellschuss“.

Nach den zahlreichen Dopingfällen mit Meldonium - darunter Tennisstar Maria Sharapova - hatte die WADA ihre Regularien gelockert und akzeptiert nun in Proben vor dem 1. März 2016 eine Konzentration von bis zu einem Mikrogramm pro Milliliter. Lag die Konzentration von Meldonium bei Sportlern in diesem Zeitraum unter dem Wert, können Suspendierungen aufgehoben werden.

Juristische Überprüfung

Die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) reagierte darauf mit Verständnis. „Nach mehr als 150 Meldonium-Fällen weltweit ist eine sachliche und juristische Prüfung nachvollziehbar. Womöglich waren die Studien, die zur Verfügung standen, nicht valide genug“, sagte Lars Mortsiefer als Vorstandsmitglied und Chefjustiziar. „Gegebenenfalls standen der WADA nicht bis ins Detail alle Informationen des Herstellers zur Verfügung. Richtig und wichtig ist es nun, dass die Fälle sauber aufgearbeitet werden.“

Lehner dagegen bemängelte: „Man hätte eine Übergangsfrist setzen müssen. Jetzt muss man zurückrudern.“ Meldonium steht erst seit dem 1. Januar auf der Liste der verbotenen Substanzen. Die WADA, so der Anwalt aus Heidelberg, hätte erst mal ihre Hausaufgaben machen müssen. Nachträgliche Änderungen seien „rechtlich so was von Panne“.

Sowohl Prokop als auch Lehner wollten den Stand der wissenschaftlichen Forschung nicht beurteilen. „Aber wenn es in der Tat so ist, dass man Meldonium langfristig nachweisen kann, dann haben wir ein juristisches Problem“, sagte Prokop, der als Präsident des DLV noch keinen Meldonium-Fall in seiner Sportart hatte. Er ergänzte: „Die WADA agiert hier jedenfalls ausgesprochen unglücklich.“

Unverständnis bei Anti-Doping-Experten

Anti-Doping-Experten wie Fritz Sörgel hatten auf die Entscheidung mit Unverständnis reagiert. „Diese Konzentration ist völlig willkürlich und eine späte Erkenntnis, dass man hier wieder mal gezeigt hat, dass man von Pharmakologie wenig versteht. Es gab schon seit einiger Zeit wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass die Substanz nicht lange im Körper bleibt“, sagte Sörgel. Demnach könne die Substanz je nach eingenommener Menge höchstens drei bis vier Tage nachgewiesen werden.

Wegen der Abbauzeit ist die WADA aber unsicher, ihr Chef Craig Reedie betonte, dass es „keine Amnestie“ für Sportler oder Ähnliches gebe. Es sei vielmehr der Versuch, die vielen Fragen zu klären. Für Lehner verlässt die WADA damit den festen rechtlichen Rahmen. Das Vorgehen sei „ein Eldorado für Anwälte“. Sörgel, davon gehe er aus, werde im Grunde recht haben, aber für Nachweise, wie lange das Meldonium im Körper zu finden sei, bräuchte es wissenschaftliche Gutachten.

Die Meldonium-Debatte wird auch zum Politikum, weil Russland wegen der Enthüllungen zu Dopingpraktiken am Pranger steht. Bei Scharapova und Co. kommt es nun darauf an, wie hoch ihre Konzentration bei der positiven Probe war. Die Chancen stehen gut, dass die frühere Weltranglisten-Erste schon bald auf den Tennis-Court zurückkehrt.

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

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