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Michael Pohl: Leichtathletik ohne Spikes

Schon im vergangenen Jahr 2021 hatte Michael Pohl mit dem Berufseinstieg im Deutschen Leichtathletik-Verband die Weichen neu gestellt. Im neuen Jahr 2022 steht fest: Der einstige Deutsche Meister über 100 Meter wird die Spikes nicht mehr anziehen.
Silke Bernhart

Hinter Michael Pohl liegt eine ungewöhnliche Sprint-Karriere, die spät Fahrt aufnahm, ihn dennoch bis in die deutsche Spitze führte – aber auch einige Träume unerfüllt ließ. „Jeder Athlet hat seine Lebensdauer im Sport“, sagt der 32-Jährige. „Wenn ich die Jugendjahre hinzunehmen könnte, dann würde ich das heute rückblickend machen. Dann hätte ich viel früher an die deutsche Spitze anknüpfen können. Aber ich kam spät rein und musste mir vieles erkämpfen.“

Als Teenager sei ihm das Skateboarden und die Zeit mit Freunden wichtiger gewesen. Sein großes Talent ließ er damals bei der Handvoll Rennen aufblitzen, in denen er auf der Bahn stand. Die Versuche seines Vereinstrainers bei der SG Schlüchtern, ihn fester an die Leichtathletik zu binden, scheiterten jedoch. Erst im Alter von 22 Jahren und nach abgeschlossener Ausbildung machte Michael Pohl im Sprint ernst. Trainiert von seinem Vater schaffte er es 2011 auf Anhieb bis auf Platz drei der U23-DM über 100 Meter.

Im Sprintteam Wetzlar bis zum deutschen Meistertitel

Mit einer Zwischenstation beim Wiesbadener LV ging es Ende 2017 zum Sprintteam Wetzlar, wo sich Michael Pohl in Zusammenarbeit mit David Corell in der deutschen Spitze festsetzte. Bei der Hallen-WM 2018 folgte über 60 Meter direkt die Premiere im Nationaltrikot. „Die Einsätze in der Nationalmannschaft waren sehr, sehr schön“, blickt Michael Pohl zurück. „In Birmingham konnte ich mit dem Einzelstart mich selbst und Deutschland repräsentieren, ich habe mich qualifiziert und hatte das Recht zu laufen“, fügt er hinzu – in der Staffel war das für ihn in der Rolle des Ersatzläufers dagegen häufig nicht der Fall.

Besonders aber bleibt Michael Pohl der für viele überraschende deutsche Meistertitel über 100 Meter 2019 in Berlin in Erinnerung. „Mir war klar, dass ich mitrennen kann und dass es eng wird. Als es passiert war, hatte ich auf einmal das Gefühl angekommen zu sein.“ Verbunden gewesen sei das damals auch mit der Frage: Was kann ich jetzt überhaupt noch erreichen? Neue Motivation gab schließlich das interne Vereinsduell mit Kevin Kranz, mit dem sich der neun Jahre ältere Pohl in Training und Wettkampf messen konnte.

Olympia-Aus, Studiums-Abschluss, neue Chance

Die Motivation, besonders aber die Bereitschaft, sich den ständigen Aufs und Abs im Sportlerleben zu stellen, schwanden jedoch im Olympia-Jahr 2021. Nach einer starken Hallensaison und einem vielversprechenden Trainingslager auf Gran Canaria warfen Michael Pohl ein, zwei Probleme „aus der Bahn“. Die Folge: der Traum vom Olympia-Start blieb unerfüllt. „Die Gefühls-Achterbahn im Leistungssport ist abartig, ich habe einfach keine Lust mehr, das einzustecken“, sagt er.

Zugleich bot sich nach dem Abschluss seines Master-Studiums für Michael Pohl die Möglichkeit, im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) eine Stelle als Referent im Leistungssport anzutreten (wir berichteten). All diese Entwicklungen bestärkten den Sprinter schließlich in dem Entschluss, zum Jahresende die eigene sportliche Karriere zu beenden.

Die zweite Karriere für die Leichtathletik ist jedoch längst eingeläutet. „Ich habe mich im DLV sehr gut eingelebt und bin im Team gut aufgenommen worden, besonders die Kommunikation untereinander gefällt mir. Und ich bin weiter sehr nah dran am Sport, das war mir wichtig“, erklärt Michael Pohl. Auch im Sprintteam Wetzlar hat er neue Aufgaben übernommen – jetzt als Vorstandsmitglied für das Ressort Leistungssport. „Ich bleibe der Leichtathletik treu“, sagt Michael Pohl. „Ich ziehe nur keine Spikes mehr an.“

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