| Rückblick

Mein Moment 2017: Absurdes Theater bei der Hallen-EM

Wir haben mitgefiebert, mitgelitten, mitgejubelt. Und ganz viel notiert, getippt, gefilmt und fotografiert. Nun ist die Leichtathletik-Saison 2017 fast zu Ende, und es ist Zeit für ganz persönliche Rückblicke. In unserer Serie „Mein Moment“ beschreiben einige Mitarbeiter der leichtathletik.de-Redaktion, welche Szenen ihnen in den vergangenen Monaten ganz besonders im Gedächtnis geblieben sind. Heute im Fokus: eine heikle Situation bei der Hallen-EM in Belgrad (Serbien), die zum Glück ohne Folgen blieb.
Jan-Henner Reitze

Maskottchen „Hero the Hedgehog“ seilt sich aus dem Dach des Londoner Olympiastadions ab. Usain Bolt (Jamaika) dreht seine letzte Ehrenrunde. Johannes Vetter (LG Offenburg) schleudert seinen Speer im hochklassigsten WM-Finale der Geschichte zu Gold. Die Weltmeisterschaft in London (Großbritannien) hatten große Show-Elemente, den Abschied einer Legende und zahlreiche Spitzenleistungen zu bieten. Alles bleibt in Erinnerung. „Mein Moment“ des Jahres 2017 ist dennoch ein anderer, eher eine Randnotiz aus der Kategorie „absurdes Theater“. Auch diese gehören zum Reporterleben dazu, sind etwas spezieller als das, was auf der Hand liegt und bleiben vielleicht auch deshalb besonders im Gedächtnis hängen.

Dieser Moment läuft bei mir in Gedanken in Zeitlupe ab und wird unweigerlich mit einer bekannten Film-Melodie unterlegt, der vom „Weißen Hai“. In der Szene in meinem Kopf geht die Gefahr allerdings nicht von einem menschenfressenden Pappmaché-Hai aus, sondern von einer 7,26 Kilo schweren Eisenkugel, die sich auf die 60-Meter-Sprintbahn verirrt hat und diese etwa mit dem gleichen Tempo entlangrollt, wie eine internationale Spitzen-Weitspringerin anläuft. Aber von vorn. Das Ganze spielte sich bei der Hallen-EM in Belgrad (Serbien) ab.

Unfreiwilliges Lauf-Duell mit einer Kugel

Alle Augen richteten sich auf die Qualifikation im Kugelstoßen der Männer. Die Hoffnung der Gastgeber Asmir Kolasinac (Serbien), Hallen-Europameister von 2013, ging zu seinem dritten Versuch in den Ring und musste sich für den Einzug ins Finale steigern. Doch dem Drehstoßer rutschte die Kugel aus der Hand, sie fiel von oben auf das Abfangnetz, tanzte darauf, fiel statt zurück in die Kugelstoßanlage auf der Seite der Bahn herab und rollte von Bahn sechs aus schräg die 60-Meter-Sprintbahn entlang.

Just im selben Augenblick startete parallel zur Sprintgeraden Claudia Salman-Rath (LG Eintracht Frankfurt) ihren Anlauf zu ihrem ersten Quali-Versuch und lieferte sich unwissentlich ein Rennen mit der Kugel: Würden sich ihre Wege kreuzen? Die Sekunden dieses Moments wurden endlos langgezogen. Doch zum Glück nahm die Kugel ihren Weg nur so weit quer über die Bahn, dass sie auf Bahn eins das Ziel erreichte und austrudelte. Die Weitsprunganlage direkt daneben verfehlte sie.

Claudia Salman-Rath bekam von der Kugel absolut nichts mit und landete bei 6,79 Metern. Bestleistung und Finale gebucht, in dem sie mit 6,94 Metern noch einen draufsetzte und Bronze gewann. Dass ihr auf dem Weg zu ihrer bisher besten internationalen Platzierung fast eine Kugel in die Quere gekommen wäre, bleibt damit eine Randnotiz, die kaum jemand mitbekommen hat. Nicht einmal die Athletin selbst. Zum Glück.

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