| Interview der Woche

Johannes Vetter: "Endlich die ganze Power ins Gerät"

Eine rasante Entwicklung hat Johannes Vetter mit seinem Speer in den vergangenen Wochen hingelegt. Bevor der 22-Jährige am Samstag Deutscher U23-Meister wurde, stand er bei international besetzten Meetings reihenweise ungewohnt weit vorne. Sein bester Wurf landete in Jena bei 85,40 Meter, in Wetzlar legte er mit starken 83,68 Meter nach. Im Interview erzählt der Neu-Saarbrücker von seinem Leistungsschub nach dem Trainerwechsel zu Boris Obergföll und warum es wichtig ist, im Leben neue Wagnisse einzugehen.
Pamela Ruprecht

Johannes Vetter, herzlichen Glückwunsch zum Junioren-Titel. Bisher haben Sie ja noch nicht so viele deutsche Meistertitel gesammelt…

Johannes Vetter:

Das war jetzt der erste Meistertitel für mich. Hammermäßig, ich freue mich sehr darüber. Über die Weite natürlich auch. Es war die zweitbeste Wettkampf-Weite dieses Jahr. Das ist natürlich cool, dass man sein Niveau auch bei Deutschen Meisterschaften abrufen kann. Das hatte ich bisher noch nicht, eine solche Weite in so einem Wettkampf zu zeigen. Das macht den Meistertitel zu etwas Besonderem.

Vergangenes Jahr waren Sie mit einer eher bescheidenen Weite bei der U23-DM noch Zweiter, sonst haben Sie als größte Erfolge bisher eine Teilnahme bei der U20-EM in Tallinn (Estland) zu verbuchen. Im Moment läuft aber  ein neues Kapitel bei Ihnen an, oder?

Johannes Vetter:

Ja, die die ganzen Podestplätze bei den Meetings in Halle, Dessau, Jena und Rehlingen, die zwei ersten und zwei zweiten Plätze, das ist schon was Höheres, würde ich sagen. Das gab es in den letzten Jahren noch nie so in der Art.

Sie stehen an der Spitze der deutschen Bestenliste. War der Sieg gegen den zweiten 80-Meter-Werfer im Feld, Julian Weber (USC Mainz), trotzdem nicht nur Formsache? Sie haben ein paar Würfe gebraucht, um ihr Potential abzurufen…

Johannes Vetter:

Julian war Titelverteidiger klar, aber ich war doch der Favorit mit über drei Meter Vorsprung in der persönlichen Bestleistung. Ich bin ziemlich schwer reingekommen. Das Einwerfen war nicht so optimal, was auch daran lag, dass wir keinen Platz zum Einwerfen hatten. Es ging sozusagen, so gut wie scharf los dort. Die ersten drei Versuche konnte ich echt vergessen. Es ist zwar immer schön, zu wissen, dass ich, egal wie ich mich fühle, wie die Technik ist, immer noch um die 77 Meter werfen kann. Aber ich war natürlich nicht zufrieden.

Wie wirkt sich so ein Wettkampf-Verlauf in den ersten Versuchen auf Ihre Motivation aus?

Johannes Vetter:

Da die anderen auch nicht so weit geworfen haben, 76 Meter und weniger, geht die Spannung ein bisschen verloren. Es ist dann schwer, sich nochmal zu pushen. Aber Julian hat ja dann im vierten Versuch direkt vor mir 78,90 Meter geworfen. Da musste ich natürlich kontern und war schon ein bisschen mehr gepusht und konnte, was mich sehr gefreut hat, hinten raus über 80 werfen. Im fünften Versuch war ich dann richtig gut drin und habe den Sack zu gemacht. Mit 83 Metern bei deutschen Meisterschaften gewinnen, das ist sehr toll.

Ihre Bestleistung stand 2014 bei  79,75 Meter. Wie  erklären Sie sich diese Leistungssteigerung und Wandlung nach dem Wechsel zu Bundestrainer Boris Obergföll?

Johannes Vetter:

Ich mache das einzig und allein an der Technik fest. Die Grundlagen, weit zu werfen, hatte ich schon die letzten Jahre. Von der Physis, den Kraftwerten, vom Sprint und Sprung.  Allgemein von den sogenannten Zubringerleistungen war ich schon immer auf einem guten Niveau. Nur jetzt habe ich in der Arbeit mit Boris die Technik so gut umgestellt, dass wirklich, die ganze Power, die man hat, in das Gerät, in den Speer reingeht. Deswegen sind jetzt solche Weiten drin.

Denken Sie, Sie sind ziemlich stark für einen Speerwerfer?

Johannes Vetter:

Ja. Es gibt solche und solche Typen. Ich bin schon mit einer der kräftigsten. Andreas Hofmann hat ein ähnliches Kaliber. Er ist aber einfach noch größer und noch einen Tick schwerer und auch Till Wöschler. Es gibt Typen, die mehr über die Kraft kommen und Typen, die mehr über die Technik kommen. Das ist ziemlich schwer zu sagen. Man braucht wahrscheinlich ein gesundes Mittelmaß.

Sie trainieren größtenteils mit Weltmeisterin Christina Obergföll (LG Offenburg), deren langjähriger Trainer Werner Daniels war. Was macht das Besondere an dieser Konstellation und dem Training bei Boris Obergföll aus?

Johannes Vetter:

Wir sind eine Trainingsgruppe mit einem hohen Niveau. Ich kann mächtig viele Erfahrungen mitnehmen. Boris war selber ein 90-Meter-Werfer, davon gibt es nicht viele in der Welt. Er weiß einfach, wovon er spricht. Er hat viel Wettkampferfahrung und hat ziemlich weit geworfen. Davon kann ich viel profitieren. Genauso wie von Christinas Wettkampferfahrung. Das hilft mir dieses  Jahr einfach enorm weiter. Und auch das gegensätzliche Pushen im  Training mit Christina. Das ist eine richtig gute Atmosphäre, das macht mächtig viel Spaß. Das sind alles Aspekte, die ausschlaggebend dafür sind, dass es dieses Jahr nochmal so einen Sprung gab.

Sie sind nach Ihrer Ausbildung bei der Bundeswehr von Dresden nach Offenburg gegangen, wo Sie auch trainieren. Wie war der Umzug von Ostdeutschland in den Westen?

Johannes Vetter:

Ich bin da relativ einfach gestrickt. Ich weiß, wo ich hin will. So war das für mich kein großes Problem. Ich habe meine Sachen gepackt und bin jetzt dabei, mir hier ein neues Leben aufzubauen. Der Hauptschwerpunkt liegt auf dem Training, deshalb läuft das auch in den Wettkämpfen. Ich bin wegen dem Sport hergezogen. Wenn weiß, was man will, muss man auch gewisse Sachen riskieren und neue Sachen probieren, um sich zu verbessern.

Wie geht es nach dem Titelgewinn weiter?

Johannes Vetter:

Ganz normal. Ich geh die ganzen nächsten Wettkämpfe genauso an wie die Deutschen Meisterschaften und die Meetings vorher. Ich will mein Niveau über 80 Meter stabilisieren. Mein Ziel ist es, dieses Jahr jeden Wettkampf über 80 Meter zu werfen. Ich denke damit habe ich eine gute Grundlage und setze mir ziemlich hohe Ziele damit. Ich will das Wettkampfjahr jetzt einfach genießen und weiter auf dem hohen Niveau werfen und dann schaue ich einfach, was dabei rauskommt. Natürlich wäre es super, bei der U23-EM eine Medaille zu holen, genauso auch wie bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg bei den Männern, die anderen ein bisschen mit zu ärgern.

Was hat sich für Sie nach dem „Durchbruch“ in der Aktivenklasse geändert?

Johannes Vetter:

Es ist für mich natürlich auch ein bisschen eine neue Situation. Jetzt bin ich derzeit bester Deutscher. Ich weiß nicht, ob man dann etwas in die Favoritenrolle gedrängt wird, wie jetzt bei den U23-Meisterschaften. Es ist halt jeder Wettkampf für sich und man muss sich in jedem  wieder neu zurechtfinden und sich selber neu suchen. Ich lasse mich davon einfach überraschen. Ich denke, dass ich gut mitmischen kann. Am Ende wird es sich dann zeigen. Das Highlight würden die Weltmeisterschaften in Peking werden. Den Wettkampf möchte ich auf jeden Fall genießen und viel Erfahrung rausholen.

Wie schauen Sie weiter in Ihre Zukunft?

Johannes Vetter:

In der Technik gibt es immernoch großes Aufbau-Potential. Da werden wir die nächsten Jahre weiter stark daran arbeiten, das Jahr für Jahr immer weiter zu perfektionieren. Vom Training her sind das die größten Aufgaben. Einfach weiter an der Technik arbeiten. Und klar durch dieses Jahr, durch die ganzen Erfahrungen, die ich schon sammeln konnte, damit will ich versuchen auch bei den größeren Wettkämpfen einen guten Eindruck zu hinterlassen. 

Video:

<link video:12281>Johannes Vetter Meister mit dem Speer

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