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Tobias Scherbarth und sein langer Weg in die Top Acht der Welt

Im Rampenlicht standen nach dem Stabhochsprung-Finale von Peking (China) die fünf Medaillengewinner, unter ihnen Vize-Weltmeister Raphael Holzdeppe. Ein anderer deutscher Stabhochspringer freute sich auf die ihm eigene zurückhaltende und bedachte Art über eine Leistung, die sicher ebenso bemerkenswert war: Tobias Scherbarth hat es nach Jahren voller Rückschläge mit „Demut und Entbehrung“ in die Top Acht der Welt geschafft.
Pamela Ruprecht

Es war das Jahr der Weltmeisterschaften 2009 in Berlin. Tobias Scherbarth (TSV Bayer 04 Leverkusen), 24 Jahre jung, schwang sich in der Halle über 5,76 Meter sowie später im Freien über 5,70 Meter. Damit hatte er das Ticket für die Heim-WM in der Tasche. Es hätte der Auftakt werden können für eine vielversprechende Karriere.
 
Doch nur fünf Tage nach seiner WM-Nominierung brach sich der gebürtige Leipziger bei der Universiade in Belgrad (Serbien) den Mittelfuß und musste seine Teilnahme absagen. Im darauf folgenden Jahr verpasste er die Europameisterschaften in Barcelona (Spanien): Nach einem hoffnungsvollen Einstieg mit 5,71 Metern in Engen brach er sich erneut kurz vor dem Saison-Höhepunkt den Fuß und riss sich die Bänder. Danach wurde es ruhiger um das Stabhochsprung-Talent. 

Ausdauer bewiesen

Es vergingen Jahre, in denen die Geduld von Tobias Scherbarth auf eine harte Probe gestellt wurde. In denen er gemeinsam mit seinem langjährigen Trainer Leszek Klima kleine Schritte machen musste und auch in der Trainingsgruppe von Dan Pfaff in Arizona (USA) behutsam an seinem Comeback feilte. Nur ein einziger Wettkampf mit 5,30 Metern ist in den Statistiken von 2011 vermerkt, 2012 tastete er sich über 5,00- und 5,20-Meter-Wettkämpfe wieder vor bis auf 5,61 Meter.
 
Nach den Fußbrüchen 2009 (rechts) und 2010 (links) sowie einem Ermüdungsbruch 2011 im linken Fuß, die ihn drei Jahre kosteten, musste das Training verändert werden. „In der Arbeit mit Dan Pfaff in Amerika habe biomechanisch meinen Laufstil, meinen Fußkontakt umgestellt.“ Die Kombination aus seinem Heimtraining in Leverkusen und Trainingslagern in Phoenix behält er bis heute bei.
 
2013 war Tobias Scherbarth wieder bei 5,70 Metern angekommen, die Konkurrenz im WM-Jahr im DLV-Lager mit dem späteren Weltmeister Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken), dem Olympia-Zweiten Björn Otto (ASV Köln) und dem Wattenscheider Malte Mohr aber extrem groß. Diese Drei traten schließlich die Reise nach Moskau (Russland) an. 

Sechs Jahre dazwischen

Bei der EM in Zürich (Schweiz) 2014 war es dann so weit. Fünf Jahre nach der verletzungsbedingt entgangenen WM-Teilnahme stand Tobias Scherbarth in der Qualifikation seiner ersten großen internationalen Meisterschaft im Letzigrund am Anlauf. Mit Herzklopfen bei der Einstiegshöhe von 5,40 Meter. „Ich dachte, das ist der wichtigste Sprung meines Lebens.“ Ausgerechnet bei diesem war er zu dicht am Absprung, unterlief den Stab und rutschte schmerzhaft ab. Zwei weitere ungültige Versuche folgten.
 
Runder lief es bei der nächsten Station, der Hallen-EM im März 2015 in Prag (Tschechische Republik). Dort erreichte der Deutsche Meister von 2014 das Finale, das er mit Rang neun abschloss. Aber es sollte in diesem Jahr noch besser kommen: Tobias Scherbarth reiste nach Peking zu seinen ersten Weltmeisterschaften – sechs Jahre nach der Nominierung für Berlin. „Ich hatte viele schwierige Jahre und die lehren einen wirklich Demut.“ 

Die beste Saison

Dankbar und um einige Erfahrungen reicher hat er im Vergleich zu Zürich im „Vogelnest“ einen Schritt nach vorne gemacht. Mit übersprungenen 5,70 Meter zog er ins Finale ein. Eine andere Art von Anspannung war auf dem Weg ins Stadion spürbar. „Ich habe versucht, das wie einen normalen Wettkampf anzugehen, und war für mich sehr abgeklärt“, erinnert sich Tobias Scherbarth.
 
Die ersten beiden Höhen überflog er im ersten Versuch: 5,50 Meter und 5,65 Meter. Mit der weißen Weste konnte er auf eine vordere Platzierung im Klassement schielen. Denn anschließend kam eine ungewöhnlich große Steigerung auf 5,80 Meter. „Das war Fluch und Segen zugleich.“ Erstens konnte er sich an einer neuen Bestleistung versuchen. Zweitens ließ der Anstieg wenig Spielraum zum Pokern. Die Höhe schafften nur die sechs sicheren 5,80- und 5,90-Springer vor ihm. 

Mit Glück noch höher

Sein großes Ziel - die Top Acht - war mit Platz sieben erreicht. Nach dem langen Weg ein großer Erfolg für den 30-Jährigen. „Für mich ist es mein bestes Jahr, mein bestes internationales Ergebnis.“ Diesen Moment wollte Tobias Scherbarth auskosten und überredete die chinesischen Ordner, noch bis zur Entscheidung um die Medaillen im Stadion bleiben zu dürfen. „Ich liebe unseren Sport und unsere Wettkämpfe, da wollte ich einfach bis zum Ende dabei sein.“
 
Um in Zukunft selbst länger im Wettbewerb zu bleiben, hofft er, dass es das Schicksal gut mit ihm meint und im richtigen Moment alle Komponenten zusammenpassen: Der Ständerabstand, die Anlaufgeschwindigkeit, der Absprung, die Griffhöhe, die Stabhärte und die Technik bei der Lattenüberquerung  – dann kann es auch über 5,80 Meter gehen. „Die trau ich mir in jedem Fall noch zu.“ Für die großen Höhen muss alles stimmen, „da wird’s oben einfach eng.“ Einige knapp gerissene Sprünge hatte er schon. „Der Mensch ist keine Maschine. Jeder Versuch ist unterschiedlich.“

Fernziel Berlin

Auch die Bandbreite der verschiedenen Erlebnisse und Emotionen, die der Stabhochsprung bietet, reizt Tobias Scherbarth. Von Freundschaften und Reisen über die Anspannung vor internationalen Meisterschaften bis hin zu Niederlagen, die man verarbeiten muss. Und es soll noch weiter gehen. Sein Nahziel sind 2016 die Olympischen Spiele in Rio (Brasilien), vorher die Hallen-WM in Portland (USA) und die EM in Amsterdam (Niederlande).
 
Ein besonderes Ereignis wartet jedoch 2018 mit der Heim-EM in Berlin auf ihn. In der Hauptstadt, Schauplatz der verpassten WM-Premiere 2009, als ihm der Fußbruch dazwischen kam, würde sich für Tobias Scherbarth ein Kreis schließen. „Wenn ich das nochmal schaffen könnte, wäre das für mich mit 33 Jahren ein guter Abschluss."

Danach wäre die Zeit womöglich reif für andere Dinge als den Sport. „Wenn ich dann allerdings in der Form meines Lebens bin, siehe Björn Otto, dann würde ich auch noch weiter machen.“

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