| Porträt

Joshua Hartmann mischt die Kurzsprint-Szene auf

Letzten Sommer war Joshua Hartmann über 400 Meter für die U20-WM in Tampere nominiert worden, kam in Finnland aber nicht zum Zug. Diesen Winter mischt der 19-Jährige den deutschen Männer-Sprint über die 60 Meter auf. Zur Hallen-EM-Norm für Glasgow fehlt dem Kölner nach seinem explosiven Schlussspurt in Dortmund nur noch eine Hundertstel.
pm / pam

Da staunten die gut 3.000 Zuschauer beim PSD Bank Indoor Meeting in der Dortmunder Helmut-Körnig-Halle am Sonntag nicht schlecht. Schon im 60 Meter-Vorlauf der Männer tauchte Joshua Hartmann (ASV Köln) bereits nach 6,66 Sekunden zeitgleich im Ziel neben dem Deutschen 100 Meter-Meister Kevin Kranz (Sprintteam Wetzlar) auf. Bei 30 Metern war der Kölner nach einem verhaltenen Start noch deutlich zurückgelegen, zeigte dann aber auf den letzten 20 Metern, dass er gerade zu den schnellsten Männern in Deutschland gehört.

Moderator Wolf-Dieter Poschmann hatte Joshua Hartmann vorab als Sensation des Winters angekündigt und der junge Sprinter hielt dieses Versprechen. Eine Stunde nach dem Vorlauf ging es dann ins Finale, wo sich der 19-Jährige noch einmal steigern konnte. Der Wirtschaftsstudent drückte seine Bestmarke auf 6,64 Sekunden und belegte hinter Kevin Kranz (6,61 sec), der ebenfalls schnell wie nie unterwegs war, Platz zwei.

3.000 Zuschauer am Start ausgeblendet

Sein Erfolgsrezept: Das große Publikum hatte Joshua Hartmann vor und während des Rennens komplett ausgeblendet. "Ich habe die vielen Zuschauer gar nicht richtig wahr genommen, ich war sehr konzentriert", sagt er. Sein Trainer Jannik Engel hat ihm vor den Läufen geraten, sich ganz auf sich und sein Können zu besinnen. Das ging auf. "Und ich bin auch der Meinung, dass noch mehr gehen kann, weil ich im Finale einen sehr schlechten Start hatte."

Bis zum 6. Januar hatte die 60 Meter-Bestzeit des eigentlichen 400 Meter-Spezialisten noch bei 6,95 Sekunden gestanden – eine Zeit, die in diesem Winter noch nicht einmal zur Teilnahme an den Deutschen Hallenmeisterschaften berechtigt hätte. Am ersten Januar-Wochenende gab es dann zum Saisonauftakt eine beeindruckende Steigerung auf 6,71 Sekunden, ebenfalls in Dortmund. Und auf einmal ist Joshua Hartmann – im Vorjahr über 400 Meter für die U20-WM in Tampere nominiert, aber nicht zum Einsatz gekommen – mitten in der deutschen Kurzsprintszene der Männer angekommen.

Prompte Einladung zum ISTAF Indoor

Noch in Dortmund erhielt er auf der Stelle eine Einladung zum ISTAF Indoor am kommenden Freitag (1. Februar) in Berlin. "Das ist eine große Ehre für mich. Bei so einem großen Event durfte ich noch nie starten, ich freue mich sehr darauf." Zwei Wochen später findet die Hallen-DM in Leipzig (16./17.Februar) statt. Bei beiden Wettbewerben will er um die Norm für die Hallen-Europameisterschaften in Glasgow (Großbritannien; 1. bis 3. März) rennen. Diese liegt mit 6,63 Sekunden nur eine Hundertstel von seiner neuen Bestleistung enfernt.

Dass es so weit kommen könnte, war überhaupt nicht geplant. "Eigentlich nehmen wir die Hallensaison nur als kleine Abwechslung mit. Schwerpunkt ist die zielgerichtete Vorbereitung auf den Sommer 2019, wo Joshua sich über 400 Meter für die U23-EM qualifizieren möchte", sagt sein Trainer Trainer Jannik Engel über den anvisierten Saisonhöhepunkt im Juli in Gävle (Schweden). "Dass er über 60 Meter so schnell ist, damit hätten wir nicht gerechnet." Die Hallen-Rennen über 60 und 200 Meter sollen der Geschwindigkeitsentwicklung dienen, um auf der Stadionrunde im Freien stärker zu werden.

Denn der Langsprint soll weiter seine Hauptstrecke bleiben, obwohl es nicht seine Lieblingsdisziplin ist. Es ist mehr eine rationale Entscheidung auf die längere Distanz zu setzen. "Die 400 Meter gefallen mir persönlich nicht besser, aber ich weiß, dass meine Chancen sehr gut zu werden, dort besser sind als auf den 100 Metern. Die Strecke liegt mir von meinen körperlichen Voraussetzungen einfach." Durch die neu gewonnene Schnelligkeit werden im Sommer seine Bestzeiten über 100 (10,54 sec) und 400 Meter (46,96 sec) wohl bald Geschichte sein.

Vorbereitungstrainingslager in Marokko

Vorausgegangen war seinem fulminanten Start in die Hallensaison Mitte Dezember ein einwöchiges Trainingslager in Agadir (Marokko), wo er mit seinem Coach und einer kleinen Gruppe bei "schönen 25 Grad" trainieren konnte. Zuhause in Köln geht Joshua Hartmann fünfmal die Woche zum Training. Neben seinem Betriebswirtschaftsstudium an der Universität zu Köln jobbt er in einem Timberland Store.

Geboren in Siegen ist der talentierte Langsprinter auch in Köln aufgewachsen. Sein Vater, dessen Eltern aus Ghana stammen, kommt aus New York (USA), seine Mutter ist Deutsche. Mit zwölf Jahren begann Joshua Hartmann mit der Leichtathletik und spezialisierte sich mit der Zeit auf den Sprint. Eine gute Entscheidung. In seinem ersten Jahr bei den Aktiven könnte der Deutsche U20-Vizemeister über 100 Meter und U20-Hallenmeister über 200 Meter von 2018 noch für weitere Überraschungen sorgen.

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