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Gina Lückenkemper - Das Gesicht der jungen Sprint-Generation

In einer Serie stellt leichtathletik.de wieder die Athleten vor, die bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel erstmals national ganz oben standen. Heute: Sprinterin Gina Lückenkemper (LG Olympia Dortmund).
Jan-Henner Reitze

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail gina-lueckenkemper>Gina Lückenkemper
LG Olympia Dortmund

*21. November 1996
Größe: 1,68 Meter
Gewicht: 55 Kilo

100/200 Meter

Bestleistung 100 Meter: 11,04 sec (2016)
Bestleistung 200 Meter: 22,67 sec (2016)
Olympia-Vierte 2016 (Staffel)
EM-Dritte 2016 (200 m & Staffel)
WM-Fünfte 2015 (Staffel)
U20-Europameisterin 2015 (200 m)
Dritte U20-WM 2014 (Staffel)
Achte U20-WM 2014 (200 m)
Fünfte U18-WM 2013 (200 m)
Deutsche Meisterin 2016 (200 m)

Sie sind die Shooting-Stars des Olympia-Sommers: die DLV-Sprinterinnen. Jung, ohne Angst vor großen Aufgaben und einfach schnell. Was die Liste der Erfolge angeht sowie Lautstärke und Frequenz, ihre Leidenschaft fürs Sprinten in Worte zu fassen, ragt eine Athletin noch einmal ganz besonders heraus. Gina Lückenkemper (LG Olympia Dortmund). In ihrem ersten Jahr in der Frauenklasse hat sie ihre Bestleistungen über 100 Meter (11,04 sec) und 200 Meter (22,67 sec) noch einmal deutlich gedrückt, ihren ersten DM-Titel geholt, bei der EM in Amsterdam (Niederlande) jeweils Bronze über 200 Meter und mit der 4x100-Meter-Staffel gewonnen und bei Olympia mit ihren Staffel-Mädels Rang vier erreicht. Über 200 Meter ging es in Rio (Brasilien) ins Halbfinale.

"Highlights sind die beiden Bronzemedaillen aus Amsterdam", blickt die 19-Jährige auf ihren Sommer zurück. Aus Rio ist ihr ein Moment aus dem 200 Meter-Vorlauf besonders im Gedächtnis geblieben, als sie in der Kurve kurzzeitig an der auf der Bahn vor ihr laufenden späteren Olympiasiegerin Elaine Thompson (Jamaika) vorbeigezogen war. "Zwar nur für einen kurzen Augenblick, aber es gibt ein Beweisfoto", erzählt Gina Lückenkemper.

Dass die DLV-Staffel 2016 reihenweise Zeiten abgeliefert hat wie seit der Wiedervereinigung kein deutsches Quartett mehr, erklärt die EM-Dritte neben den Einzelleistungen mit dem Spirit untereinander: "Wir sind ein Team." Dazu zählt sie nicht nur Tatjana Pinto (LC Paderborn), Lisa Mayer (LG Langgöns/Oberkleen) und Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge), die bei den Erfolgen von Amsterdam und Rio mit auf der Bahn standen, sondern auch die weiteren Athletinnen im Staffelpool wie Alexandra Burghardt, Nadine Gonska, Yasmin Kwadwo (alle MTG Mannheim) oder Janina Kölsch (LC Paderborn)."Wir sind eine abgeklärte Truppe. Die eine bekommt die Coolness von der anderen mit."

Mehr oder weniger nebenbei noch das Abitur gebaut

Die individuellen Leistungen von Gina Lückenkemper dieser Saison sind noch unter einem anderen Aspekt zu bewerten: 2016 war nicht nur das Jahr ihrer ersten Olympiateilnahme sondern auch das ihres Abiturs. Wegen der Doppelbelastung hatte sie auf eine Hallensaison verzichtet. "Nicht alle Lehrer hatten Verständnis", berichtet die U20-Europameisterin, die allein wegen ihrer WM-Teilnahme 2015 einige Wochen Unterricht verpasst hatte. Ihre Schule trägt zwar die Bezeichnung "Partnerschule des Leistungssports", die erfolgreiche Nachwuchsathletin war in diesem Modell allerdings Pionierin oder wie sie selbst sagt "Testobjekt".

Dazu, dass auch die Aufgaben in der Schule letzten Endes erfolgreich abgehakt wurden, trug die Unterstützung ihrer Mathe- und Deutschlehrerinnen bei, die mit Gina Lückenkemper ihren Stoff nacharbeiteten. Mit dem Abitur in der Tasche ist auch neben der Sprintbahn der nächste Schritt vollzogen. Im Oktober beginnt das Studium der Wirtschaftspsychologie an der Uni Bochum.

Ihrer Heimat Soest als Wohnort bleibt Gina Lückenkemper trotzdem treu. Gerade ist ein Grund dazugekommen, der sie dort hält. Das erste eigene Pferd ist im Stall zehn Minuten entfernt "eingezogen". Um <link http: www.pictaram.com media _blank>"Picasso" kümmert sich die Deutsche Meisterin gemeinsam mit einer Freundin. Die Zeit im Sattel und rund um die Pflege des Pferdes "ist für mich der optimale Ausgleich". Deshalb steht in der laufenden Saisonpause auch kein Urlaub in der Ferne an, die freie Zeit wird vor der eigenen Haustür verbracht.

Potenzial für ein Finale auf Weltniveau

In der Pause werden auch die sportlichen Erlebnisse der vergangenen Wochen und Monate erst so richtig sacken. Trainer Uli Kunst wird die Zeit nutzen, die Saison auszuwerten und dann gemeinsam mit seiner Athletin die nächsten Ziele und Ansatzpunkte fürs Training besprechen. Natürlich wird die WM 2017 in London (Großbritannien) anvisiert. "Man sollte aber nicht vergessen, dass ich auch noch zur U23 gehöre und es für diese Altersklasse im nächsten Jahr eine EM gibt", sagt Gina Lückenkemper. "Diese EM wird für mich auch ein Ziel sein."

Entwickelt sich die Sprinterin kontinuierlich weiter, könnte ihr sportlicher Werdegang, der bei ihrem ersten Verein TuS Ampen begann, langfristig in ein großes Einzel-Finale auf Weltniveau führen. Bei Weltmeisterschaften gelang das aus DLV-Sicht zuletzt Andrea Philipp im Jahr 1999, die in Sevilla (Spanien) WM-Bronze über 200 Meter gewann. Sie trug damals dasselbe Vereinstrikot wie Gina Lückenkemper heute: das der LG Olympia Dortmund. Philipps LGO-Vereinsrekord über 100 Meter von 11,05 Sekunden hat der Sprint-Youngster bereits 2016 um eine Hundertstel verbessert. In einem olympischen Finale stand seit der Wiedervereinigung noch keine deutsche Sprinterin. Bei den Männern hatte zuletzt Tobias Unger bei Olympia 2004 in Athen (Griechenland) und der WM 2005 in Helsinki (Finnland) jeweils den Endlauf über 200 Meter erreicht.

Bei Olympia in Rio führten bei den Frauen 22,49 Sekunden ins Finale, bei der WM 2015 in Peking (China) waren 22,53 Sekunden nötig. Mit ihren 22,73 Sekunden aus dem Halbfinale von Rio hat Gina Lückenkemper bewiesen, dass sie von dieser Top-Liga nicht weit entfernt ist. Und auch die Heim-EM 2018 in Berlin könnte zu einem endgültigen Schulterschluss zwischen ihr und Fans über die Kenner-Szene hinaus werden. Denn ihre gute Laune steckt einfach an. "Die Leute gehen total mit, wenn sie merken: Da ist jemand, der hat Spaß und bringt diese Freude rüber."

Das sagt Bundestrainer Ronald Stein:

Gina zeichnet sich durch eine sehr effektive Lauftechnik aus, die extrem geringe Bremsstöße verursacht. Außerdem bringt sie alle Eigenschaften mit, die eine Top-Sprinterin auszeichnet: Lockerheit, Konzentrationsfähigkeit. Gina ist ein absoluter Wettkampftyp, die zu hundert Prozent ihr Leistungsvermögen auf die Bahn bringt. Reserven hat sie noch in der athletischen Ausbildung und in der Verbesserung des speziellen Sprintkraftniveaus. Darüber hinaus hat sie noch Potenzial, was ihre Beschleunigungsfähigkeit angeht. Mit Uli Kunst hat Gina einen sehr erfahrenen Trainer, der mit ihr in den nächsten Jahren diese Reserven sukzessive erschließen wird. Gina hat das Potenzial, in Zukunft bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen um die Finalplätze zu laufen. Als Bundestrainer wünsche ich mir natürlich, dass sie in den nächsten Jahren von Verletzungen verschont bleibt und ein kontinuierlicher Trainingsprozess stattfinden kann. Das ist die Grundlage für gute und außergewöhnliche Leistungen. Die Arbeit mit Gina macht sehr viel Spaß. Sie ist eine Frohnatur. Sie kann sich im Training und Wettkampf trotz ihrer Lockerheit immer auf das Wesentliche fokussieren. Für ihr Alter ist sie schon sehr selbstständig und kann sich im Training auch schon sehr gut steuern, was von ihrem Heimtrainer auch sehr gefördert wird.

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