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Ruth Sophia Spelmeyer nimmt die nächste Schallmauer ins Visier

Das Olympia-Finale war für sie außer Reichweite. Und dennoch sorgte Ruth Sophia Spelmeyer mit ihren Auftritten in Rio gleich für mehrere Glanzmomente. Die 25-Jährige schraubte ihre 400-Meter-Bestzeit im Vorlauf um fast eine halbe Sekunde auf 51,43 Sekunden nach unten. Die nächste Schallmauer rückt näher.
Silke Morrissey

Ruth Sophia Spelmeyer (VfL Oldenburg) zählte in Rio zu den strahlendsten Athletinnen im deutschen Olympia-Team. Und die 400-Meter-Läuferin hatte allen Grund zur Zufriedenheit: Im Vorlauf steigerte sie sich auf glänzende 51,43 Sekunden und schaffte es überraschend bis ins Halbfinale. Bis ins Jahr 2002 muss man in den Bestenlisten zurück blättern, um eine deutsche Athletin zu finden, die schneller war – und die heißt Grit Breuer.

Dass die Leistung im Vorlauf keine Eintagsfliege war, sondern Ausdruck eines neuen Lauf-Niveaus, bewies Ruth Sophia Spelmeyer nur einen Tag später im Halbfinale, als noch einmal 51,61 Sekunden in die Ergebnislisten eingingen. Zweimal deutlich unter Bestzeit, zum Saison-Höhepunkt, im Vergleich mit den besten Athletinnen der Welt: Es war auch ohne Final-Einzug oder gar Medaille eine Leistung, die großen Respekt verdient.

Halbfinal-Aus von Amsterdam abgehakt

Vielleicht werden sich bei den nächsten Auftritten der Oldenburgerin dann auch die Journalisten am Zaun der Mixed Zone drängen. In Rio konnte die 25-Jährige, die in Hannover lebt und trainiert, noch fast unbehelligt in den Katakomben verschwinden. Diejenigen, die auf sie warteten, erlebten eine sympathische, erfrischende Athletin, die selbst weniger von ihren Leistungen überrascht war als die Zuschauer.

„Ich wusste, dass das, was ich in Regensburg gezeigt habe, noch nicht das Ende der Fahnenstange war“, sagte sie über ihre vorherige Bestzeit von 51,92 Sekunden, die ihr das Ticket nach Rio beschert hatte, und: „Ich wollte unbedingt zeigen, dass ich mehr kann als bei der EM.“

In Amsterdam (Niederlande) war sie geschwächt von einem Infekt angetreten, lag im Vorfeld eine Woche flach – und schied in 52,40 Sekunden im Halbfinale aus. Pünktlich für Rio kehrte die Form zurück, sodass sie sich mit ihrem Trainer Edgar Eisenkolb sogar eine tiefe 51er Zeit im 20er Bereich zugetraut hatte.

Die 50 im Blick

So verwundert es denn auch nicht, dass Ruth Sophia Spelmeyer als nächstes die 51-Sekunden-Grenze ins Visier nehmen will. „Das ist ein ganz schönes Brett“, gesteht sie, „aber ich denke, das ist möglich, daran werde ich arbeiten.“ Zum Einzug in das Olympia-Finale waren in Rio 50,75 Sekunden gefordert. Die Top Acht auf Weltniveau – durchaus ein Ziel, das für die Langsprinterin irgendwann in Reichweite rücken könnte.

Anders sieht es da aus, wenn die Rede auf den immer noch gültigen Weltrekord von 47,60 Sekunden der DDR-Athletin Marita Koch kommt. „Manchmal fragen mich andere, die sich nicht so gut auskennen: Und was ist der Weltrekord auf deiner Strecke?“ berichtet sie. Sie müsse dann antworten: „Der ist vier Sekunden schneller.“ Und erklären, dass es andere Zeiten gewesen seien, in denen Athletinnen in diesen Dimensionen unterwegs waren.

Vorne noch Reserven

Letztlich sei dieser Vergleich aber für sie irrelevant. Ruth Sophia Spelmeyer blickt auf die Reserven, die sie selbst noch rauskitzeln kann. „Hinten raus ist es schon top“, sagt sie, „aber der Start ist nicht so meins.“ So rannte ihr die Konkurrenz im Halbfinale auch auf und davon, bevor sie auf den letzten 100 Metern zur Aufholjagd ansetzte.

Rückenwind beim Training für die nächsten Ziele wird Ruth Sophia Spelmeyer der Zuspruch geben, den sie nach ihren Auftritten aus der Heimat erfahren hat. „Es haben sogar Leute bei meinen Eltern an der Tür geklingelt und gesagt: ‚Wir haben Ihre Tochter im Fernsehen gesehen‘“, berichtete sie lachend. Die Nachrichten per Facebook, What’s App & Co. seien überwältigend gewesen.

Auch die Staffel ist im Aufwind

Der dritte und letzte Auftritt der Langsprinterin im Olympiastadion von Rio endete schließlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Platz neun mit der Staffel, in 3:26,02 Minuten. Eine Steigerung der Saison-Bestzeit um anderthalb Sekunden, die beste deutsche Staffel-Zeit seit EM-Silber 2010 in Barcelona (Spanien). Und doch knapp am Finale und am hoch gesteckten Ziel vorbei.

Es ist ein Erfolg, dass im Langsprint der Frauen nach mageren Jahren wieder ein Wort mitgeredet werden kann bei der Vergabe internationaler Finaltickets. Mit der jungen Laura Müller (LC Rehlingen) sowie den Kölnerinnen Friederike Möhlenkamp und Lara Hoffmann hat der DLV weitere hoffnungsvolle Athletinnen – und mit der erfahrenen Esther Cremer (TV Wattenscheid 01) eine 51-Sekunden-Sprinterin in der Hinterhand, die bei voller Gesundheit das Team verstärken kann.

Ganz oben in der Rangfolge steht nun aber spätestens seit diesem Sommer Ruth Sophia Spelmeyer. Und ihre Träume sind noch lange nicht ausgeträumt. „Wir hatten riesengroße Erwartungen“, sagte sie nach der Staffel. Und: „Man malt sich ja immer das Allergrößte aus.“ Beste Voraussetzungen für den nächsten Schritt nach vorne. Denn nur wer nach den Sternen greift, kann sie bekanntlich irgendwann auch erreichen. 

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