| Interview der Woche

Zehnkampf-König Leo Neugebauer: "Weltmeister zu sein, ist unbeschreiblich"

© Stefan Mayer
Zehnkämpfer Leo Neugebauer hat am Sonntag mit Gold aus deutscher Sicht für den krönenden Abschluss der WM in Tokio (Japan) gesorgt. Im Interview spricht der nun dritte deutsche Zehnkampf-Weltmeister nach Torsten Voss und Niklas Kaul über die Herausforderungen eines ungewöhnlichen WM-Zehnkampfes, die Aufholjagd am zweiten Tag und seine emotionalen Highlights.
Svenja Sapper

Leo Neugebauer, Sie haben gerade auf dem Siegerpodest Ihre Goldmedaille entgegengenommen. Wie emotional war dieser Moment nach zwei langen Zehnkampf-Tagen? 

Leo Neugebauer: 
Ich hätte nicht erwartet, dass es so emotional wird! Ich habe meine Familie und Freunde im Publikum stehen und für mich jubeln gesehen, das war unfassbar. Jetzt Weltmeister zu sein, ist unbeschreiblich! Ich kann es immer noch nicht ganz realisieren, dass es jetzt vorbei ist und ich das geschafft habe. 

Den ersten Tag haben Sie als Vierter beendet. Mit welchen Gedanken im Kopf sind Sie am Samstag schlafen gegangen? 

Leo Neugebauer: 
Ich habe einfach versucht, mir so viel Ruhe wie möglich zu gönnen. Wir hatten ja nur fünf Stunden oder so. Der Zeitplan war eine große Herausforderung. So etwas hatte ich vorher noch nicht erlebt, der erste Tag war "insane". Da hatte keiner eine Ahnung, wie das am Ende ausgehen wird. Ich habe einfach Spaß gehabt, mein Ding durchgezogen und jetzt stehe ich hier mit einer Goldmedaille! 

Wir haben in den vergangenen Tagen viel über die Herausforderungen dieses Zehnkampfes gesprochen: Viele Athleten, darunter auch einige Favoriten, sind vorzeitig ausgeschieden. Wie haben Sie die Dynamik erlebt? Hatten Sie Strategien, um sich vor den einzelnen Disziplinen wieder neu zu fokussieren und sich auf die Bedingungen einzustellen? 

Leo Neugebauer: 
Es war sehr chaotisch, vor allem am ersten Tag. Ich habe einfach versucht, mit den Fans Spaß zu haben. Einfach nur von Disziplin zu Disziplin gehen, kämpfen und nicht aufhören. Und im Endeffekt war es ein cooler Wettkampf. Beim Diskuswurf hat es angefangen: Ich habe mich gut gefühlt, die Stimmung mitgenommen, die Japaner haben mega angefeuert. 

Dabei hatte der zweite Tag mit 14,80 Sekunden über die Hürden gar nicht optimal begonnen! War der Diskuswurf dann der "Wendepunkt"? Gibt es eine Disziplin, die Sie besonders herausstellen möchten? 

Leo Neugebauer: 
Die Hürden sind gefühlt so schnell auf mich zugekommen! Das war ein bisschen kritisch. Aber ich bin ja zum Glück durchgekommen. Ich habe wahrgenommen, dass jemand hängen geblieben ist, dass das ausgerechnet Sander Skotheim war, habe ich erst hinterher gesehen. Für mich gab es keinen Wendepunkt. Ich habe mich einfach gut gefühlt heute. Als ich aufgestanden bin, hatte ich frische Beine und einfach Bock auf den Diskuswurf, das hat auch im Training so gut funktioniert. Eigentlich war der gesamte zweite Tag super. Aber ganz besonders den Stabhochsprung und das Speerwerfen. 

Im Speerwurf haben Sie die größte Steigerung hingelegt: Von 58,99 Metern haben Sie sich auf 64,34 Meter verbessert...

Leo Neugebauer: 
Der erste Wurf war schon richtig geil! Und ganz knapp übertreten. Deshalb wusste ich, was ich draufhatte, das hat mich für den zweiten und dritten Versuch noch mal richtig gepusht. Da habe ich das erste Mal daran gedacht, dass Gold möglich ist. Ich hatte vorher keine Ahnung, wo ich stehe. Und dann haben die Coaches gesagt, dass ich an erster Stelle bin vor Kyle Garland und Ayden Owens-Delerme. Und da wusste ich genau, was ich rennen musste. 

Über 1.500 Meter hat man gesehen: Am Ende ist Ihnen jeder Schritt schwergefallen, Sie haben sich mit purer Willensstärke ins Ziel gekämpft...

Leo Neugebauer: 
Genau. So krass habe ich mich noch nicht gefühlt. Meine Beine haben so zugemacht. Ich musste alle meine Energie dafür aufwenden, wieder auf die Beine zu kommen. Es hat sehr wehgetan. Aber es hat sich ja ausgezahlt. Ich wusste, was ich laufen muss, egal was es kostet. 

Deutscher Rekord, Olympia-Silber, WM-Gold  und Sie sind erst 25 Jahre alt. Was kann da noch kommen? 

Leo Neugebauer: 
In Zukunft? Keine Ahnung! Jetzt wird erst mal gefeiert! Es gibt eine Umarmung für meinen Coach und meine Familie und dann schauen wir, was der Abend so bringt. 

Sie trainieren weiterhin in Texas bei Ihrem Coach Jim Garnham, haben aber Ihr Studium an der University of Texas beendet. Gestern haben Sie angedeutet, dass diese Situation in diesem Jahr auch Herausforderungen mit sich gebracht hat. Inwiefern? 

Leo Neugebauer: 
Der Knackpunkt ist, dass ich dadurch nicht mehr so viele Wettkämpfe gemacht habe. Als College-Athlet sind viele Wettkämpfe ja vorgegeben. Dadurch hat mir etwas die Wettkampfpraxis gefehlt. Wir müssen jetzt erst mal ein Recap machen, alles sacken lassen. Dann werde ich mich mit dem Coach zusammensetzen und wir werden sehen, was die nächste Saison bringen wird. Aktuell steht noch gar nichts fest. 

Mehr zum Gold-Coup von Leo Neugebauer: 
Tokio Tag 8 & 9 | Leo Neugebauer krönt sich zum Zehnkampf-Weltmeister
Tokio Tag 9 | Leo Neugebauer ist „König der Athleten“, Bronze für DLV-Sprinterinnen

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets