| Runder Geburtstag

Rudi Thiel – Kosmopolitischer ISTAF-Macher wird 90 Jahre

An diesem Mittwoch feiert der Berliner Rudi Thiel seinen 90. Geburtstag. Einen Namen in der Leichtathletik machte er sich vor allem als Meetingdirektor des Internationalen Stadionfestes (ISTAF) Berlin. Von 1968 bis 2000 führte er dieses internationale Spitzenmeeting und konnte zahlreiche Stars für einen Start im Olympiastadion verpflichten.
Peter Grau / pr

Es gibt wenige Sportfunktionäre, die in der Welt der Leichtathletik einen solch' bleibenden Eindruck hinterlassen haben wie Rudi Thiel. Bei den ISTAF-Pressekonferenzen konnte man sehen, welche große Zahl an Spitzenathleten aus der internationalen Leichtathletik Rudi Thiel nach Berlin holte. Unter den Teilnehmern waren etwa Carl Lewis, Carlo Thränhardt oder Donovan Bailey. Zu vielen Stars pflegte der gebürtige Berliner ein freundschaftliches Verhältnis.

Der heute 90-Jährige war früher selbst Leichtathlet: Mit 14 Jahren trainierte er 1942 erstmals beim TSV Schöneberg, später war er dann ab 1949 im neu gegründeten Olympischen Sportclub (OSC) auf den Mittelstrecken aktiv. In Chemnitz lief er 1951 seine 1.500-Meter-Bestzeit von 4:10,8 Minuten.

Vom Läufer zum Strippenzieher

Schon bald arbeitete Rudi Thiel in der Organisation mit, wurde Männersportwart und hatte dann seine erste große Bewährungsprobe: In der Schöneberger Sporthalle gab es ein Sportfest, dessen Leitung er übernahm und das er 1983 in das renommierte Berliner Springermeeting umwandelte. Dem legendären Stabhochspringer Sergej Bubka ermöglichte Thiel einen mehrjährigen Aufenthalt in Berlin, wo der ehemalige ukrainische Weltrekordler fast bis ans Hallendach sprang. Schon damals wurde in der Hauptstadt Stabhochsprung und Hochsprung mit Musik zelebriert.

Für Rudi Thiel waren das die „Kammerspiele der Leichtathletik“, die aber nur das Vorspiel waren. Sein großer Auftritt kam mit der Übernahme des ISTAF. „Ich war schon immer ein Kosmopolit, hatte mich in den 50er Jahren um internationale Begegnungen bemüht,“ erzählte Thiel einmal. „Folgerichtig war, dass ich bereits seit 1949 im Organisationsstab des ISTAF mitarbeitete und für die Athletenbetreuung zuständig war.“ 1968 übernahm er dann als Meetingdirektor die Gesamtleitung. 

1983 strömen 60.000 Zuschauer ins Olympiastadion

Doch ein Selbstläufer war diese Veranstaltung anfangs nicht. „Für Sponsoring war es noch zu früh, das Fernsehen hielt sich zurück. Den richtigen Durchbruch hatte ich für 1972 geplant, weil der Termin, zwei Tage nach der Schlussfeier der Olympischen Spiele in München, sehr günstig erschien. Doch dann machte mir das Attentat auf die Israelis einen Strich durch die Rechnung. Wir mussten das Meeting absagen, und es folgten zwei Jahre Pause", erinnerte sich Thiel.

Aber unterkriegen lassen wollte sich der Organisator nicht. „1974 folgte mit 20.000 Zuschauern ein Neustart, und 1983 ein echter Höhepunkt, als mit dem Rückenwind der ersten Weltmeisterschaft in Helsinki 60.000 Zuschauer ins Berliner Olympiastadion strömten. Von da an ging es bergauf, sowohl mit der Klasse der Athleten als auch mit den Startgeldern.“

Natürlich konnte Rudi Thiel das ISTAF nicht im Alleingang bewältigen. Mit 23 Sachgebietsleitern und bis zu 300 Helfern und Mitarbeitern aus den Vereinen schuf er sich das entsprechende Umfeld. Und es wirkte sich immer positiv aus, dass er selbst finanziell unabhängig blieb. Er arbeitete als Bauingenieur und Architekt, war beim Berliner Senat angestellt und hat zum Beispiel an der Philharmonie und der Neuen Nationalgalerie mitgearbeitet. „Ich denke, dass mich das im Kopf freier und meine Entscheidungen weniger beeinflussbar gemacht hat.“

Bei 30 ISTAF-Veranstaltungen mitgewirkt

Rückblickend kann Rudi Thiel mit Stolz sagen, dass er bei 30 ISTAF-Veranstaltungen, 18 Internationalen Springermeetings, 15 Internationalen Hallensportfesten und vielen Vereinsveranstaltungen als Planer und Organisator beteiligt war. Natürlich gab es in diesen Jahren nicht nur Sonnenschein. Je größer das ISTAF wurde, je mehr internationale Meetings als Konkurrenz auftraten und die Forderungen der Athleten und Manager wuchsen, desto schwieriger wurde es, die finanzielle Basis zu erhalten.

Da erschien die Gründung der Gesellschaft ISL, einer Marketingagentur der FIFA, wie ein Rettungsanker. In diesem Konstrukt war ein Pool von Sponsoren konzentriert. Das schien verlockend, aber der Preis dafür war die totale Abhängigkeit des ISTAF von dieser Gesellschaft. Und es war ein Schlag für Rudi Thiel, dass die ISL gerade in dem Jahr 2000, als er sich selbst vom operativen Geschäft zurückziehen wollte, pleite ging. Um so mehr wird es ihn gefreut haben, dass das ISTAF trotzdem weiter stattfand und bis heute seine Anziehungskraft nicht verloren hat.

Rudi Thiel schaut an seinem Geburtstag gern auf viele Erlebnisse und Episoden zurück. Die Leichtathletik hat sein Leben wesentlich geprägt und umgekehrt. Der langjährige ISTAF-Macher, Mitbegründer der "German Meetings" (1980) und Mitentwickler der Euro-Meetings, dessen Verdienste vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), dem Berliner Senat und der Bundesrepublik gewürdigt wurden, erhielt unter anderem das Bundesverdienstkreuz am Bande.

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