| Interview

Patrick Domogala:"Die WM nicht vorm Fernseher verfolgen"

Sprinter Patrick Domogala (MTG Mannheim) konnte bei den Deutschen U23-Meisterschaften vor zwei Wochen in Wetzlar trotz Verletzungsproblemen seinen Titel über 100 Meter in beeindruckender Manier verteidigen. Im Gespräch mit der Zeitschrift "Leichtathletik" blickt er auf die noch anstehenden Großereignisse – und formuliert klare Ziele.
Daniel Becker

Patrick Domogala, in den letzten Wochen haben Leistenprobleme Sie am gewohnten Training gehindert. In welchem Umfang konnten Sie sich auf die U23-DM in Wetzlar vorbereiten?

Patrick Domogala:

Diese Problematik begleitet mich seit dem Ende der World Relays auf den Bahamas Anfang Mai. Danach habe ich zwei Wochen lang überhaupt gar keinen Sport machen können. Nach Absprache mit den Verbandsärzten Dr. Helmut Schreiber und Dr. Volker Steger konnte ich dann zwar wieder mit dem Training anfangen, aber das normale Pensum konnte ich sowohl in der Quantität als auch in der Qualität nicht durchführen. Die Vorbereitung war also schon ganz anders als in den letzten Jahren.

Trotz der Verletzungsprobleme im Vorfeld konnten Sie in Wetzlar über 100 Meter den Titel gewinnen und Ihre Bestzeit auf 10,30 Sekunden verbessern. Wie erklären Sie sich diese Leistung?

Patrick Domogala:

Ich habe im Winter durchtrainiert. Nach der Hallen-Saison habe ich mit meinem Trainer eine knallharte Vorbereitung durchgezogen. Ich lebe noch von einer gewissen Substanz, die ich mir erarbeitet habe. Ich denke, dass wir mit den Ärzten, den Physios und mit meinem Trainer trotz dieser Probleme gut improvisiert haben. Ich war mir zwar trotzdem unsicher, ob ich die Form würde halten können, aber anscheinend hat es funktioniert und ich kann noch richtig schnell  laufen. Mein Trainer hat mir immer das nötige Selbstvertrauen und die Motivation vermittelt, dass ich trotz reduziertem Training auf hohem Niveau laufen kann.

Für die U23-EM in Tallinn (Estland; 9. bis 12. Juli) sind Sie über 100 Meter sowohl für den Einzel- als auch für den Staffel-Start nominiert worden. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Patrick Domogala:

Aufgrund der Verletzungsproblematik, um die sich im Moment alles irgendwie dreht, möchte ich in erster Linie so beschwerdefrei  wie möglich bis zur EM durchkommen. Vor Ort wird man dann sehen, was möglich ist. Ich denke aber, dass ich mit der Zeit keine schlechte Rolle spiele, und wenn ich die Leistung dort abrufen kann, ist es ein realistisches Ziel, im Einzelrennen ins Finale zu laufen. Es ist aber sicher von den Bedingungen und vom Tageszustand abhängig. Mit der Staffel haben wir noch nicht so viele Rennen gehabt, werden aber in Mannheim bei der Gala wieder laufen. Dann werden wir sehen, wo wir mit unserer Zeit stehen. Ich denke aber, als deutsche Staffel kann man immer aufs Podest laufen.

In den letzten Jahren haben Sie sich mit Robert Polkowski immer wieder enge Duelle geliefert. Der Kölner lief zwar in Wetzlar nur auf Rang sechs, doch in Tallinn gehen Sie gemeinsam an den Start. Wie würden Sie Ihre Konkurrenzsituation beschreiben?

Patrick Domogala:

Wir kommen beide miteinander richtig gut klar. Wir wussten zwar immer, dass wir gegeneinander laufen, das war aber nie ein Problem. Im Gegenteil: Wir haben uns immer auf die Duelle gefreut, und ich bin der Meinung, dass wir uns gegenseitig gepusht haben, speziell letztes Jahr in Wesel, als es besonders eng war. Es ist immer schön, gegen ihn zu laufen, und treibt mich eher an, als dass es mich negativ beeinflussen würde.

Wie wichtig ist es, vor allem auch im Jugendbereich ähnlich starke Gegner zu haben und nicht schon vor jedem Rennen zu wissen, dass man am Ende ganz vorne landet?

Patrick Domogala:

Sehr wichtig. Aber auch im Männerbereich haben wir eine unheimliche Dichte, und wahrscheinlich sind auch dadurch die Leistungen in den letzten Jahren etwas stärker geworden. Man kann sich keine Fehler erlauben und gibt vielleicht auch im Training noch mal fünf Prozent mehr. Ich denke, die Konkurrenzsituation sowohl im Jugend- als auch im Männerbereich ist für alle förderlich.

Wo liegt Ihrer Meinung nach ihr größtes Steigerungspotenzial? Orientieren Sie sich in den Bereichen, in denen Sie sich verbessern wollen, national und international an anderen Sprintern?

Patrick Domogala:

Es ist ja kein Geheimnis, dass bei mir die Beschleunigung das große Manko ist. Im fliegenden Bereich bin ich schon sehr gut, da sind auch im Männerbereich eigentlich gar keine Unterschiede festzustellen. Die Beschleunigungsphase muss sich verbessern, um langfristig noch schneller zu laufen. Zum zweiten Teil der Frage: Weder national noch international eifere ich Vorbildern nach, aber schaue mir beispielsweise ab, wie andere Sprinter mit Stress-Situationen umgehen. Die EM in Zürich war ein Event, bei dem ich viel gelernt habe. Man sieht dort einfach, dass die guten Jungs mit Stress gelassen umgehen können. Und diese Gelassenheit versuche ich dann auf mich zu projizieren. Es gibt in der Trainingslehre sicherlich Parallelen mit dem einen oder anderen, aber auch Athleten, die ganz anders trainieren. Letztlich können viele Wege zum Ziel führen.

Bleiben wir im Bereich der arrivierten Sprinter: Nach der U23-EM steht mit den Weltmeisterschaften in Peking (China; 22. bis 30. August) eventuell auch für Sie noch ein ganz großes Saison-Highlight auf dem Programm. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, in der Staffel laufen zu können?

Patrick Domogala:

Ich war im letzten Jahr bei der EM in Zürich als Ersatzmann dabei und bin dieses Jahr auf den Bahamas bei den World Relays in der Staffel gelaufen. Dieses Jahr haben wir ja die Konstellation, dass aufgrund von Krankheits- und Verletzungsproblemen die drei, die auch bei der Hallen-EM richtig gut waren (Anm. d. Red.: Julian Reus, Christian Blum, Lucas Jakubczyk), noch nicht in die Saison eingestiegen sind. Man muss einfach abwarten, was passiert, aber klar möchte ich den Saison-Höhepunkt so weit wie möglich nach hinten hinausschieben. Ich möchte die WM nicht vor dem Fernseher verfolgen, sondern ich möchte dabei sein.

Bei den World Relays auf den Bahamas haben Sie die deutsche Staffel schon als Schlussläufer zur Olympia-Qualifikation für Rio 2016 geführt. Denken Sie schon an die Olympischen Spiele und haben Sie sich auch dafür Ziele gesetzt?

Patrick Domogala:

Natürlich habe ich im Hinterkopf, dass nächstes Jahr Olympische Spiele sind, aber ich konzentriere mich schon eher auf das Hier und Jetzt. Bei den World Relays kamen die Gedanken an Olympia natürlich hoch, denn es ging dort einzig um die Qualifikation für Rio. Es war super für uns, dass wir uns, vor allem in der Konstellation und trotz der Verletzungsprobleme der anderen, qualifizieren konnten. Fakt ist aber natürlich auch, dass es das Ziel ist, in irgendeiner Form bei Olympia dabei zu sein. Aber die Dichte ist so hoch und man sieht ja, wie schnell man aufgrund von Verletzungen auch mal raus sein kann. Es gibt einfach keine Garantie.

Angenommen, Sie könnten sich nur einen dieser drei Wünsche erfüllen: der erste deutsche Sprinter zu sein, der – bei regulären Bedingungen – die 100 Meter unter 10 Sekunden läuft, Europameisterschafts-Gold im Einzel oder Olympia-Bronze in der Staffel? Für welchen würden Sie sich entscheiden?

Patrick Domogala:

Da muss ich keine Sekunde überlegen: Oympia-Bronze in der Staffel.

<link>Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift

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