| Interview der Woche

Imke Onnen: "Ich habe ein ganz neues Hochsprung-Gefühl"

Hochspringerin Imke Onnen (Hannover 96) hat am Sonntag beim 19. Springer-Meeting in Garbsen ein starkes Comeback gezeigt und sich dabei selbst überrascht. Zweimal steigerte die 23-Jährige ihre Bestleistung und schlug mit 1,93 Metern den Weg zur Europameisterschaft in Berlin ein. Im Interview sprach sie nach dem Wettkampf über ihre Verletzungen, den emotionalen Wettkampf und ihre Ziele für die Saison.
Birte Grote

Imke Onnen, herzlichen Glückwunsch zu diesem starken Comeback! Können Sie schon realisieren, was Sie da gerade geschafft haben?

Imke Onnen:

Nein, ich kann es noch gar nicht fassen. Ich bin super glücklich, aber noch ganz durcheinander. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet. Das ist ja schon fast erschreckend, dass so etwas hier gerade passiert ist. Ich dachte nach dem Sprung über 1,90 Meter schon: "Huch, was mach ich hier?"

Können Sie beschreiben, wie sich der Wettkampf und die beiden Sprünge über 1,90 und 1,93 Meter angefühlt haben?

Imke Onnen:

Einfach perfekt! Ich hab seit diesem Jahr das erste Mal einen festen Anlauf. Ich laufe nun mit acht Schritten aus dem Stand an. Vorher bin ich immer mit Antippeln einen Fünfer-Anlauf gesprungen, und da war immer sehr viel Varianz. Durch den Achter habe ich ein ganz neues Hochsprung-Gefühl bekommen, und während des Anlaufens habe ich mich in Garbsen unheimlich spritzig gefühlt. Beim Einspringen habe ich sogar schon gedacht, dass das richtig gut werden kann. So etwas hatte ich bisher selten. Schon dass ich die 1,85 Meter im ersten Versuch geschafft habe, war toll. Und dann habe ich durch diesen 1,90-Meter-Sprung ganz viel Selbstbewusstsein für die nächste Höhe bekommen. Mir haben auch ganz viele Leute gesagt, wie gut der Sprung aussah. Ich bin dann einfach gesprungen und musste gar nicht viel denken.

Als Hannoveranerin ist das Meeting in Garbsen für Sie ja wie ein Heimspiel. Was macht das für Sie aus?

Imke Onnen:

Ich bin total der Familienmensch. Ich glaube, man merkt das. Meine Familie ist hier, meine Freunde, meine ganze Trainingsgruppe, und sogar meine Ärzte sind hier. Es ist ein tolles Gefühl, so viel Unterstützung zu erfahren. Das gibt mir noch mehr Kraft. Man fühlt sich hier zuhause. Es ist schön, dass man nicht so eine lange Anreise hat. Die Stimmung ist hier immer super und ich hab hier noch nie schlechtes Wetter erlebt.

Ihr letzter Wettkampf ist zirka ein Jahr her. Seit wann sind Sie wieder verletzungsfrei und konnten mit Wettkämpfen planen?

Imke Onnen:

Seit Januar bin ich verletzungsfrei. Ich hab letztes Jahr sehr, sehr wenig trainieren können. Einfach auch, weil ich sehr traurig war, dass ich so oft und lange verletzt bin. Ich musste mich immer wieder motivieren. Es war eine schwierige und sehr harte Zeit. Danach hatte ich einfach so einen extremen Bewegungsdrang. Als ich dann im Trainingslager in Südafrika war und langsam mit den ersten Technikeinheiten angefangen habe, hatte ich unheimlich viel Spaß und konnte schon gute Leistungen im Training zeigen, obwohl ich gar nicht damit gerechnet hatte.

Von welcher Verletzung wurden Sie ausgebremst?

Imke Onnen:

Das wissen wir tatsächlich gar nicht genau. Ich habe so viele unterschiedliche Diagnosen von verschiedenen Ärzten bekommen. Die erste Diagnose war zum Beispiel, dass ich eine dreifache Zerrung mit Einblutung und Flüssigkeit im Fußgelenk habe. Letztendlich hat im MRT-Bild einfach mein ganzer Fuß geleuchtet.

Immer andere Diagnosen zu erhalten, war sicher zusätzlich demotivierend ...

Imke Onnen:

Genau, wenn man nicht weiß, woran man ist, wie lange es noch dauert und wie man am besten behandelt werden kann, ist das auf jeden Fall noch mal mehr deprimierend.

Schon davor hatten Sie immer wieder Verletzungsprobleme ...

Imke Onnen:

Zuerst war es mein linker Fuß, der Probleme gemacht hat. Das ist nicht mein Sprungfuß. Die vorletzte Verletzung war dann am Sprungfuß und hat dementsprechend auch fast 15 Monate gedauert. Die letzte Verletzung war wieder am linken Fuß, die auszukurieren hat neun Monate gedauert.

Heute ist Muttertag und Ihre Mutter Astrid Fredebold-Onnen hat sich gerade riesig mitgefreut. Welcher Faktor spielt es für Sie, dass Ihre Mutter auch Ihre Trainerin ist, gerade in einer Verletzungszeit?

Imke Onnen:

Wir sind ein sehr, sehr gutes Team. Natürlich zanken wir uns auch mal, aber ich denke, das ist in einer Mutter-Tochter-Beziehung normal. Vor allem ist meine Mutter eine sehr gute Trainerin. Sie kann super motivieren und weiß genau, wie ich ticke und wann sie was sagen soll. Das ist im Wettkampf oft entscheidend. Sie hat mich immer wieder auf den Punkt fit bekommen. Leider war ich dann zu oft verletzt und konnte nie so richtig zeigen, was ich wirklich drauf habe. Ich könnte nicht so hoch springen und heute diese Leistung zeigen, wenn sie keine gute Trainerin wäre – und man sieht es natürlich auch seit Jahren an den Leistungen von meinem Bruder Eike.

Welche Höhe hatten Sie und Ihre Mutter für den Saisoneinstieg erwartet?

Imke Onnen:

Wir haben mit Mitte 1,80 Meter gerechnet. Wir wollten ganz entspannt und ohne Druck in den ersten Wettkampf gehen und dann schauen, was noch möglich ist. 

Wie verlief die Vorbereitung auf die Saison?

Imke Onnen:

Ich war viel im Trainingslager. Zunächst drei Wochen in Südafrika mit dem DLV-Sprungkader. Dann habe ich an einer Sprungmaßnahme in Albufeira teilgenommen und war mit dem Niedersachsen-Kader unterwegs. Ich denke, die Anzahl der Trainingslager und die guten Bedingungen dort haben die Summe für meine gute Form gemacht und sich heute auf jeden Fall ausgezahlt.

Welche Wettkämpfe stehen nun an?

Imke Onnen:

Nächste Woche werde ich in Rehlingen starten. Und dann starte ich noch beim Meeting in Hannover. Die größten Wettkämpfe sind natürlich die Deutschen Meisterschaften und nun hoffentlich auch die Europameisterschaften, obwohl die vor diesem Wettkampf noch kein Thema waren.

Wie schätzen Sie ihre Chance ein, in Berlin dabei zu sein?

Imke Onnen:

Ich halte es nicht für unrealistisch, dass mehr als drei Springerinnen die Norm von 1,90 Meter überspringen. Aber ich hab mich mit 1,93 Meter schon mal gut in Position gebracht. Und ansonsten muss ich halt nachlegen und bei den Deutschen Meisterschaften gut springen.

Können Sie schon spontan sagen, was Sie von den Europameisterschaften erwarten würden?

Imke Onnen:

Für meinem ersten internationalen Start bei den Frauen würde ich spontan sagen, dass ich die Qualifikation überstehen möchte, aber darüber hab ich mir bisher noch gar keine Gedanken gemacht. Natürlich möchte ich gerne gemeinsam mit meinem Bruder dabei sein. Ich bin fest davon überzeugt, dass Eike die Qualifikationshöhe von 2,26 Metern springt. Die Höhe hat er drauf!

Was bedeutet es Ihnen, die Marke von 1,90 Meter überwunden zu haben?

Imke Onnen:

Meine Bestleistung stand seit 2015 bei 1,89 Metern aus Eberstadt. Die musste nun endlich mal fallen. Aber zweimal in einem Wettkampf Bestleistung zu springen, ist ein seltenes und ganz besonderes Erlebnis. Ich bin nun auch über meine Körpergröße von 1,90 Meter gesprungen. Das war auch immer ein großes Ziel von mir.

Mehr:

<link news:63014>Fünf EM-Normen in Garbsen – und ein emotionaler Höhepunkt
<link https: www.facebook.com leichtathletikde videos _blank>Zum Video des 1,90-Meter-Sprungs auf Facebook

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