| Mein Moment 2016

Lockerheit, Freude und Talent im Viererpack

leichtathletik.de war 2016 bei zahlreichen Wettkämpfen live vor Ort und hat von großen Leistungen und den Geschichten abseits der Kunststoffbahn berichtet. In der Kategorie „Mein Moment“ schreiben unsere Reporter, welcher Augenblick der vergangenen Monate ihnen persönlich besonders in Erinnerung geblieben ist. Heute stehen vier junge Sprinterinnen im Vordergrund, die 2016 weit über die Szene hinaus für Furore und Spaß an der Leichtathletik gesorgt haben.
Silke Bernhart

Olympische Spiele in Rio. Mit absoluten Glanzmomenten und großen Enttäuschungen. Klar: Das Speerwurf-Gold von Thomas Röhler (LC Jena) hat mich vom Hocker gehauen. Zwei Medaillen im Diskuswurf der Männer mit Gold für Christoph Harting (SCC Berlin) haben mich auf Trab gehalten. Aber heute habe ich mir einen Moment rausgepickt, der zeigt, wie viel Freude und wie viel Anerkennung auch ein vierter Platz bringen kann: Ich spreche vom Auftritt der deutschen 4x100 Meter-Sprinterinnen.

Was stand da für das deutsche Team an Talent, Selbstvertrauen, Vorfreude und Lockerheit auf der Bahn! Tatjana Pinto (LC Paderborn), 24. Im Jahr 2011 U20-Staffel-Europameisterin mit Europarekord. Ich war dabei, als sie im Jahr darauf in Weinheim in 11,19 Sekunden über 100 Meter in ihr erstes Aktiven-Jahr gestartet ist. Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge), 23. In der Jugend häufig verletzt, dann dreimalige U23-Europameisterin. Gina Lückenkemper (LG Olympia Dortmund), 20. Als 15-Jährige habe ich sie bei der U20-WM 2012 erlebt. Als 18-Jährige als überragende U20-Europameisterin über 200 Meter. Und Lisa Mayer (noch LG Langgöns/Oberkleen), 20. 2013 stand sie im Finale der U18-WM über 200 Meter, 2015 wurde sie Vize-Europameisterin der U20 über die halbe Strecke.

Mitreißende Rennen

Diese Vier also bildeten 2016 das deutsche Quartett für Rio. Und katapultierten sich unter Anleitung des neuen Frauen-Bundestrainers Ronald Stein gleich im ersten Rennen in dieser Konstellation in die Weltspitze. Tatjana Pinto von der gewohnten Position drei auf die eins, Lisa Mayer auf der langen Gegengeraden, Gina Lückenkemper pfeilschnell in der Kurve und Rebekka Haase als Schlussläuferin. Nach 42,00 Sekunden stand schon am 5. Juni in Regensburg fest, dass diese Zusammenstellung goldrichtig war: Es war die schnellste Zeit einer deutschen Sprintstaffel seit 1991.

Dass diese Leistung keine Eintagsfliege war, zeigten die Rennen bei der EM, wo das Quartett Bronze holte, und schließlich bei den Olympischen Spielen in Rio. Vorlauf-Sieg für ein DLV-Quartett in 42,18 Sekunden. Und Platz vier im olympischen Finale in 42,10 Sekunden. Da mussten die Britinnen, ebenfalls mit großen Talenten ausgestattet, schon in 41,77 Sekunden Landesrekord rennen, um die Bronzemedaille hinter den überragenden USA und Jamaika zu sichern.

Stolz auf das Erreichte

Wer anschließend in der Mixed Zone Enttäuschung, Ärger oder Wehmut in den Statements der Sprinterinnen heraushören wollte, der musste schon ganz genau hinhören. "Schade" war wohl das einzige Wort mit negativem Beigeschmack, das ihnen über die Lippen kam. Ansonsten konnte man vier stolze, selbstbewusste und fröhliche junge Damen sprechen, die genau einschätzen konnten, was sie gerade geschafft hatten.

"Es ist schon lange, lange her, dass eine deutsche Staffel in einem großen Finale eine solche Zeit hingelegt hat", sagte Rebekka Haase. 28 Jahre, um genau zu sein: In Seoul holte die Staffel der DDR in 42,09 Sekunden Olympia-Silber. "Wir waren so nah dran", sagte Lisa Mayer, aber die Britinnen seien eben einfach stärker gewesen. "Mit dem vierten Platz können wir einfach nur zufrieden sein", bilanzierte Tatjana Pinto.

Fingerzeig für die Zukunft

Alle Vier wissen: Ihnen gehört die Zukunft. Und sicher wird sich keine von ihnen auf den Lorbeeren ausruhen. Denn so sehr die Athletinnen den gemeinsamen Staffel-Erfolg genießen, so ehrgeizig sind sie im Einzel, wo die eine regelmäßig die andere herausfordert – auf von Jahr zu Jahr höherem Niveau. Zudem drängen weitere Staffel-Kandidaten nach, nicht zuletzt die Olympia-Ersatzstarterinnen Alexandra Burghardt und Yasmin Kwadwo (MTG Mannheim).

Ich wünsche den jungen Sprinterinnen, dass sie sich ihre Freude, ihre Lockerheit und Leichtigkeit auch in den kommenden Jahren bewahren. Dass sie Misserfolge wegstecken und sich von Erfolgen tragen lassen. Und ich wünsche uns als Zuschauern viele weitere mitreißende Momente wie die im vergangenen Jahr. "Wir haben noch ein paar Jahre, in denen wir gemeinsam rennen können", blickte Gina Lückenkemper voraus. Ich freue mich drauf!

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