| Interview

Richard Ringer: "Zwei Optionen für WM in Doha offen halten"

Bei den Deutschen 10.000 Meter-Meisterschaften in Essen blieb Richard Ringer (LC Rehlingen) am Wochenende mit seiner Siegerzeit zwar deutlich hinter der WM-Norm für Doha. Die Vorgabe für die Welttitelkämpfe in der Hauptstadt Katars hatte der 30-Jährige jedoch schon im Vorjahr beim Europacup in London mit Bestzeit von 27:36,52 Minuten erfüllt. Im Interview spricht der Titelverteidiger über seine Ziele für den diesjährigen Cup und die WM.
Peter Middel

Richard Ringer, das Rennen hat recht locker ausgesehen. Wie hat sich der Lauf angefühlt?

Richard  Ringer:

Ich bin auf jeden Fall zufrieden, denn es war bereits mein dritter DM-Titel in diesem Jahr. Wir hatten vor dem Lauf abgemacht, dass Felix Rüger bis 4.000 Meter für die entsprechende Pace sorgt. Diese Aufgabe hat er hervorragend erledigt. Anschließend habe ich die Initiative ergriffen, um das Tempo hoch zu halten. Als wir bei 5.000 Metern eine Durchgangszeit von 14:23 Minuten hatten, wusste ich, dass ich noch etwas tun musste. Denn ich hatte mir vorgenommen, unter 28:30 Minuten zu bleiben. Zwischenzeitlich haben auch andere Läufer aus der Spitzengruppe Tempo gemacht. Das war eine Erleichterung für mich, denn ich konnte mich so etwas erholen.

Fünfeinhalb Runden vor Schluss habe ich mich abgesetzt, sodass ich gegen den Wind alleine ankämpfen musste. Ich habe mich zum Schluss nur noch auf mich selbst konzentriert. Es war von mir ein super kontrolliertes Rennen, bei dem ich im Hinblick auf die weiteren wichtigen  Herausforderungen in diesem Jahr nicht alles gegeben habe. Für mein erstes Bahnrennen in diesem Jahr geht meine Zeit von 28:28,89 Minuten völlig in Ordnung. Sie entspricht meiner Zielvorstellung. Es war für mich ein hervorragendes Training unter Wettkampfbedingungen.

Ihre tatsächlichen Möglichkeiten über 10.000 Meter wollen Sie wahrscheinlich erst wie im vergangenen Jahr beim Europacup in London aufdecken...

Richard  Ringer:

Das ist richtig. Für mich steht jetzt aber erst einmal das 5.000 Meter-Rennen in Tübingen im Fokus. Bei 13:22,50 Minuten steht die WM-Norm über diese Distanz. Obwohl ich aus dem Jahr 2015 eine Bestzeit von 13:10,94 Minuten habe, ist das für mich schon eine große Herausforderung. Im Hinblick auf die WM möchte ich mir neben den 10.000 Metern mit den 5.000 Metern eine weitere Option offen halten. Auch der Europacup am 7. Juli in London hat einen recht hohen Stellenwert für mich. Dort möchte ich eine ähnlich gute Leistung wie im vergangenen Jahr abliefern. Allerdings bin ich mir bewusst, dass ich dann circa eine Minute schneller laufen muss als in Essen.

Sie sind direkt nach ihrem dreiwöchigen Trainingslager in St. Moritz in Essen gestartet. War das nicht ein zu großes Wagnis?

Richard  Ringer:

Das war der Grund, weshalb ich in Essen gelaufen bin. Ich hätte auch in Rehlingen starten können, aber eine Deutsche Meisterschaft ist für mich immer noch etwas Besonderes. Ich habe zwei Tage vor der DM noch in St. Moritz trainiert, bin dann nach Essen gefahren und habe dort einen Tag vor der Veranstaltung noch ein einstündiges Abschlusstraining absolviert. Selbst am Morgen vor dem Rennen bin ich noch eine halbe Stunde gelaufen. Ich wollte nämlich einmal testen, wie ich die Rückkehr aus der Höhe verkrafte, und wie ich den zeitlichen Ablauf abstimmen muss. Ich habe mich recht gut gefühlt. Allerdings bin ich nicht voll gefordert worden. So hielt sich meine Belastung für den weiteren Saisonverlauf in Grenzen. Das war gut so. Positiv war natürlich auch, dass die Anreise nach Essen für mich nicht so aufwendig war.

Sie haben sich nicht nur in St. Moritz, sondern auch in Kenia und Flagstaff auf die WM-Saison vorbereitet. Was das nicht etwas zu viel des Guten?

Richard  Ringer:

St. Moritz war im Grunde genommen für mich nur ein Aufenthalt in der Höhe und kein Höhentrainingslager, denn ich bin keine 190 Kilometer pro Woche mehr gelaufen. Das Meiste waren 160 Kilometer, weil ich mich dort schon auf die kommenden Wettkämpfe vorbereitet habe. Die schnelleren Einheiten habe ich zusammen mit Sebastian Hendel im 300 Meter niedriger gelegenen Chiavenna, wo es auch wärmer war, absolviert. Dort haben wir die Tempoläufe so durchgeführt, wie wir es von zuhause gewohnt waren. In der Höhe hätten wir nämlich wegen des geringeren Sauerstoffs nicht so viel Tempo entwickeln können. Wir haben diesen Wechsel einmal ausprobiert, und es hat alles gut funktioniert.

Welche Strecke möchten Sie in Doha laufen?

Richard  Ringer:

Ich möchte bei der WM gerne über 5.000 Meter starten, daher zählt das Rennen in Tübingen zu meinem Pflichtprogramm. Ich möchte dort unter den geforderten 13:22,50 Minuten bleiben, denn damit hätte ich dann auch einen Leistungsnachweis für meinen eventuellen WM-Start über 10.000 Meter, der bei 13:30 Minuten liegt, erbracht. Alternativ müsste ich 28:00 Minuten über 10.000 Meter abliefern.

Müssen Sie bezüglich der kommenden wichtigen Rennen im Training noch Veränderungen vornehmen?

Richard  Ringer:

Bisher stand vornehmlich die Ausdauer im Vordergrund. Jetzt muss ich schauen, dass ich richtig Geschwindigkeit entwickle. Ich werde ein paar schnelle Intervalle und Tausender in mein Programm aufnehmen. Hinzu kommen einige Wettkämpfe, die zu diesem Training passen. Der 5.000 Meter-Lauf bei der WM ist erst in dreieinhalb Monaten, die 10.000 Meter-Entscheidung erst in vier Monaten. Da habe ich noch genügend Zeit, um mich auf Doha vorzubereiten, um dort absolut fit an den Start  gehen.

Wie sieht bei den hohen Trainingsbelastungen Ihr Alternativ-Training aus?

Richard  Ringer:

Ergänzend zum Lauf schwimme ich gerne. Das hält die Muskulatur schön geschmeidig. Ich würde noch lieber Fahrradfahren, aber da ist mir die Sturzgefahr zu groß. Ich möchte mir nämlich nicht durch einen Fahrradunfall die ganze Saison verderben. Zur Verbesserung meiner Athletik nutze ich oft auch das Schlingentraining, das mir sehr gut tut.

Sie sind am 7. April beim Halbmarathon in Berlin die vielversprechende Zeit von 62:10 Minuten gelaufen. Wie sehen Ihre Straßenlaufambitionen aus?

Richard  Ringer:

Mit dem Straßenlauf will ich mich erst intensiver nach den Olympischen Spielen in Tokio beschäftigen. Der Halbmarathon in Berlin, vor dem ich ebenfalls kurz vorher aus einem Höhentrainingslager kam,  hat gut in meine Wettkampfplanung gepasst, weil die WM-Saison doch recht lang ist. Nach dem Lauf in Berlin waren für mich erst einmal zwei Wochen Ruhe angesagt, um zu regenerieren, denn innerhalb von zwei Wochen verliert man nichts. Nach der Regenerationsphase habe ich wieder neu aufgebaut, das war eine gute Entscheidung.

Der Marathon übt sicherlich einen großen Reiz auf Sie aus. Wann wollen Sie sich in dieses Abenteuer stürzen?

Richard  Ringer:

Das ist mein Traum, aber ich warte noch bis zu den Spielen 2024 in Paris. Als ich bei den Olympischen Spielen in Rio den Marathonlauf mitverfolgt habe, war das für mich das Highlight, und ich habe mir gesagt: 'Da möchte ich in einigen Jahren auch einmal dabei sein.' Bis 2024 habe ich noch genügend Zeit, mich auf diese Herausforderung vorzubereiten. Dann bin ich im richtigen Marathon-Alter.

Für den Marathon werden Sie sicherlich auch einige Veränderungen im Training und in der Wettkampfplanung vornehmen müssen. Haben Sie da schon Überlegungen getroffen?

Richard  Ringer:

Konkret bisher noch nicht. Da ich bislang noch keine Erfahrungen mit dem Marathon-Training habe, werde ich vielleicht die Zusammenarbeit mit einem Team suchen oder ich werde versuchen, noch einmal mit einem Trainer zu kooperieren. Das werde ich mir auf jeden Fall rechtzeitig überlegen.  

Für die 42,195 Kilometer lange Strecke müssen Sie Ihren jetzigen Trainingsaufwand sicherlich noch höher schrauben. Wollen Sie in Zukunft nur auf die Schiene Sport setzen, oder wollen Sie weiter beruflich tätig sein?

Richard  Ringer:

Mein Arbeitgeber, die Rolls-Royce Power Systems, trägt mit einer inhaltlich sehr interessanten und zeitlich flexiblen Teilzeitstelle im Controlling zu meinen sportlichen Erfolgen bei. Je nach Trainings- und Wettkampfphase kann ich meine Arbeitszeit gestalten. Dafür bin ich unwahrscheinlich dankbar. Ich werde diese Tätigkeit zugunsten des Sports nicht aufgeben. Der technische Wandel wird nämlich zunehmend immer schnelllebiger, da liegt die Gefahr nahe, dass man beruflich plötzlich den Anschluss verliert. Dies möchte ich auf jeden Fall verhindern.

Mehr:

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