| WM 2015 Peking

Gina Lückenkemper – Das Küken im Vogelnest

Nach dem 100-Meter-Vorlauf war für Sprinterin Gina Lückenkemper am Sonntag bei der WM in Peking Endstation. Die 18-Jährige nahm’s gelassen, ihr gehört die Zukunft. Sie könnte uns in den kommenden Jahren auf der Bahn und abseits davon viel Freude bereiten.
Silke Morrissey

2012 war Gina Lückenkemper schon einmal die Jüngste in einem deutschen Team. Bei den U20-Weltmeisterschaften in Barcelona (Spanien) durfte die Sprinterin für die Staffel mit. Zum Einsatz kam sie im Silber-Quartett zwar nicht, dafür gab’s den Einzelstart über 200 Meter. Und was machte die 15-Jährige? Rannte zweimal unter ihren vorherigen Bestzeit und bis ins Halbfinale. „Es ist krass hier“, sagte sie damals im Olympiastadion von 1992, „ich komme mir echt winzig vor.“ Und: „Die ersten Meter waren nicht so toll.“

Es gibt viele Parallelen zwischen diesem ersten Auftritt bei internationalen Meisterschaften und Gina Lückenkempers WM-Debüt am Sonntag im Vogelnest von Peking. Die ersten Meter, sie sind immer so eine Sache bei der jungen Sprinterin. Sie hat viel am Start gearbeitet, manchmal klappt es schon besser, im WM-Vorlauf allerdings nicht. Mit ihrer Reaktionszeit war sie im Feld der 52 Teilnehmerinnen die Erste – von hinten. Nach einer beachtlichen Aufholjagd reichte es in ihrem Rennen immerhin in 11,34 Sekunden noch zu Platz vier.

Unbekümmert, freudestrahlend

Was neben ihrem starken Finish und ihrem lockeren, langen Laufschritt stets besonders auffällt: Die Unbekümmertheit, Freude und positive Energie, die Gina Lückenkemper ausstrahlt. Das war schon in Barcelona so. Und das war in Moskau nicht anders. Sie strahlte, sie plauderte, sie zappelte, sie lachte – und war keineswegs eingeschüchtert von der Journalistenschar, die ihr in der Mixed Zone die Diktiergeräte unter die Nase hielt.

Sie habe Gänsehaut gehabt, als sie mit ihren Konkurrentinnen das Vogelnest betrat. „Das Stadion ist gigantisch“, sagte sie. Vor so vielen Leuten ist sie noch nie gelaufen. Auch nicht in einem Rennen mit Athletinnen wie der zweimaligen Olympiasiegerin über 200 Meter, Veronica Campbell-Brown (Jamaika).

Gina Lückenkemper hat Respekt vor großen Namen. Angst aber hat sie nicht. Der Britin Asha Philip – die schließlich sechs Hundertstel vor ihr das Ticket fürs Halbfinale löste – bot sie im Callroom an, ihr beim Aufkleben der Startnummer behilflich zu sein. Zu einem längeren Pläuschchen kam es dann aber doch nicht, „für sie ging es ja um mehr als für mich.“ Dabei quatscht sie eigentlich gerne ein bisschen mit ihren Mitstreiterinnen, bevor sie in den Startblock steigt.

Locker bleiben

Sie rennt schnell, und sie redet schnell. Was aber ihre Karriere angeht, so hat Gina Lückenkemper es nicht eilig. Der 200-Meter-Start in Peking? „Das wäre zu viel, zumal ja noch die Staffel als Option im Raum steht.“ Die Olympischen Spiele im nächsten Jahr in Rio? „Daran denke ich noch gar nicht. Klar wäre es toll, dabei zu sein. Aber ich bin ja noch so jung!“

Zunächst sollen über 200 Meter bei regulärem Wind die ersten Zeiten unter 23 Sekunden her. Außerdem will sie sich über 100 Meter bei Zeiten um 11,20 Sekunden stabilisieren. Für dieses Vorhaben hat sie 2015 gemeinsam mit ihrem neuen Trainer Uli Kunst eine gute Grundlage gelegt.

Was schon jetzt möglich ist, hat Gina Lückenkemper bei ihrem Sieg bei den U20-Europameisterschaften angedeutet, als sie bei 2,6 Metern pro Sekunde Rückenwind nach 22,41 Sekunden ins Ziel kam. Beeindruckt von so viel Power und der starken zweiten Rennhälfte der Deutschen hatte Mitfavoritin Shannon Hylton (Großbritannien) deutlich das Nachsehen. Lückenkemper dagegen ist einfach locker geblieben. So wie 2012 in Barcelona. So wie Sonntag in Peking. Es bleibt ihr zu wünschen, dass sie sich diese Lockerheit bewahren kann. Dann kommen die schnellen Zeiten von ganz allein.

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