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Mathias Brugger ist bereit für den nächsten Schritt

Er war 2011 Deutschlands bester U20-Athlet und glänzte als Zweiter der U20-EM. Mit der Qualifikation für die EM der Aktiven setzte er seinen Weg auf der Erfolgsspur 2012 nahtlos fort. Dann stockte die Karriere von Zehnkämpfer Mathias Brugger. Mit starken Auftritten in der Halle hat sich der 22-Jährige jetzt in der deutschen Spitze zurückgemeldet. Der nächste Schritt soll im Sommer folgen – die 8.000 Punkte sind längst fällig.
Silke Morrissey

Mathias Brugger ist keiner, der große Töne spuckt. Selbst seine Einschätzung der vergangenen Monate klingt ruhig und zurückhaltend. Doch die Worte, die er wählt, sprechen Bände: „Das war eine sensationelle Hallensaison“, sagt er, und sogleich macht sich ein Lächeln in seinem Gesicht breit. „Und die Hallen-EM das i-Tüpfelchen – richtig geil.“

Erstmals seit vier Jahren konnte der 22 Jahre alte Athlet vom SSV Ulm 1846 wieder Mehrkämpfe unter dem Hallendach bestreiten. Dafür, dass es zwei wurden, sorgte sein Auftritt in Tallinn (Estland) Anfang Februar: Mit Bestleistung von 5.975 Punkten belegte er dort im Siebenkampf hinter U23-Europameister Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) Rang zwei – und erkämpfte sich damit nach dessen Absage einen Startplatz bei den Hallen-Europameisterschaften in Prag (Tschechische Republik).

Die innere Genugtuung über diesen Erfolg wird riesengroß gewesen sein. Mathias Brugger hatte lange darauf gewartet, dass sich wieder Topleistungen einstellen, zweieinhalb Jahre lang. Denn nach den Erfolgen als U20-Athlet – EM-Silber mit 7.853 Punkten – und der Qualifikation für die Europameisterschaften 2012 in Helsinki (Finnland) mit 7.942 Punkten war auf einmal der Wurm drin.

Verletzungen und Krankheiten

Den EM-Zehnkampf in Helsinki musste Brugger nach sieben Disziplinen abbrechen: Anriss der Patellasehne im Knie. Daraus resultierend folgten später langwierige Schambeinprobleme. Die Hallensaison 2013 musste ausfallen, im Sommer 2013 machten dann muskuläre Probleme im Beuger den nächsten Leistungsschritt zunichte.

Ende des Jahres wurde umstrukturiert. Mathias Brugger wechselte von seinem langjährigen Trainer Wolfgang Beck zu Baden-Württembergs neuem Mehrkampf-Trainer Christopher Hallmann. Beste Voraussetzungen für einen Neustart – doch der Körper spielte nicht mit. Gerade als es mit der Saison-Vorbereitung auf 2014 so richtig losgehen sollte, erkrankte Brugger an Pfeifferschem Drüsenfieber. Dann an Gelbsucht. Und an einem Salmonellen-Infekt.

2014 erster Schritt zurück

„Christopher und ich sind von Arzt zur Arzt gerannt“, erinnert sich Mathias Brugger und spricht von einem „kompletten Immunschaden“. Die Ärzte hätten ihm gesagt, er könne froh sein, wenn er Ende 2014 überhaupt einen Mehrkampf bestreiten kann.

Schließlich beendete der Ulmer im vergangenen Jahr aber sogar drei Mehrkämpfe und erzielte beim Thorpe Cup Ende Juli in Marburg mit 7.829 Punkten sein bis dato zweitbestes Zehnkampf-Ergebnis. Ein erster Schritt zurück in die deutsche Spitze. Die 7.464 Punkte der Mehrkampf-DM zum Jahresende waren schnell abgehakt – es fehlte nach der schwierigen Saisonvorbereitung schlicht die Kraft für mehr.

In Südafrika Energie getankt

Nach einer Trainingspause im Herbst kam im November und Dezember 2014 das Trainingslager des DLV TopTeams in Südafrika genau zur rechten Zeit. „Da konnte ich richtig Energie tanken“, sagt Mathias Brugger, „da habe ich den Grundstein für die Hallensaison gelegt.“ Mit Trainings-Schwerpunkten im Kugelstoßen und im Hürdensprint, zwei Disziplinen, in denen sich der Mehrkämpfer enorm verbessert hat.

Ein weiterer Baustein zum Erfolg: eine neue berufliche Situation. Im Juni beendete Brugger seine Ausbildung zum Finanzassistenten bei der Sparkasse Ulm. „Ich hatte während der Ausbildung tolle Unterstützung für den Sport“, sagt er. Doch er habe gemerkt, dass ihn die Kombination von Job und Leistungssport „sehr belastet“. Daher verzichtete er auf das Angebot eines anschließenden Studiums und einigte sich mit dem Arbeitgeber auf eine Freistellung – gleichbedeutend mit finanziellen Einschränkungen, aber auch mit der Möglichkeit, sich ganz auf den Sport zu konzentrieren.

„Jetzt kann ich jeden Tag mit Arthur trainieren. Nicht nur die eine oder andere Übung, sondern jede Einheit“, nennt Mathias Brugger einen der großen Vorteile. Sein Trainingspartner Arthur Abele, der eine noch deutlich längere Leidenszeit hinter sich hat als Brugger, hat eindrucksvoll bewiesen, wie man sich aus Tälern wieder nach oben kämpft. Mit Silber bei der Hallen-EM feierte er vor wenigen Wochen seinen größten internationalen Erfolg.

Großer Rückhalt

Auch Mathias Brugger, der in Prag mit 5.846 Punkten Elfter wurde, erlebte dort den schönsten Moment seiner Karriere. Zwar mischte er nicht ganz vorne mit, aber darum ging es auch gar nicht, zumal er wenige Tage zuvor im Training umgeknickt war und sogar kurz um den Start bangen musste. Aber er war wieder dabei bei den Besten Europas, wie schon zweieinhalb Jahre zuvor in Helsinki.

Das Besondere: Dieses Mal ging Brugger am Ende mit auf die Ehrenrunde, umjubelt von 12.000 Fans in der O2-Arena und den Personen, die ihm am wichtigsten sind: seinen Eltern und seiner Freundin Maria. Der Rückhalt von Familie und Freundin – er bedeutet dem Familienmenschen Mathias Brugger sehr viel. „Sie sind mir immer eine große Stütze.“

Saisonvorbereitung läuft gut

Mit einem Ausflug ins Prager Nachtleben wurden die Siebenkampf-Erfolge nach dem Wettkampf gebührend gefeiert. Viel Zeit war aber nicht, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Seit der vergangenen Woche ist die Ulmer Trainingsgruppe wieder zurück dort, wo schon die Erfolge der Hallensaison ihren Ursprung fanden: im Trainingslager in Stellenbosch, Südafrika.

Mathias Brugger kann weiterhin Positives vermelden. „Wir haben bisher gut trainiert“, sagt er und fügt dann mit einem Lachen hinzu: „Naja, normal trainiert, würde mein Trainer jetzt sagen. Ich fühle mich gut und stecke die Belastungen gut weg.“ Kein Wunder also, dass Coach Christopher Hallmann seinen Schützling zu den Athleten zählt, die man in der Sommersaison auf der Rechnung haben sollte.

Zehnkampf-Bestleistung im Visier

Die 8.000 Punkte – sie sind längst fällig. Schon in den vergangenen zwei Jahren standen sie im Raum, obwohl Mathias Brugger wusste, dass sie aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme kaum zu erreichen sein würden. Da war es dann die nationale Konkurrenz, die reihenweise Ergebnisse jenseits der magischen Marke erzielte. Verunsichert hat das den jungen Ulmer nicht, im Gegenteil: „Ich finde es cool, dass wir international mit Medaillenchancen starten. Das ist für mich eine extreme Motivation, dazu zu gehören“, sagt er.

Dazugehören – das sollte auch in der Endabrechnung von zehn Disziplinen nur noch eine Frage der Zeit sein, wenn es im Training weiterhin so rund läuft. Jedenfalls wird Mathias Brugger endlich wieder mit einem guten Gefühl in eine Sommersaison starten können. Auch wenn er seine Erwartungen zurückhaltend formuliert. Was er sich vorgenommen hat? „Bestleistung – ganz einfach.“ Von der sind die 8.000 Punkte ja nicht mehr weit.

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