Hallesche Werfertage sind Feiertage: 1974 in der ehemaligen DDR ins Leben gerufen überstand das Meeting die Wende und ist zu einem einzigartigen Sportfest für die Werfer geworden. Ganze Werfergenerationen sind hier schon am Start gewesen. Legendär: Betty Heidlers bis heute gültiger Hammerwurf-Weltrekord 2011 mit 79,42 Meter. Am 17./18. Mai feiern die Halleschen Werfertage ihr 40-jähriges Bestehen.
Seit 1974 trifft sich in der Händelstadt die Werferfamilie aus Olympiasiegern, Welt- und Europameistern, aber auch Nachwuchsathleten und Behindertensportler zu einem Familienfest mit der einzigartigen Tradition, in der ein Sportfest so lange vor und nach der Wende existiert.
„Das ist weltweit vermutlich einmalig“, sagte Rainer Ritschel, der nach der Wende 17 Jahre die Geschicke auf dem Sportzentrum Brandberge leitete, noch im Vorjahr. „Bei uns haben ganze Werfergenerationen ihre Karriere entwickelt.“ Im Herbst verstarb Ritschel im Alter von 75 Jahren.
Ritschel und Böttcher hinterlassen große Lücke
„Die Werfertage sind ein Stück weit mein Leben“, sagte auch Gerhard „Bötti“ Böttcher, einer der erfolgreichsten Wurftrainer der Welt und Organisationsleiter der Werfertage, wenige Tage vor seinem Tod Mitte April in einem Gespräch mit leichtathletik.de über 40 Jahre Werfertage.
Der Tod der beiden Meeting-Macher Ritschel und Böttcher ist, von dem menschlichen Verlust ganz abgesehen, in Halle schwer zu schließen – das weiß auch Heidi Eckert. Sie hat vor acht Jahren den Staffelstab als Meetingchefin von Ritschel übernommen.
Stolz auf die Entwicklung
„Wir sind sehr stolz, dass wir die Veranstaltung so entwickeln konnten wie sie heute dasteht“, sagt Heidi Eckert. Kaum ein Weltklasse-Werfer, der nicht im Sportzentrum Brandberge gestartet ist. Und auch die lokalen Wurf-Helden halfen kräftig am guten Ruf der Werfertage mit und ermöglichten die lokale Identifikation.
So kommen etwa die Diskuswerfer Lothar Milde, (Olympiazweiter 1968), Anita Otto (EM-Dritte 1966), Ilke Wyludda (Olympiasiegerin 1996) und die aktuelle Vize-Europameisterin Nadine Müller aus Halle. Mit dem Speer waren die Hallenser Wolfgang Hanisch (Olympiadritter 1980), Karen Forkel (Olympiadritte 1992) und Silke Renk (Olympiasiegerin 1992) erfolgreich und Marita Lange wurde 1968 Olympia-Zweite mit der Kugel.
Legendäres Werferfest
Fragt man die Athleten nach dem Erfolgsgeheimnis der Werfertage, so nennen sie alle das Werferfest am Abend nach den Spitzenwettkämpfen. Was da abgeht, hat etwas mit scheinbar so unzeitgemäßen Werten wie Kameradschaft und Gemeinschaft zu tun.
In Zeiten, in denen Gelder knapper und Athleten teurer werden, hat Halle auch ein legendäres Fest für die Werfer zu bieten. Olympiasieger Robert Harting (SCC Berlin) in der Lederhose, Betty Heidler mit Sonnenhut und Blumenkranz um die Hüfte oder Olympiasiegerin Ilke Wyludda im weißen Tütü, sind wohl einzigartige Auftritte von Weltklassesportlern. Klaus Peschka ist der Vater dieser Feste.
Schild erinnert an Heidlers Weltrekord
Jürgen Schult, Bundestrainer und Weltrekordler, zunächst als Aktiver, dann als Trainer in Halle dabei, bringt seine Wertschätzung von Halle auf den Punkt: „Es ist einzigartig in der Welt.“
Einzigartig ist bis heute in der Welt auch der Wurf von Betty Heidler (LG Eintracht Frankfurt), an den ein kleines Schild neben dem Hammerwurfnetz erinnert: 79,42 Meter. So weit hat Betty Heidler den Vier-Kilo-Hammer hier geworfen: Weltrekord bis heute! Für Rainer Ritschel, den Vater der Werfertage, war dies ein besonderes Ereignis. „Auf diesen Tag haben wir 37 Jahre gewartet“, sagte Rainer Ritschel damals.
Ein besonderes Erlebnis hatte auch Weltmeister Robert Harting in Halle. 2012 übertraf er hier erstmals die 70 Meter-Marke (70,31 Meter) – und spendete anschließend am Diskusring 70 Kuchen!
Stimmen zu den „Halleschen Werfertage“
Betty Heidler:
„Halle ist für mich ein ganz besonderes Pflaster. Dort bin ich am Start seit ich Hammer werfe mit 15 Jahren. Mit meinem Weltrekord, der immer in den Geschichtsbüchern stehen wird, kommen viele Emotionen hoch. Dabei bin ich eigentlich überrascht, dass er die Saison 2013 überlebt hat. Wer ihn übertreffen könnte? Ich selbst natürlich.“
Christina Obergföll:
„Halle ist der Klassiker der deutschen Werfermeetings. Es ist komplett und bringt immer eine tolle Stimmung. Ich bin seit 1998 dabei und habe hier mit 46 Meter angefangen und inzwischen mit 68,08 Metern den Meetingrekord. Halle – das ist einfach Tradition!“
Robert Harting:
„Routinen bilden den Alltag des Menschen. Warum? Wegen der Stabilität. Die Stabilität, einen tollen Saisoneinstand zu haben, als auch darauf aufzubauen, um später die erfolgreichste Disziplin des Deutschen Leichtathletik-Verbands vertreten zu können, haben die Halleschen Werfertage zu einem Werfermanifest geformt. Nach Stabilität kommt Standard, hier gilt es auch weiterhin Maßstäbe zu setzen und sich nicht in Routine erstarren zu lassen. Ich schätze das Team in Halle sehr und bin aufs Neue bereit, alles zu geben.“
Franka Dietzsch:
„Ich war seit der Wende bis auf eine Ausnahme immer dabei. Inzwischen betreue ich hier drei talentierte Mädchen. Es war immer Standortbestimmung gegen die Weltelite. Hier stimmte immer alles: Konkurrenz, Publikum und den Athleten fehlte es an nichts. Anfangs stand ich immer hinter Ilke Wyludda, dann konnte ich hier auch selber gewinnen. Halle ist nicht nur ein Wettkampf, Halle ist auch Begegnung.“
Lars Riedel:
„Von den 27 Jahren, in denen ich Diskus geworfen habe, war ich sicher über zehn Mal in Halle am Start. In den 80er Jahren landete ich noch unter ferner liefen, später konnte ich dann einige Male gewinnen, zuletzt 2005 mit einem 69er Wurf. Wiesbaden und Halle war immer der ideale Saisonstart. Für mich war es ein Heimspiel, bei dem die Werferfamilie zusammengekommen ist. Hier wurde in 40 Jahren konstante Arbeit geleistet“.
Ilke Wyludda:
„Werfertage – das waren immer die schönsten Wettkämpfe des Jahres. Schön natürlich, dass ich Halle ein paar Mal gewinnen konnte. Die Anlagen stehen in der Natur, da sind meine Freunde, hier bin ich zuhause. Auch nach meiner Bein-Amputation bin ich hier wieder in den Sport zurückgekommen“.
Maria Ritschel:
„Beim ersten Werfertag war ich als Speerwerferin dabei, seitdem immer als Trainerin. Die Werfer waren immer eine große Familie, und das wollen wir auch heute noch pflegen. Natürlich spielte zu DDR-Zeiten das Geld keine Rolle, heute schon. Mein Mann war glücklich, dass die Werfertage nach der Wende zu dem geworden sind. Er war stolz darauf.“
Jürgen Schult:
„In Halle hat meine Diskuskarriere begonnen Hier habe ich Größen der Leichtathletik getroffen wie Jan Zelesny. Mein Schützling Markus Münch hat 2012 mit 66,28 Meter die Olympianorm erreicht – ein schönes Trainer-Erlebnis.
Ingrid Häussler (Präsidentin der Halleschen Leichtathletik-Freunde):
„Wir sind erschüttert und traurig, mit Rainer Ritschel und Gerhard Böttcher in so kurzer Zeit zwei Hauptverantwortliche der Werfertage verloren zu haben. Diese Veranstaltung ist für mich das wertvollste Sportereignis in Halle überhaupt. Sie ist so wertvoll für den Zusammenhalt der Athleten, so etwas wie der Kitt in der Leichtathletik.“