| Interview

Robert Harting: "Zunehmend schwer, sich mit weniger zufrieden zu geben"

Vor genau zehn Jahren gewann Robert Harting (SCC Berlin) seine erste DM-Goldmedaille – im Steigerwaldstadion von Erfurt. An selber Stelle könnte sich der 32-Jährige am Samstag seinen zehnten Titel holen. leichtathletik.de sprach mit dem Diskus-Olympiasieger von 2012 über seine DM-Ziele, sein sportliches Leistungsvermögen, Aushängeschilder in der deutschen Leichtathletik und Pläne für das Karriere-Ende nach den Europameisterschaften 2018 in Berlin.
Jane Sichting

Robert Harting, vor zehn Jahren haben Sie bei den Deutschen Meisterschaften in Erfurt mit 63,79 Metern Ihren ersten Titel geholt. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Wettkampf?

Robert Harting:

Ich weiß noch, dass es geregnet hat und ich mich im letzten Versuch dafür entschieden hatte, etwas zu riskieren. Das hat dann auch ganz gut funktioniert und ich habe gewonnen. Das Stadion kannte ich bereits von meinem Sieg bei den U23-Europameisterschaften 2005. Inzwischen sieht das Stadion ja wieder gänzlich anders aus.

Mit Ihrer Saison-Bestweite von 66,30 Metern führen Sie am Samstag die Meldeliste an und könnten Ihren zehnten Titel gewinnen. Welche Bedeutung hat das für Sie?

Robert Harting:

Entscheidend ist nicht, ob ich gewinne oder verliere, sondern ob ein Wettkampf für sich spricht, wie zum Beispiel die Deutschen Meisterschaften letztes Jahr in Kassel, bei denen ich gewonnen habe. Es ist die Besonderheit des Wettkampfes, welcher ihn bedeutend macht oder eben nicht.

Ihr persönlicher Rekord liegt bei 70,66 Metern und stammt aus dem Jahr 2012. Wie zuversichtlich sind Sie, noch einmal in diesen Bereich werfen zu können und die 70 Meter-Marke erneut zu übertreffen?

Robert Harting:

Ich weiß, was ich zu der Zeit konnte, sowohl körperlich als auch geistig. Ich befand mich sozusagen in der Blüte meiner Trainingsinhalte. Nach meinen Verletzungen werfe ich nun mit der Stützwurf-Technik. Damit bin ich zwar weltweit immerhin der zweitbeste Werfer hinter Lars Riedel, doch entgegen der Umsprung-Technik in den Weiten limitiert. Bei ausgereifter Bewegung sind mit dem Stützwurf sicherlich 67 Meter möglich.

Der Europäische Leichtathletik-Verband hat Bestrebungen formuliert, bestehende Rekordlisten ab 2018 zugunsten der besseren Vergleichbarkeit neu zu führen. Was halten Sie von der Idee?

Robert Harting:

Ich denke, dass neue Rekordlisten eine Möglichkeit wären, der historischen Leichtathletik sowie ihrer Dopinggeschichte zu entfliehen. Um neue Rekorde führen zu können, sind meiner Ansicht nach aber auch Änderungen in den Regularien notwendig. Zum Beispiel könnte das Gewicht des Diskusgerätes auf 2.001 Gramm erhöht werden. Damit wären neue Voraussetzungen gegeben und eine Zurücksetzung alter Rekorde nicht erforderlich.

Vor Ihrem Saisoneinstieg in Rehlingen Anfang Juni waren Sie aufgrund von Verletzungen zu einer Wettkampfpause von 275 Tagen gezwungen. Wie sieht Ihr aktueller Gesundheitszustand aus?

Robert Harting:

Der Gesundheitszustand ist unverändert. Das ist für mich ein bisschen langweilig, weil ich in meiner Leistungsfähigkeit begrenzt bin. Natürlich kämpfe ich trotzdem und bin sehr ehrgeizig im Training. Dafür, dass ich erst im März angefangen habe, wieder zu werfen, läuft es auch ganz gut. Aber wenn man weiß, wie gut man mal war, dann fällt es zunehmend schwer, über eine längere Phasen hinweg immer wieder Abstriche zu machen und sich mit weniger zufrieden geben zu müssen.

Sind die gesundheitlichen Probleme auch ein Grund dafür, dass Sie Ihre Leistungssport-Karriere nach den Europameisterschaften 2018 in Berlin beenden wollen?

Robert Harting:

Das spielt sicherlich mit rein, ja. Aber ich wollte nie steinalt im Diskuswurf werden und ich denke, mit 33 Jahren ist ein guter Zeitpunkt erreicht, sich anderen Dingen zu widmen. Wichtig ist ja immer auch der Spaß bei der Arbeit. Und auf Dauer ist es für einen ehrgeizigen Athleten wie mich einfach nicht zufriedenstellend, immer wieder Abstriche machen zu müssen.

Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach dem Karriere-Ende? Wird man Sie vielleicht sogar als Sportfunktionär wiedertreffen?

Robert Harting:

In der Sportpolitik oder als Trainer sehe ich mich derzeit nicht, da stimmen meine Vorstellungen von Leistungssport noch zu wenig mit den aktuellen Gegebenheiten überein. Ich bin aber ein leidenschaftlicher Gestalter, ob nun im Diskusring oder in der Produktentwicklung. Auch die Projektentwicklung gefällt mir gut.

Sie gelten noch immer als ein Aushängeschild der deutschen Leichtathletik. Doch bereits bei den Team-Europameisterschaften vor zwei Wochen haben Sie das Zepter des Teamkapitäns an die Speerwerferin Katharina Molitor (TSV Bayer 04 Leverkusen) abgegeben. Ist es Zeit für neue Leitfiguren im DLV?

Robert Harting:

Das war eine bewusste Entscheidung, die ich dem Verband nach 2016 auch entsprechend mitgeteilt habe. Solch eine Aufgabe ist extrem kräftezehrend. Ich zerbreche mir da immer viel den Kopf und will alles so gut wie möglich machen. Da mein Energiehaushalt derzeit jedoch reduziert ist, will ich meine letzten zwei Jahre im Leistungssport nur in mich und nicht in institutionelle Aufgaben investieren.

Der Speerwerfer Thomas Röhler (LC Jena) ist nach seinem Olympiasieg 2016 in Rio de Janeiro das Aushängeschild der Deutschen Meisterschaften in Erfurt. Glauben Sie, dass er in Ihre Fußstapfen treten kann und langfristig das Potenzial als Leitfigur der deutschen Leichtathletik hat?

Robert Harting:

Es freut mich total, dass wir im Speerwerfen gerade eine solche Leistungsexplosion im deutschen Team erleben. Ein Dank an den Bundestrainer Boris Obergföll! Da hat einer verstanden, worum es im Speerwurf-Training geht. Mit Thomas Röhler und Johannes Vetter haben wir zwei echte Typen, die sich gegenseitig gern ein bisschen sticheln. Die Jungs sind locker und sehen den Konkurrenzkampf nicht so verbissen. In den kommenden Jahren wird es spannend werden, wer von den Beiden als neues Aushängeschild fungieren wird. Wichtig ist nur, dass die guten Werte des Sports vertreten werden und die Leichtathletik unterhaltsam ist.

Sie haben in dieser Saison die geforderte Norm von 65,00 Metern für die Weltmeisterschaften in London bereits dreimal übertroffen. Wie bereiten Sie sich auf den Saisonhöhepunkt vor?

Robert Harting:

Die Weltmeisterschaften stehen für mich absolut im Fokus. Ich befinde mich bereits seit zwei Wochen in einem gezielten Training für die Weltmeisterschaften und bin bereit, gegen die Besten der Welt anzutreten. Ich freue mich aber auch schon, wenn die Saison dann endlich vorbei ist. Es ist doch auch immer sehr anstrengend, mit mir selbst zu arbeiten. (lacht)

Haben Sie sich auch konkrete Ziele, wie etwa eine Platzierung unter den Top Drei, gesetzt?

Robert Harting:

Ich bin auf jeden Fall bereit, mein Bestes zu geben und so weit wie möglich zu werfen. Medaillenchancen rechne ich mir aber nur aus, wenn die Bedingungen anstrengend sind oder die anderen stolpern.

Bei den Olympischen Spielen in Rio hatten Sie sich am Vorabend der Qualifikation beim Lichtausmachen einen Hexenschuss eingefangen. Haben Sie sich für die WM in London schon überlegt, wie Sie es besser machen?

Robert Harting:

(lacht) Auf jeden Fall werde ich dazu aufstehen und keine akrobatischen Verrenkungen machen.

 

Robert Harting live erleben!

<link>Tickets für die Deutschen Meisterschaften am 8./9. Juli in Erfurt

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