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HINDERNIS MÄNNER | Von einer Spitzen-Zeit in Finnland und "großem Kino" in München

Es war ein intensives Jahr für die Leichtathletik. Weltmeisterschaften in den USA. Europameisterschaften im eigenen Land. Und auch der Nachwuchs war international gefordert. Was bleibt in Erinnerung? Wir werfen einen Blick zurück auf dieses besondere Jahr 2022. Heute: Hindernislauf der Männer.
Alexandra Dersch

Das ist 2022 passiert

Es war eine Saison, in der ein Ruck durch Deutschlands Hindernisläufer ging. Zum einen, weil mit Frederik Ruppert (SC Myhl LA) ein Athlet in ganz neue Zeiten vorlief. Zum anderen, weil sich Karl Bebendorf (Dresdener SC 1898) mit einer stabilen Saison und einem tollen Auftritt bei der Heim-EM in München in der europäischen Spitze festsetzte.

Mitte Juni wirbelte Frederik Ruppert die deutsche Hindernis-Welt gehörig durcheinander. In 8:15,58 Minuten stürmte der 25-Jährige in Turku (Finnland) auf Platz neun der ewigen deutschen Bestenliste, zuletzt lief der Deutsche Rekordler Damian Kallabis im Jahr 2000 schneller. Und das, obwohl seine Vorbereitung auf die Saison alles andere als ideal lief. Aufgrund von Fußproblemen war von Oktober bis März an geregeltes Training nicht zu denken. Karl Bebendorf, zu der Zeit im Trainingslager, bekannte später: "Danach konnte ich erstmal eine Nacht nicht schlafen." Doch Ruppert, der ehemalige U23-Europameister, konnte an diese starke Zeit aufgrund der fehlenden Trainingsgrundlage im Laufe der Saison nicht mehr anknüpfen.

Bei der DM triumphierte Karl Bebendorf in einem taktischen Rennen und lief zu seinem vierten Titel in Serie, bei der WM reichten 8:45,55 Minuten nicht für den Einzug ins Finale, und im Vorfeld der Heim-EM konnte Frederik Ruppert zehn Tage aufgrund einer Erkältung nicht trainieren. Das Aus im Vorlauf war schmerzhaft, nachdem er das Rennen erst vorne mit angegangen war, ihm dann jedoch die Kraft fehlte: "Ich wollte es versuchen. Ich habe daraus gelernt, diese Erfahrungen werden mir im kommenden Jahr helfen", sagte er im Anschluss.

Während Frederik Ruppert entsprechend verletzungsbedingt in dieser Saison nur bei insgesamt fünf Rennen an den Start gehen konnte, ließ Karl Bebendorf sich deutlich häufiger an der Startlinie blicken und stellte auf den Unterdistanzen 800 und 1.500 Meter sowohl in der Halle als auch unter freiem Himmel neue Bestzeiten auf. Die Grundlage – sie stimmte. Und führte auch zu seinem bislang größten Erfolg. Nach seinem vierten DM-Titel stand er im Vorlauf der Weltmeisterschaften in Eugene (USA), bevor er dann bei den Europameisterschaften in München seinen bisher schönsten Sport-Moment erleben durfte: Platz fünf in einem starken Finale. "Das ist großes Kino", sagte der Dresdener im Anschluss und erfüllte so auch die Erwartungen seines Trainers, der ihm im Herbst des vergangenen Jahres die Marschroute Top Sechs bei der EM auferlegt hatte. Mit diesem Auftritt ist Karl Bebendorf in der europäischen Spitze angekommen.

Für eine Überraschung sorgte Niklas Buchholz (LSC Höchstadt/Aisch). Bei der EM, die zugleich seine erste internationale Meisterschaft überhaupt war, lief der 24-Jährige direkt ins Finale und wurde dort 14. Ein Moment, den er so schnell nicht vergessen wird und der im doppelten Sinne etwas Besonderes war, da es auch das letzte Rennen überhaupt für seinen Trainer Markus Mönius war, der mit diesem Lauf nach 35. Jahren seine Trainertätigkeit beendete.

Bei der U20-WM in Cali (Kolumbien) standen aus deutscher Sicht gleich zwei DLV-Starter im Vorlauf. Silas Zahlten (LG Brillux Münster) und Kurt Lauer (LAZ Ludwigsburg) kämpften in der Höhe mit der Atmung und mussten beide ihren Traum vom Finale bei dieser Meisterschaft aufgeben, sammelten aber wertvolle Erfahrung. "Klar wäre es schön gewesen, ins Finale zu laufen, aber für mich war das jetzt vor allem eine wichtige Station auf dem Weg zur EM im kommenden Jahr. Die Abläufe einer großen Meisterschaft kenne ich jetzt“, sagte Silas Zahlten.

Auch bei der U18-EM in Jerusalem erreichte keiner der beiden DLV-Starter das Finale. Sowohl für Jonas Patri (Aachener TG) als auch für Paul Walochny (SC DHfK Leipzig) sollte der Vorlauf um acht Uhr in der Früh bei bereits 25 Grad und Sonnenschein ihr einziger Auftritt in Jerusalem bleiben. Vor allem der Leipziger hatte Pech: Er verpasste den Endlauf als Zehnter seines Laufs und Gesamt-16. (6:06,76 min) nur um einen einzigen Platz. Dennoch: "Es hat Spaß gemacht", sagte auch Jonas Patri.


Internationale Erfolge

  Medaille Finalplatzierung
WM  –   – 
EM  –   5. Platz (Karl Bebendorf)
14. Platz (Niklas Buchholz)
U20-WM  –   – 
U18-EM  –   – 
EYOF  –   – 


Unser "Ass des Jahres"

Karl Bebendorf (Dresdner SC 1898)
5. Platz EM
WM-Teilnehmer

Unser "Talent des Jahres"

Kurt Lauer (LAZ Ludwigsburg)
U20-WM-Teilnehmer
Deutscher Jugendmeister 2.000 Meter Hindernis
Welt-Jahresbester der U20 über 2.000 Meter Hindernis


Die deutschen Top Ten 2022

Zeit Athlet Jahrgang Verein
8:15,58 min Frederik Ruppert 1997 SC Myhl LA
8:25,73 min Karl Bebendorf 1996 Dresdner SC 1898
8:31,93 min Niklas Buchholz 1998 LSC Höchstadt/Aisch
8:32,53 min Velten Schneider 1999 VfL Sindelfingen
8:42,03 min Jens Mergenthaler 1997 SV Winnenden
8:45,80 min Jan Lukas Becker 1993 LSG Sbr.-Sulzbachtal
8:45,81 min Nick Jäger 1999 TSV Penzberg
8:46,84 min Brian Weisheit 1997 LSC Höchstadt/Aisch
8:50,43 min Fabian Clarkson 1990 SCC Berlin
8:51,70 min Kurt Lauer 2003 LAZ Ludwigsburg


Statistik– Das sagen die Zahlen 

Das deutsche Top-Niveau: 3.000 Meter Hindernis

Jahr < 8:27,00* Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005  1 8:28,06 8:32,11 8:38,57
2006  – 8:34,51 8:36,83 8:46,74
2007  1 8:29,93 8:35,49 8:45,19
2008  1 8:34,41 8:41,75 8:50,96
2009  1 8:36,79 8:44,61 8:51,53
2010  1 8:34,14 8:40,31 8:46,47
2011  1 8:39,11 8:43,70 8,49,28
2012  1 8:33,88 8:38,47 8:46,44
2013  1 8:36,63 8:41,19 8:47,73
2014  2 8:31,42 8:37,34 8:44,29
2015  – 8:38,66 8:41,47 8:45,84
2016  – 8:37,38 8:38,88 8:43,33
2017  – 8:36,77 8:40,76 8:44,69
2018 1 8:30,37 8:32,17 8:40,77
2019 1 8:30,90 8:35,36 8:39,90
2020  – 8:36,30 8:38,46 8:46,84
2021  2 8:26,01 8:28,58 8:34,73
2022  2 8:24,41 8:29,56 8:38,84

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 8:22,37 (F. Ghirmai) 8:04,95 (Vroemen/NED) 17,42 7:55,51 (Shaheen/OAT) 26,86
2006 8:33,76 (F. Ghirmai) 8:09,53 (Tahri/FRA) 24,23 7:56,32 (Shaheen/OAT) 37,34
2007 8:22,23 (F. Ghirmai) 8:05,75 (Mohammed/SWE) 16,48 7:58,80 (Koech/KEN) 23,43
2008 8:26,66 (F. Ghirmai) 8:08,96 (Mekhissi/FRA) 18,71 8:00,57 (Koech/KEN) 26,09
2009 8:26,18 (S. Uliczka) 8:01,18 (Tahri/FRA) 25,00 7:58,85 (Kemboi/KEN) 27,33
2010 8:25,39 (S. Uliczka) 8:02,52 (Mekhissi/FRA) 23,87 8:00,90 (K.Kipruto/KEN) 24,49
2011 8:26,43 (S. Uliczka) 8:02,09 (Mekhissi/FRA) 24,34 7:53,64 (K.Kipruto/KEN) 32,79
2012 8:22,93 (S. Uliczka) 8:10,90 (Mekhissi/FRA) 12,03 7:54,31 (Koech/KEN) 28,62
2013 8:23,57 (S. Uliczka) 8:00,09 (Mekhissi/FRA) 23,48 7:59,03 (Kemboi/KEN) 24,54
2014 8:24,39 (M. Grau) 8:03,23 (Mekhissi/FRA) 21,16 7:58,41 (Birech/KEN) 25,98
2015 8:31,55 (M. Grau) 8:18,38 (Kowal/FRA) 13,17 7:58,83 (Birech/KEN) 32,72
2016 8:35,93 (P. Karl) 8:08,15 (Mekhissi/FRA) 27,78 8:00,12 (C. Kipruto/KEN) 35,81
2017 8:31,95 (T. Stegemann) 8:14,67 (Mekhissi/FRA) 17,18 8:01,29 (Jager/USA) 30,26
2018 8:26,18 (M. Grau) 8:16,97 (Mekhissi/FRA) 9,21 7:58,15 (El Bakkali/MAR) 27,97
2019 8:26,79 (M. Grau) 8:05,23 (Bedrani/FRA) 21,56 8:01,35 (C. Kipruto/KEN) 25,44
2020 8:33,64 (T. Stegemann) 8:13,43 (Bedrani/FRA) 20,21 8:08:04 (El Bakkali/MOR) 25,60
2021 8:23,28 (K. Bebendorf) 8:11,17 (Bedrani/FRA) 12,11 8:07,12 (Kigen/KEN) 16,16
2022 8:15,58 (F. Ruppert) 8:10,29 (Abdelwahed/ITA) 5,29 7:58,28 (El Bakkali/MAR) 17,30

Das fällt auf:  

  • Erstmals steht Frederik Ruppert an der Spitze der deutschen Bestenliste. Seine Saisonbestzeit von 8:15,58 Minuten ist die stärkste seit Beginn unserer Statistik. Zuletzt lief Damian Kallabis im Jahr 2000 schneller. Damit findet sich Frederik Ruppert auch im europäischen Vergleich auf Platz vier wieder.
  • Wie stark Rupperts Zeit einzuordnen ist, wird beim Blick auf die Hintergründe klar, konnte der ehemalige U23-Europameister doch erst im März so langsam wieder ins geregelte und planmäßige Training einsteigen. Im Laufe der Saison fehlte so gerade bei den harten Meisterschaftsrennen die Grundlage.
  • Diese Zeit sorgt auch dafür, dass der deutsche Schnitt sich im Vergleich der besten drei und fünf Zeiten deutlich nach oben schiebt. Vor allem der Dreier-Schnitt sticht hervor, es ist der beste Schnitt seit Beginn dieser Auflistung.
  • Auch der Abstand zur Weltspitze ist dank des starkes Laufs von Frederik Ruppert gering wie lange nicht mehr. In Europa rutscht er deutlich unter die zehn Sekunden, das war zuletzt 2018 so.
  • International blieben zwei Athleten unter acht Minuten: Vorne der Olympiasieger und Weltmeister Soufiane El Bakkali aus Marokko, der in diesem Sommer jedes seiner Rennen gewonnen hat.
  • Einen Überraschungssieg feierte bei der EM der Finne Topi Raitanen, der den favorisierten Italiener Ahmed Abdelwahed und jahresschnellsten Europäer auf den Silberrang verwies. Zur Einordnung: Der Finne befindet sich mit seiner Saisonbestzeit von 8:19,34 Minuten auf Platz acht der europäischen Bestenliste.
  • Der Nachwuchs sammelt international Erfahrung und macht sich einen Namen. Kurt Lauer steht mit seiner Bestzeit über 2.000 Meter Hindernis von 5:39,46 Minuten in Deutschland, Europa und der Welt auf Platz eins der Bestenlisten. Über 3.000 Meter Hindernis findet er sich mit 8:51,70 Minuten auf Platz sieben in Europa wieder.

leichtathletik.TV-Clips:

3.000 Meter Hindernis

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer
Hürdensprint Frauen
Hürdensprint Männer
Langhürden Frauen
Langhürden Männer
Mittelstrecke Frauen
Mittelstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Hindernis Frauen

* als Referenzwert dient die WM-Norm des Jahres 2017

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