| Neue Meister

Lisa-Marie Kwayie – Geduld zahlt sich aus

Bei der Hallen-DM haben fünf Athleten erstmals in ihrer Karriere einen nationalen Titel bei den Aktiven gewonnen. Für einen war es gleichzeitig das erste Rennen im Trikot eines deutschen Vereins überhaupt, die anderen haben dieses Ziel dagegen nach Umwegen erreicht. Wir erzählen die Geschichten der neuen Meister, heute die von Sprinterin Lisa Marie Kwayie (Neuköllner SF).
Jan-Henner Reitze

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail lisa-marie-kwayie>Lisa-Marie Kwayie
Neuköllner SF

Bestleistungen:

100 Meter: 11,29 sec (2018)
200 Meter: 23,62 sec (2017; Halle)

Erfolge:

EM-Bronze 2018 (Staffel)
Bronze U20-WM 2014 (Staffel)
Deutsche Hallenmeisterin 2019

2016 war das Jahr der aufstrebenden Sprinterinnen im DLV. Unter anderem Gina Lückenkemper (SCC Berlin) und Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar) preschten aus der U20 mittenrein in die internationale Spitze und wurden Staffel-Vierte bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (Brasilien). Eine Athletin, die mit dem Duo zwei Jahre zuvor Staffel-Bronze bei der U20-WM geholt hatte und ebenfalls Jahrgang 1996 ist, musste ihre Saison dagegen damals schon Ende Mai verletzungsbedingt abbrechen. Wieder einmal spielte der Körper nicht wie gewünscht mit.

„Einerseits war es hart zu sehen, dass Gina und Lisa so weit von mir weggezogen sind. Zumal ich zu dieser Zeit auch immer wieder verletzt war“, erinnert sich Lisa Marie Kwayie an diese Situation. „Auf der anderen Seite war es auch eine Motivation zu sehen, dass die beiden ordentlich eine Schippe draufgelegt haben. Da dachte ich: Das ist für mich auch möglich.“

Viel Geduld musste die 22-Jährige aufbringen, die sich allerdings auszahlen sollte. Mit der Halbfinale-Teilnahme bei der U23-EM über 100 Meter und einer Steigerung der Bestzeit auf 11,44 Sekunden ging es schon im Jahr 2017 aufwärts. Pünktlich zu EM in ihrer Heimatstadt startete die Berlinerin dann bis auf 11,29 Sekunden durch, erreichte bei ihrem Einzelstart im Olympiastadion das Halbfinale und gewann mit der DLV-Staffel anschließend Bronze über 4x100 Meter. Mit dem ersten Deutschen Meistertitel über 60 Meter bei der Hallen-DM in Leipzig mit Bestzeit (7,19 sec) ging es in diesem Winter mit den Erfolgen nahtlos weiter. Dahinter steckt neben der Geduld vor allem die langjährige Zusammenarbeit mit Heimtrainer Frank Paul.

Erst mit 12 Jahren zu einem Leichtathletik-Verein gefunden

Die in Ghana geborene Sprinterin wuchs in Berlin-Neukölln auf und besuchte dort eine sportbetonte Grundschule, ohne allerdings davon zu träumen, einmal bei Olympia dabei zu sein. Dennoch fiel schon damals ihre Schnelligkeit auf. „Mein Lehrer wollte immer, dass ich in einen Verein gehe“, erinnert sich Lisa Marie Kwayie. „Es hat etwas gedauert, aber dann habe ich es auch gemacht.“ Im Alter von zwölf Jahren kam sie zum Neuköllner SF und stellte in 9,72 Sekunden gleich mal einen Berliner Rekord über 75 Meter auf. Von Anfang an wurde sie von Frank Paul betreut.

Über die Jahre wuchs das Duo mehr und mehr zusammen, teilte Erfolge und Rückschläge. „Frank spielt für mich eine riesige Rolle. Wir haben uns etwas aufgebaut und viel zusammen erlebt. Die Atmosphäre ist familiär, auch in meiner Trainingsgruppe, die für mich eine wichtige Unterstützung ist“, erzählt Lisa-Marie Kwayie. In der Jugend gelang der Anschluss an die nationale Spitze und neben Staffel-Bronze bei der U20-WM 2014 auch die Qualifikation für einen Einzelstart über 100 Meter. Auf der anderen Seite wurde die Nachwuchsathletin wiederholt durch Verletzungen ausgebremst.

„Durch die Zusammenarbeit mit Ärzten am Berliner Olympiastützpunkt und der Charité haben wir diese Probleme in den Griff bekommen“, erzählt die Neuköllnerin. „Positiver Nebeneffekt war, dass ich gelernt habe, meinen Körper besser einzuschätzen. Auch das Training konnten wir so anpassen, wie es am besten auf mich passt.“ Eine große Stütze in dieser Zeit weiter an sich zu glauben, war neben Trainer Frank Paul und der Trainingsgruppe auch die Familie.

Erste eigene Wohnung

Neben dem Sport studiert die Deutsche Hallenmeisterin im fünften Semester soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule. „Das ist eine etwas ungewöhnliche Kombination, beschreibt mich aber sehr gut. Es bringt Gleichgewicht, auch mal in eine andere Richtung zu denken“, erzählt Lisa-Marie Kwayie, die gerade ihre erste eigene Wohnung in Berlin-Friedrichshain bezogen hat. Das verkürzt ihre Anfahrtswege zur Uni und zu den Trainingsanlagen im Sportforum Hohenschönhausen.

In der Sommersaison möchte die 22-Jährige möglichst viel weitere Erfahrung gegen starke Konkurrenz sammeln, wie zuletzt bei der Hallen-EM in Glasgow (Großbritannien), als es trotz der achtbesten Halbfinalzeit über 60 Meter wegen der Qualifikationsregeln in den drei Läufen nicht zum Finale reichte. „Ich neige dazu, unter Druck am Ende eines Rennes ins Hohlkreuz zu fallen. Das möchte ich abstellen und technisch stabiler werden“, lautet die Marschroute Richtung Sommer.

Neben den 100 Metern, wo die Norm (11,24 sec) für die WM in Doha (Katar; 27. September bis 6. Oktober) in Reichweite ist, und einem Platz im DLV-Staffelpool, möchte die Studentin nach anderthalb Jahren Abstinenz auch die 200 Meter wieder angehen. „Es wird definitiv nicht leicht wegen der starken nationalen Konkurrenz in Doha dabei zu sein“, sagt Lisa-Marie Kwayie, die allerdings auch gelernt hat, dass es nicht viel bringt, auf die anderen zu blicken. Sie möchte ihre Leistungen möglichst verbessern und dann schauen, wozu es reicht.

Video-Interview: <link video:19715>Lisa-Marie Kwayie: "Trainingslager hat Leistung angedeutet"
Video: <link video:19697>Lisa-Marie Kwyie rennt im Finale nächste Bestzeit

Das sagt Bundestrainer Ronald Stein:

In ihren Jugendjahren war Lisa verletzungsanfällig. Das haben sie und ihr Trainer Frank Paul seit anderthalb Jahren im Griff. Sie konnte kontinuierlich durchtrainieren. Dass Lisa talentiert ist, wussten wir schon aus der Jugend. In der Maximalgeschwindigkeit läuft Lisa schon sehr gute Zeiten. Im Startblock und in der Beschleunigung sind noch Reserven. Bei den 7,19 Sekunden bei den Deutschen hat sie das ganz gut hinbekommen, es geht aber noch besser. Daran kann man gezielt arbeiten.

Das nächste Ziel ist die Staffel-WM, Lisa ist durch ihre Leistungen im vergangenen Jahr und jetzt in der Halle zu einem festen Bestandteil des Teams geworden. Was die Einzelzeit angeht, ist die Norm von 11,24 Sekunden über 100 Meter absolut möglich. Im vergangenen Jahr hatte Lisa nicht unbedingt optimale Bedingungen bei ihren Rennen. Ihr Potential schätzte ich für den Sommer, wenn alles passt, auf 11,10 bis 11,15 Sekunden ein.

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