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Hanna Klein – Bescheiden, heimatverbunden und verrückt nach Laufen

Viele neue, junge Gesichter haben bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg ihren ersten nationalen Titel bei den Erwachsenen geholt. Aber auch schon bekanntere Namen werden in der Serie auf leichtathletik.de diesmal vorgestellt, sogar ein Diamond League-Sieger. Heute: Läuferin Hanna Klein.
Jan-Henner Reitze

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail hanna-klein>Hanna Klein
SG Schorndorf 1846

Jahrgang 1993
1,72 Meter

Bestleistungen:

1.500 Meter: 4:04,15 (2017)
5.000 Meter: 15:17,14 min (2017)

Erfolge:

WM-Elfte 2017 (1.500 Meter)
Gold Universiade 2017 (5.000 Meter)
Achte U23-EM 2015 (1.500 Meter)
Achte U20-EM 2011 (800 Meter)
Siebte Olympische Jugendspiele 2010 (1.000 Meter)
Deutsche Meisterin 2018 (5.000 Meter)

Das Jahr 2018 war für Hanna Klein gleich im doppelten Sinne eine Herausforderung. Einerseits wollte die 25-Jährige sportlich ihre Leistungen von 2017 bestätigen. Da war ihr der Durchbruch in die internationale Spitze gelungen und sie hatte als erste deutsche Läuferin seit 26 Jahren das WM-Finale über 1.500 Meter erreicht. Anderseits verließ die Psychologie-Studentin im Herbst 2017 ihre Heimat im Süden, um in Köln ihren Master zu machen.

Beide Herausforderungen meisterte die Athletin im Trikot der SG Schorndorf 1846, allerdings mit einzelnen Abstrichen. Es ging nah heran an ihre Bestzeiten. Highlight der Saison war der erste nationale Titel bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg, mit einem beeindruckenden Schlussspurt über 5.000 Meter. Im Vorfeld der EM traten dann aber Achillessehnenprobleme auf, das Rennen in Berlin über die zwölfeinhalb Stadionrunden beendete Hanna Klein vorzeitig.

Was den beruflichen Werdegang angeht, lief es wie vorgesehen. Im aktuell angelaufenen Semester stehen noch die letzten fehlenden Seminare auf dem Plan. Der Ortswechsel brachte aber auch Faktoren mit sich, die der Leistungssportlerin nicht gefallen. „Die Distanz zu meiner Familie und meinen Freunden tut mir nicht gut“, sagt sie. „Es ist auch anstrengend, da jedes Wochenende durchgeplant ist und ich viel herumreise.“ Nach dem Semester ist deshalb die Rückkehr in die Heimat geplant. Fürs Studium stehen dann noch Masterarbeit und ein Praktikum aus, dafür ist keine Präsenz in Köln mehr nötig.

Leidenschaft Laufen und Gemeinschaftsgefühl

Die Nähe zu ihrem Umfeld, die ihr gerade fehlt, ist für Hanna Klein entscheidend um sich wohlzufühlen. Dazu gehört auch die möglichst tägliche Nähe zu ihrem Verein, ihrem Trainer Uwe Schneider und den Trainingskollegen dort. Die große Verbundenheit zur Leichtathletik und ihrer Heimat ist über Jahrzehnte gewachsen. „Schon als ich gerade laufen konnte, haben mich meine Eltern in die Kinderleichtathletik gebracht“, erinnert sich die heutige Top-Athletin an ihre Anfänge bei der LCO Edenkoben.

„Meine Gruppe ist zu meinem Freundeskreis geworden, mit dem ich auch zur Schule gegangen bin. Die Wettkämpfe habe ich immer als gemeinschaftliches Event erlebt“, erzählt die WM-Finalistin. „Im Training seine Freunde zu treffen, war ein zusätzlicher Antrieb. Dann kam nach und nach Erfolg als weitere Motivation dazu.“

Die Laufstrecken waren von Anfang an ihre Stärke. Zuerst aber trainierte sie alle Disziplinen. Als Deutsche Schülermeisterin im Block Lauf bewies Hanna Klein schon als 15-Jährige ihr Talent. Im gleichen Jahr stand sie im 800-Meter-Finale der Deutschen Jugendmeisterschaften der damaligen weiblichen Jugend B, gegen zum Teil zwei Jahre ältere Konkurrenz. Die Mittelstrecke rückte immer mehr in den Mittelpunkt, die Leidenschaft fürs Laufen wurde immer größer. „Ich laufe einfach wahnsinnig gerne. Im Training finde ich es schön, wenn man sich in der Gruppe gegenseitig pusht. Davon lebe ich.“

Anschluss bei den Erwachsenen braucht Zeit

In den folgenden Jahren lief Hanna Klein auf nationaler Nachwuchsebene bevorzugt über 800 Meter um Medaillen und holte mehrere Titel. Und auch internationale Luft durfte sie früh schnuppern, zum Beispiel im Jahr 2010 in Singapur als Siebte der ersten Olympischen Jugendspiele über 1.000 Meter. 2011 wurde sie Achte der U20-EM über 800 Meter.

Nachdem Ende der Jahre im U20-Bereich klappte es nicht auf Anhieb mit dem Anschluss bei den Aktiven. Für die LG Limes/Rems (ab 2013) und die SG Schorndorf 1846 (seit 2015) sowie mit Trainer Uwe Schneider an ihrer Seite gelangen dennoch Jahr für Jahr Bestzeiten. Für Normen für internationale Meisterschaften reichte es allerdings nur 2015 mit der U23-EM.

Die kontinuierliche Entwicklung der eigenen Leistung, unabhängig vom Erfolg, die über Jahre gewachsene Verbundenheit zum Laufen und die Freude an der Gemeinschaft waren Gründe genug, im Training alles zu geben, und sie sind es bis heute. Auch ihren Freund Marcel Fehr (SG Schorndorf 1846) lernte Hanna Klein über den Sport kennen.

Ein Jahr im Flow

Nachdem es 2016 nicht mit der Olympia-Qualifikation geklappt hatte, stellte die inzwischen vor allem auf den 1.500 Metern aktive Athletin die Jagd nach Normen gedanklich ein Stück zurück. Daraufhin gelang bereits in der Hallensaison der Sprung in die A-Nationalmannschaft und gleich der Finaleinzug bei der Hallen-EM in Belgrad (Serbien). Als dann noch gleich im ersten 5.000-Meter-Rennen der Freiluftsaison die WM-Norm fiel, begann endgültig ein Jahr im Flow.

„Diese Leistungen haben schon länger in mir gesteckt. Es war wie eine Befreiung. Das Jahr war voller Positiv-Erlebnisse“, blickt Hanna Klein zurück. Über 1.500 Meter steigerte sie sich bis auf 4:04,15 Minuten und konnte diese Zeit auch bei der WM bestätigen. Die WM-Elfte gewann drei Wochen nach ihrem starken Auftritt in London auch noch Gold bei der Universiade über 5.000 Meter.

Dass sich damit auch plötzlich die Medien verstärkt für sie interessierten, war nichts, worauf die Studentin gewartet hatte. Sie blieb sich selbst und damit eher den leisen Tönen treu. Gleichzeitig entfachte der Anschluss an die internationale Spitze noch einmal zusätzlichen Ehrgeiz.

Starts im Cross anvisiert

Die Vorbereitung auf die kommende Saison ist angelaufen. In einem Trainingslager mit ihrem Verein hat Hanna Klein gerade wieder etwas mehr Zeit mit ihrem Umfeld aus der Heimat verbracht, das sie nach diesem Winter wieder täglich um sich haben wird. Neue Kräfte werden geschöpft.

Mit einem Start beim Darmstadt-Cross (25. November) setzt sie im Herbst wieder einen Reiz, der länger nicht zum Jahresplan gehörte. „Wir werden dieses Rennen nicht spezifisch vorbereiten, sondern aus dem Training heraus bestreiten. Mal sehen, wofür es reicht“, erklärt die Deutsche Meisterin. Auch in der Halle sind Starts vorgesehen. Diese Wettkämpfe schätzt sie einerseits wegen der im Vergleich zur Freiluftsaison größeren Nähe der Bahn zu den Zuschauern. Außerdem tut es gut, nach der Grundlagenarbeit wieder Geschwindigkeit aufzunehmen.

Diese Geschwindigkeit übt eine große Faszination aus. „Deshalb sehe ich mich immer noch eher als 1.500-Meter-Läuferin. Diese Strecke ist taktisch noch spannender und kurzweiliger als die 5.000 Meter“, so die Mittelstrecklerin mit Hang zur Langstrecke. „Auch mein Training ist noch nicht so sehr auf Ausdauer und hohe Kilometer-Umfänge ausgerichtet. Zum jetzigen Zeitpunkt meiner Karriere finde ich das auch völlig okay.“

Neues Qualifikationssystem im WM-Sommer austesten    

Im kommenden Sommer möchte Hanna Klein im Vergleich zur abgelaufenen Saison wieder mehr Wettkämpfe bestreiten. „Die Verpflichtungen an der Uni haben das in diesem Jahr schwierig gemacht.“ Wie viele weitere DLV-Athleten will sie außerdem mit Olympia 2020 im Hinterkopf das neue Ranking-System des Weltverbandes IAAF austesten und damit verbunden mehr internationale Konkurrenz suchen.

Gelingt dabei die Qualifikation für die WM in Doha (Katar; 27. September bis 6. Oktober), möchte die 25-Jährige dort gerne weitere internationale Erfahrung sammeln. Zur Vorbereitung auf den Sommer könnte es auch in Höhentrainingslager gehen. Wenn dazu noch der Plan der Rückkehr in ihre Heimat aufgeht und alle Scheine für den Master in Köln in der Tasche sind, hat Hanna Klein die Voraussetzungen für neue Bestleistungen geschaffen. Denn das turbulente Jahr 2018 hat ihr verdeutlicht, worauf es ihr ankommt.

Das sagt Bundestrainer Sebastian Weiß:

Der Sieg bei den Deutschen Meisterschaften und die Art und Weise ihres Auftritts in Nürnberg haben Hannas großes Potenzial gezeigt. Im Vorfeld der EM hatte sie leider Probleme mit der Achillessehne. Einen Tag nach ihrem Wettkampf war sie außerdem erkältet, dies hat im Rennen sicherlich schon in ihr gesteckt.

Hanna hat eine sehr gute Spurtfähigkeit. Sie hat ein breites Leistungsspektrum, was ihr Erfolge über 1.500 und 5.000 Meter ermöglicht. Grundsätzlich ist sie sportlich auf einem guten Weg. Wir wollen schauen, ob wir das Thema Höhentrainingslager für Hanna intensivieren können. Eine Höhenkette hat sie bisher noch nicht gemacht, dies kann für die Zukunft eine weitere Leistungsreserve sein.

Es macht Spaß mit Hanna zusammenzuarbeiten. Sie ist sehr heimatverbunden und es wird ihr gut tun, in ihr gewohntes Umfeld zurückzukehren. Wenn sie die Menschen um sich herum hat, die sie gern hat, ist das für Hannas Leistung sicherlich förderlich.

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