| Berlin 2008 – Berlin 2018

Unsere Zeitreise mit…Sosthene Moguenara (II): Vom Tiefpunkt bis zur WM-Medaille

Steigen Sie ein und schnallen Sie sich an. Wir nehmen Sie mit auf eine Zeitreise. Eine Reise, die im Sommer 2008 bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften im Berliner Olympiastadion beginnt. Eine Reise, die im Sommer 2018 bei den Europameisterschaften im Berliner Olympiastadion ihren Höhepunkt finden soll. Berlin 2008 – Berlin 2018. Gestern und Heute. Now and then. In dieser Woche ist Ihre Reiseleiterin: Weitspringerin Sosthene Moguenara, Bronzemedaillen-Gewinnerin der Hallen-WM 2018.
Pamela Ruprecht

2014: Sosthene Moguenara, in diesem Jahr haben Sie das Finale der Hallen-WM in Sopot verpasst und bei der EM in Zürich als Neunte den Endkampf. Bei beiden Meisterschaften wäre aufgrund Ihrer Vorleistungen wahrscheinlich mehr drin gewesen?

Sosthene Moguenara:
Das war das erste Mal, dass ich eine richtig extreme Enttäuschung gespürt habe, weil ich wirklich gut trainiert und mir große Ziele gesetzt hatte. Bei der EM hatte ich mir eine vordere Platzierung ausgemalt. Und nichts davon ist so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt und gewünscht hatte. Es war mir mittlerweile nicht mehr egal, wenn es nicht gut lief. Ich habe innerliche Schmerzen gespürt, diese Niederlagen haben richtig weh getan. Ich weine eigentlich nie wegen dem Sport, außer ich habe Mega-Glücksmomente. Aber 2014 hat mich sehr hart getroffen. Es lief bei den Höhepunkten nicht so wie im Training und in den Wettkämpfen zuvor. Ich konnte meine Nerven nicht bewahren und mich nicht genug fokussieren.

2015: Umso besser lief es dann im folgenden Jahr bei der Hallen-EM in Prag, wo Sie mit Saisonbestleistung von 6,83 Metern die Silbermedaille geholt haben. Das war für Sie bestimmt ein toller Moment, vor allem nach diesem enttäuschenden Jahr…

Sosthene Moguenara:
Der Erfolg in Prag hat mir gezeigt, dass ich nicht gleich aufgeben muss und mich nicht verrückt machen muss, wenn es Enttäuschungen gibt. Sondern ich muss trotzdem weiter an mir arbeiten und mit Spaß dabei bleiben. Die ganze Arbeit hat sich in Prag endlich ausgezahlt. Diese Medaille war etwas ganz Besonderes.

2016: Es kam der zweite Sprung über die Sieben-Meter-Marke. Wieder in Weinheim ging es mit 7,16 Metern weit wie nie. Doch einen Tag später kam ausgerechnet im Olympia-Jahr eine unglückliche Verletzung am Sprunggelenk (Außenband-Riss) dazwischen. Was war passiert?

Sosthene Moguenara:
Ich war super gut in Form gewesen, von der Figur her, von der Ernährung. Meine Schnelligkeit und meine Kraftwerte waren super. Ich war sehr gut eingestellt und fokussiert. Es war von Wettkampf zu Wettkampf einfach alles perfekt gelaufen und dann kam Weinheim. Dort habe ich mich mit meinem Sprung über sieben Meter selber geflasht. Ich hatte aber gar nicht genug Zeit, um diese tolle Weite zu realisieren. Der Glücksmoment war ziemlich kurz: Ich bin am selben Tag weiter nach Berlin geflogen, um dort einen Video-Dreh für die EM 2018 zu machen. Der Dreh hat am nächsten Morgen begonnen. Das heißt, ich hatte während des Flugs und abends, bevor ich eingeschlafen bin, nur ein paar Stunden Zeit, um das, was in Weinheim passiert war, Revue passieren zu lassen. Es war etwas total Großartiges, ich hätte mir im Traum nicht vorstellen können, einmal 7,16 Meter zu springen.

Leider hatte ich nicht viel Zeit, um das zu genießen und auf mich einwirken zu lassen. Es ging alles viel zu schnell: Beim Video-Dreh bin ich umgeknickt und habe mich am Sprunggelenk verletzt. Das war ein Scheiß-Moment, weil so ziemlich alle sauer auf mich waren und ich selbst auch auf mich. Es war nicht im Training passiert, sondern eben bei einem Video-Dreh. Das war natürlich sehr unglücklich, weil im Sommer die Olympischen Spiele anstanden und ich nicht wusste, ob ich noch teilnehmen kann. Damals war ich zum ersten Mal mit einer Verletzung in Berührung gekommen, davor hatte ich nur kleinere Sachen.

Ich wollte das nicht wahrhaben und habe mir eingeredet, dass alles in Ordnung ist. Aber es ging nicht. Ich war verletzt und musste viel Reha-Training machen. Das war mein Kampf mit mir selbst. Meine Freunde und Familie haben mir in der Zeit super viel Halt gegeben, mich unterstützt und mir viel Mut gemacht. Ich habe mich zusammengerissen und dann lief es wieder und ich habe es noch nach Rio geschafft. Eine Woche vor den Spielen bin ich auf Teneriffa zum ersten Mal wieder aus vollem Anlauf gesprungen. Klar war die Leistung im Olympia-Finale nicht das, was man von mir erwartet hat, viele haben negativ darüber geredet, aber ich persönlich war total happy, glücklich und stolz damit. Weil ich wusste, welche Arbeit dahinter steckte.

2017: Im Jahr nach Olympia haben Sie Veränderungen in Ihrem Trainer-Team vorgenommen. Wie kam es dazu?

Sosthene Moguenara:
Das Jahr 2017 hatte genauso begonnen, wie 2016 geendet hat, mit Verletzungen. Ich bin von einer Verletzung zur nächsten. Wegen eines Bundeswehr-Lehrgangs, den ich abgebrochen habe, sind wir zur Saisonvorbereitung verspätet ins Trainingslager gefahren. Ich war danach eigentlich noch nicht so weit, einen Wettkampf zu machen, bin aber dann doch für meinen Verein Saarbrücken bei einem Vergleich angetreten. Das war mein größter Fehler, weil mein Körper für diese Belastung noch nicht bereit war. Ich hatte schon immer sehr empfindliche Sprung-Gelenke und Achillessehnen, die sofort reagiert haben.

So habe ich mir die Achillessehne angerissen. Ich konnte wieder nicht trainieren und war deshalb schlecht gelaunt und sauer. Die Stimmung war negativ und das hat sich auch auf die Zusammenarbeit mit meinem Trainer Ulli Knapp ausgewirkt. Dann haben wir uns gesagt, wir probieren jetzt etwas Neues. Seitdem trainiere ich bei Andrei Tivontchik in Zweibrücken und zweimal in der Woche kommt Ulli dazu und wir machen Weitsprung.

2018: Die neue Trainer-Situation scheint gut zu funktionieren. Bei der Hallen-WM in Birmingham haben Sie Anfang März mit 6,85 Metern Bronze gewonnen. Wie haben Sie dieses kleine Comeback erlebt und was hat diesen Erfolg möglich gemacht?

Sosthene Moguenara:
Das war einfach unglaublich. Ich konnte in der Zeit vorher zwar springen, aber es kamen einfach nicht die Weiten, die man gewohnt war. Ich war schon fast am Verzweifeln. Es hat mir sehr geholfen, dass viele Sachen verändert wurden und auch ich mich persönlich durch die Erfahrungen verändert habe. Es stand ein ganzes Team hinter mir, das diesen Erfolg in Birmingham möglich gemacht hatte. Meine beiden Trainer Andrei und Ulli haben super zusammen gearbeitet. Es sind zwei sehr verschiedene Menschen, aber genau diese Kombination aus beiden ist das, was mir guttut.

Wir haben auch dafür gesorgt, dass im Privatleben alles ruhig, entspannt und harmonisch zugeht. Ich habe mich etwas von der Außenwelt zurückgezogen, auch von Facebook und Instagram. Ich habe mich auf meine mentalen Stärken konzentriert, gute Ernährung, ausreichend Schlaf, auf alles, was mir selber guttut. Und das hat geklappt! Ich habe einen Weg gefunden. Daran möchte ich festhalten, so dass es noch mehrere gute Jahre geben wird.

Meine Saisonvorbereitung auf den EM-Sommer läuft super. Wichtig ist für mich weiter an mir zu arbeiten, fleißig zu sein und mit einer positiven Einstellung in die Saison zu starten. Ich möchte diesen Sommer so einiges erreichen, dazu gehört auch, an mehr internationalen Wettkämpfen teilzunehmen sowie stabile Weiten zu springen. Die EM findet dieses Mal in Berlin statt und meine Freunde und Familie werden live dabei sein. Eine Medaille dort zugewinnen, ist mein Traum und Ziel.

Teil eins des Interviews:

Unsere Zeitreise mit… Sosthene Moguenara (I): Vom Chaos bis zum ersten 7-Meter-Sprung

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024