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Tanja Spill – Mit Turbo-Spurt auf der Überholspur

Mit 2:06,41 Minuten war Tanja Spill (TSV Bayer Uerdingen/Dormagen) 2015 die Nummer 16 der deutschen 800-Meter-Bestenliste. Zweite Reihe sozusagen. In diesem Jahr verbesserte sich die 20-Jährige völlig unerwartet um fast fünf Sekunden auf 2:01,63 Minuten und Rang vier in Deutschland. Damit klopft sie an die Tür zu internationalen Meisterschaften. Ein Grund für die enorme Steigerung war ein gellender Pfiff.
Martin Neumann

19. Juni 2016. DM in Kassel. Noch sind etwa 130 Meter im 800-Meter-Finale zu laufen. Tanja Spill liegt etwa an neunter Stelle. Das Rennen ist schnell, eigentlich liegt das der Dormagener Läuferin gar nicht so sehr, dennoch hält sie mit. Da gellt ein Pfiff von Trainer Willi Jungbluth durchs Auestadion. Die 20-Jährige zieht einen Schlussspurt an, wie noch nie in ihrem Leben. Am Ende fliegt sie mit neuer persönlicher Bestzeit von 2:03,71 Minuten regelrecht über die Ziellinie und auf Rang drei. Die Mittelstrecklerin vom TSV Bayer Uerdingen/Dormagen ist urplötzlich in der deutschen Spitze angekommen.

Es sollte nicht der letzte Parforce-Ritt der Studentin im Jahr 2016 bleiben. Knapp drei Wochen später steigert sich die Läuferin mit dem famosen Endspurt an den Hacken der späteren Olympia-Halbfinalistin Konstanze Klosterhalfen (TSV Bayer 04 Leverkusen) noch einmal deutlich: 2:01,63 Minuten werden für die Dormagenerin in Leverkusen gestoppt. Nur 13 Hundertstel fehlen ihr damit zur Olympia-Norm. Dass es mit Rio schlussendlich nicht geklappt hat, kann die Deutsche U23-Meisterin <link http: www.leichtathletik.de tv video-detail detail tanja-spill-dreht-das-ergebnis-vom-vorjahr-um>(den Gold-Lauf sehen Sie hier im Video) verkraften: „Schließlich habe ich nie mit Olympia geplant“, sagt sie rückblickend.

Schon in der Halle unter der Freiluft-Bestzeit

Eine Steigerung auf 2:01,50 Minuten wäre vor der Saison auch wirklich utopisch gewesen. Schließlich stand ihre Bestzeit vor 2016 „nur“ bei 2:06,41 Minuten. Klar hatte Tanja Spill ihr Potenzial schon oft angedeutet, nur auf der Bahn umsetzen konnte sie es nicht vollends. Bis zu diesem Jahr. Schon in der Halle blieb sie zweimal unter ihrer Freiluft-Bestzeit und wurde in 2:05,59 Minuten DM-Dritte in Leipzig. Im Sommer folgten die schon angesprochenen zwei weiteren Leistungssprünge um jeweils zwei Sekunden. Welche Gründe gibt es dafür? „Es hört sich jetzt vielleicht komisch an, aber ich konnte endlich mal einen Winter durchtrainieren. Ohne Krankheit, ohne Verletzungen“, sagt Tanja Spill. Und das zahlte sich aus.

Fürs kommende Jahr hat sich die Studentin ein großes Ziel gesetzt: Erstmals will sie bei einer internationalen Meisterschaft das Nationaltrikot überziehen. Allerdings steht für sie nicht die WM in London im Mittelpunkt, sondern die U23-EM in Bydgoszcz (Polen). Noch steht die Norm nicht fest, für die U23-EM 2015 waren 2:03,90 Minuten gefordert. Nach dem Superjahr 2016 eine machbare Aufgabe für Tanja Spill.

Zwei Trainer an der Seite

Neben der Gesundheit spricht die endschnelle Läuferin noch einen weiteren Erfolgsfaktor an: das tägliche Training in der Gruppe. Bei Willi Jungbluth in Dormagen trainieren einige talentierte Mittelstreckler. Beispielsweise Susan Robb und die Zwillinge Fabian und Julian Spinrath. Für Athletik- und Krafttraining ist zweimal die Woche Peter Kurowski zuständig. „Ich mache selten eine Einheit allein, nur ab und zu an meinem Studienort Köln“, sagt Tanja Spill, die zusammen mit Esther Jacobitz und Kira von Ehren den U23-DM-Titel über 3x800 Meter gewann.

Dort ist sie an der Deutschen Sporthochschule eingeschrieben. Im Grundstudium stehen viele verschiedene Sportarten an. Um sich vor dem Training nicht zu sehr zu verausgaben, hat sie eine goldene Regel: „Nur ein Praxiskurs am Tag.“ Tanja Spill weiß, dass nach dem Traumjahr 2016 weitere Leistungssteigerungen deutlich kleiner ausfallen werden als zuletzt. Darum spielt die „magische“ Zwei-Minuten-Marke für sie auch (noch) keine Rolle. „Klar kann es irgendwann ein Thema werden, momentan ist eine solche Zeit aber noch weit weg“, sagt sie.

An der Tempohärte arbeiten

Um in Zukunft in die Bereiche von Christina Hering (LG Stadtwerke München) und Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr) vorzustoßen, will die Dormagenerin speziell an ihren Schwächen arbeiten. In der Tempohärte sieht sie beispielsweise noch Nachholbedarf. „Mir fehlt manchmal der Mut, in der ersten Runde ein hohes Tempo anzugehen“, gibt sie sich selbstkritisch. Beispielsweise lief Tanja Spill im DM-Finale von Kassel die zweite Runde deutlich schneller als die erste, was absolut unüblich für eine 800-Meter-Bestzeit ist.

Experten waren sich daher schon in Kassel sicher: In der 20-Jährigen steckt noch deutlich mehr. Das sollte sie wenige Wochen später in Leverkusen beweisen. Dort lief sie die beiden Runde in etwa 59,5 und 62 Sekunden. Diese Zeitendifferenz passt schon deutlich besser zu einem 800-Meter-Rennen Richtung Bestzeit. Spätestens nach der Steigerung auf 2:01,63 Minuten dürfte die nationale Konkurrenz auf der Hut sein und ganz genau hinhören, wenn in einem Rennen mit Tanja Spill in der Zielkurve ein lauter Pfiff durchs Stadion hallt.

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