| IAAF-Entscheidung

Russland bleibt gesperrt - Tür für Einzelfälle noch offen

Der Weltverband IAAF hat die Sperre für den russischen Verband am Freitag bestätigt. Darüber, ob einzelne Athleten unter der olympischen Flagge bei den Spielen in Rio starten dürfen, wird noch entschieden.
dpa/jhr

Russische Leichtathleten dürfen unter ihrer Flagge nicht an den Olympischen Spielen in Rio teilnehmen. Das Council des Weltverbandes IAAF bestätigte in Wien die seit November 2015 wirksame Sperre für den nationalen Verband WFLA, teilte IAAF-Präsident Sebastian Coe in Wien mit.

Allerdings sei ein Start einzelner Athleten unter neutraler Flagge möglich, sagte der Brite am Abend auf einer Pressekonferenz. Über diesen Kompromiss wollen IAAF und das Internationale Olympische Komitee am kommenden Dienstag auf dem IOC-Summit in Lausanne beraten.

Zugelassen werden sollen Athleten, die nachweislich außerhalb des russischen Systems stehen. Zum Beispiel, weil sie im Ausland leben und auch dort kontrolliert werden. Eine Startberechtigung für Rio sollen auch Athleten bekommen, die sich besonders im Anti-Doping-Kampf eingesetzt haben. Hier wird der Name Yuliya Stepanova genannt. Die 800-Meter-Läuferin hatte als Kronzeugin der ersten ARD-Dokumentation zum Thema die Enthüllungen mit ins Rollen gebracht.

Einstimmige Entscheidung

Coe sprach nach der einstimmigen Entscheidung der 24 anwesenden Council-Mitglieder von einer "machtvollen Botschaft", allerdings auch von "einem traurigen Tag für unseren Sport. Das war keine einfache Entscheidung", erklärte der Brite. "Unser Ziel ist es nicht, so viele Länder wie möglich an den Start zu bringen, sondern so viele saubere Athleten wie möglich."

Eine "Kollektivstrafe" wäre nach Meinung Rune Andersen, Chef der IAAF-Taskforce zur Beobachtung der russischen Reformfortschritte, zwar "die leichtere Lösung" gewesen. "Aber wir wollen den Athleten, die außerhalb des Dopingsystems stehen, die Möglichkeit für einen Olympia-Start geben - unter neutraler Flagge."

Das russische Sportministerium reagierte unmittelbar auf die Entscheidung. Diese habe zu "einer beispiellosen Situation" geführt, hieß es. "Die Träume vieler unserer Sportler sind wegen des falschen Verhaltens einzelner Athleten, Trainer und Experten zerstört worden."

Putin bestreitet Staatsdoping

Zwei Stunden vor der Entscheidung hatte sich sogar Russlands Präsident Wladimir Putin noch einmal zu Wort gemeldet und eine Beteiligung des russischen Staates an Dopingvergehen von Sportlern bestritten. "Von staatlicher Seite haben wir gegen Doping im Sport gekämpft und werden das auch in Zukunft tun", sagte Putin in St. Petersburg. "Es kann nicht sein, dass das gesamte Team die Schuld für Einzelne tragen muss", zitierte ihn die Agentur Interfax.

"Der Ausschluss der WFLA war eine zu erwartende Entscheidung. Es war zu vermuten. Wir werden darauf reagieren", kündigte Russlands Sportminister Witali Mutko an. Die Entscheidung der 24 anwesenden Council-Mitglieder fiel auf der Grundlage und Empfehlung einer von der IAAF eingesetzten Taskforce, die die Reformfortschritte in Russland seit Januar überwacht hat.

Yelena Isinbayeva will klagen

Stabhochsprung-Weltrekordlerin Yelena Isinbayeva hat mit Entsetzen und großer Wut auf die Entscheidung der IAAF reagiert. "Das ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Dazu werde ich nicht schweigen", sagte sie nach Angaben der Agentur Tass und kündigte an, vor ein internationales Gericht zu ziehen: "Ich werde für die Gerechtigkeit kämpfen."

Sie empfinde die IAAF-Entscheidung als schwere Beleidigung und sei zutiefst zornig und empört. "Das schlimmste ist, dass sie damit die Karriere junger Sportstars zerstören", kritisierte die zweifache Olympiasiegerin.

Der völlige Ausschluss eines Verbandes ist laut Regel 45 im Ethik-Code des Weltverbandes bei gravierenden Verstößen gegen Anti-Doping-Regularien zulässig. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hatte am 9. November 2015 einen 323-seitigen Bericht vorgelegt, der ein Schreckensbild der Doping-Praktiken in der russischen Leichtathletik zeichnet. Am 13. November suspendierte die IAAF den nationalen Verband WFLA.

DLV-Präsident Clemens Prokop kann Entscheidung nachvollziehen

"Ich halte die Entscheidung der IAAF für nachvollziehbar, konsequent und im Interesse aller Sportler, die einem gut funktionierenden Anti-Doping-Kontrollsystem unterliegen", sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, der Deutschen Presse-Agentur. "Der Arbeitsauftrag an den internationalen Sport lautet: Weltweit Strukturen aufzubauen, die weltweit einen glaubwürdigen Kampf gegen Doping gewährleisten."

Noch nie in der olympischen Geschichte ist eine größere Zahl von Sportlern eines Landes ausgeschlossen worden. Bei den London-Spielen waren von den insgesamt 440 russischen Sportlern ein Viertel Leichtathleten. Russland war 2012 mit 18 Medaillen nach den USA die zweitstärkste Leichtathletik-Nation.

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

Mehr:

<link news:48166>Stimmen zur IAAF-Entscheidung

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024