| Porträt

Maximilian Entholzner feilt unter spanischer Sonne am Absprung

Bei seinem Heimspiel in Nürnberg verließ Maximilian Entholzner die Weitsprung-Grube als Deutscher Vizemeister. Daraufhin wurde der 24-Jährige für die Heim-EM in Berlin nominiert und durfte sich erstmals das Nationaltrikot überstreifen. Das frühe EM-Aus in der Qualifikation ist längst verarbeitet. Gegenwärtig bereitet er sich unter spanischer Sonne auf die Hallensaison vor.
Sandra Arm

Sommer im Oktober: Spaniens Hauptstadt Madrid bietet zu dieser Jahreszeit noch reichlich Sommer-Feeling mit vielen Sonnenstunden und Spitzenwerten um die 30 Grad. Anfang September hat Maximilian Entholzner (1. FC Passau) das unbeständige Wetter in Deutschland hinter sich gelassen. An erholsame Tage unter Spaniens Sonne dachte der 24-Jährige bei seiner Reise aber nicht. "Ich studiere in Madrid, eigentlich an der Technischen Hochschule in Nürnberg. Durch den internationalen Einfluss sind wir angehalten, für ein Semester ins Ausland zu gehen." Nicht zufällig fiel seine Wahl auf Madrid.

Vor einem Jahr zog ihn die Stadt erstmals magisch an – kennengelernt durch ein sechsmonatiges Auslandspraktikum bei einem großen Automobilkonzern. "Ich habe bei Daimler im Projektmanagement gearbeitet", erklärt der Student des Wirtschaftsingenieurwesens mit Schwerpunkt Maschinenbau. Nun kam die Rückkehr für drei Kurse ins sonnige Madrid. Der schöne Nebeneffekt: ein Wiedersehen mit seiner spanischen Trainingsgruppe.

Rückblick: Vor einem Jahr begann die Suche nach einem Stadion in der Nähe seines Studienortes. Gefunden hat er eine Art Olympiastützpunkt. Um dort überhaupt trainieren zu dürfen, musste er in Deutschland einen entsprechenden Antrag stellen. Nach dessen Bewilligung bekam Maximilian Entholzner eine Trainingsgruppe zugeteilt.

Training mit Olympia- und WM-Startern

Als ihm Sprungtrainer Juan Carlos Álvarez Ortiz die Gruppe vorstellte, traute er seinen Augen nicht. Sie war gespickt mit Top-Athleten, die schon bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften gestartet sind. Anfangs trainierte der junge Deutsche noch allein, Trainingspläne bekommt er aus der Ferne von Heimtrainer Dimitri Antonov (sen.) geschickt. Nichts Ungewöhnliches: "Ich studiere in Nürnberg, mein Trainer wohnt in Bad Kissingen. Man gewöhnt sich daran und es funktioniert recht gut." Ebenso für seinen Aufenthalt in Madrid.

Seine individuellen Einheiten blieben nicht unbeobachtet. "Der spanische Trainer schaute öfters zu mir und bot mir an, bei ihm mitzutrainieren. Ich habe meinem Heimtrainer davon erzählt und sollte fragen, was sie trainieren. Wir haben dann festgestellt, dass sich die Inhalte nicht wesentlich unterscheiden."

Die Einheiten mit der starken Trainingsgruppe sollten ihm einen zusätzlichen Motivationsschub für den Sommer mit den Heim-Europameisterschaften in Berlin geben. Der Saisonstart in Regensburg verlief mit 7,87 Metern gleich recht vielversprechend. Beim EM-Norm-Regen in Weinheim mit fünf Normerfüllern im Weitsprung blieb Maximilian Entholzner mit 7,82 Meter noch unter dem geforderten Richtwert für Berlin (7,95 m), doch das sollte sich bald ändern.

Norm auf ungeliebter Anlage in Oberteuringen

Eigentlich war ein Start in Oberteuringen nicht geplant. Die zahlreichen Normerfüller ließen ihm aber keine andere Wahl, als auf der "ungeliebten" Anlage zu springen. "Die Anlage ist nicht eben, sie geht mal leicht bergab, dann wieder bergauf. Das ist sehr ungewohnt. Ich bin drei Mal gestartet, nie hat es gepasst." Dafür klappte es umso mehr am 9. Juni: Mit 7,96 Metern verbesserte er seinen niederbayerischen Rekord aus dem Vorjahr um vier Zentimeter und erfüllte die EM-Norm. 2013 hatte seine Bestmarke noch bei 7,43 Meter gestanden.

Auf Oberteuringen folgte das hochkarätig besetzte Weitsprung-Meeting in Bad Langensalza. Für seinen ersten Acht-Meter-Sprung stand sich Maximilian Entholzner selbst im Weg. "Wie so oft in der Saison bin ich erst ab dem vierten Versuch im Wettkampf angekommen. In dem Moment legt sich bei mir ein Schalter um, dann läuft es." Er bestätigte mit 7,96 Meter seine neue Bestleistung. Bis zu den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg lieferte er konstante Leistungen ab. Nur der Ausreißer nach oben fehlte. Warum nicht beim Heimspiel einen raushauen?

Als EM-Neuling viel Lehrgeld bezahlt

"Auf diesen Tag habe ich mich das ganze Jahr gefreut. Es war nur schade, dass der Wettergott nicht mitspielte", sagt Maximilian Entholzner. Familie, Freunde, Studienkollegen, sie alle saßen im Stadion und fieberten mit. Ein EM-Ticket war bereits vergeben – zwei Startplätze noch frei. Dafür musste er mindestens Zweiter werden. Und das klappte mit 7,72 Metern. "Mit der Platzierung war ich zufrieden, mit der Weite überhaupt nicht", blickt er mit gemischten Gefühlen zurück.

Selbst mit verkürztem Anlauf – zwei Schritte weniger – waren die Probleme offensichtlich. "Wir haben vor der DM festgestellt: Ich springe überhaupt nicht ab und gewinne dadurch keine Höhe. Ich habe viel zu viel Horizontalgeschwindigkeit. Wir haben daraufhin den Anlauf verkürzt. Nach der DM-Auswertung sind wir zur Erkenntnis gekommen, dass sich nichts geändert hat. Bei der EM sind wir deswegen zum alten System zurückgekehrt."  

Bei der EM in Berlin wurde wenige Wochen später ein Traum wahr. "Es war für mich das erste Mal, dass ich das Nationaltrikot getragen habe und das erste Mal, dass ich im Olympiastadion gesprungen bin." Aber mehr als 7,46 Meter gingen für ihn am Tag "Q" nicht ins Protokoll ein. "Mit dem Ausgang war ich überhaupt nicht zufrieden. Ich konnte kein Sprunggefühl entwickeln. Ich stand total neben mir. Ich habe bei meinem ersten EM-Start viel Lehrgeld bezahlt", gibt sich der EM-Neuling selbstkritisch. Das Finale musste er als Zuschauer verfolgen, aber mit viel Freude. Team-Kollege Fabian Heinle (VfB Stuttgart) wurde Vize-Europameister. "Ich habe Fabi die Medaille sehr gegönnt. Ich wusste schon, dass er was reißen kann."

Ziele 2019: Hallen-EM und Aufnahme in Acht-Meter-Club

Nach seinem Quali-Aus überwog irgendwann doch das positive Gefühl. "Es war meine erste internationale Meisterschaft. Ich hatte eine gute Saison und habe alles erreicht, was ich erreichen wollte – außer die acht Meter." Nach der EM begann die Off-Season, es ging in den Urlaub. Seit einem Monat ist er zurück in Madrid – die "vier härtesten Wochen der Vorbereitung" liegen hinter ihm. Bis zum Start in die Hallensaison liegt noch viel Arbeit vor Maximilian Entholzner, der im Übrigen auch ein guter Sprinter ist. Im Vorjahr lief er die 100 Meter bei perfekten Bedingungen in 10,29 Sekunden und schob sich auf Rang fünf der deutschen Bestenliste. "Es ist schön noch eine andere Disziplin als Abwechslung zu haben. Ich springe aber lieber weit."

Um nächstes Jahr die acht Meter angreifen zu können, wird alsbald kräftig am Sprungsystem gefeilt. Eventuell fällt die magische Marke schon in der Hallensaison, er will sich für die Hallen-EM in Glasgow (Großbritannien; 1. bis 3. März 2019) qualifizieren. Auf diesem Weg ist zu Jahresbeginn ein Trainingslager auf den kanarischen Inseln geplant, Stellenbosch (Südafrika) im Dezember muss er auslassen. Die letzten Prüfungen im Studium stehen an, seine Bachelorarbeit über "die Zukunft der urbanen Mobilität" (Szenarioanalyse) hat er erst vor wenigen Tagen abgegeben. So bleibt neben Studium und Training vielleicht noch ein bisschen mehr Zeit, um die spanische Sonne zu genießen.

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