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Gina Lückenkemper – Raus aus der Komfortzone, rein ins Training mit Weltmeistern

Im November 2019 hat Sprinterin Gina Lückenkemper sich in Florida der Trainingsgruppe von US-Trainer Lance Brauman angeschlossen. Ihr großes Ziel dabei: Herausfinden, wie viel sie aus sich herausholen kann. Nach drei Monaten Training mit Weltmeistern und Olympiasiegern zieht die 23-Jährige eine erste Bilanz.
Jane Sichting

Die Hallensaison ist in vollem Gange, doch ein Name wird auf den Startlisten in diesem Winter fehlen: Gina Lückenkemper (SCC Berlin). Hatte sie im vergangenen Jahr noch einige Rennen unter dem Hallendach bestritten, konzentriert sich die Vize-Europameisterin von 2018 über 100 Meter sowie Dritte mit der 4x100-Meter-Staffel im Olympiajahr 2020 ganz auf die Freiluft-Saison. Und trainiert dafür unter der Sonne Floridas (USA) „so hart wie noch nie in meinem Leben“.

Im November 2019 hat sich die 23-Jährige der Trainingsgruppe „Pure Athletics“ unter US-Coach Lance Brauman in Clermont angeschlossen. Mit diesem Schritt verließ sie nicht nur ihre Komfortzone –Trainer Ulrich Kunst, der sie lange Jahre betreute, sowie das vertraute Umfeld mit Freunden und Familie –, sondern tauschte auch die Trainingseinheiten allein an unterschiedlichen Orten gegen eine Gruppe von etwa 20 Spitzenathleten aus unterschiedlichen Nationen. 200-Meter-Weltmeister Noah Lyles (USA) und 400-Meter-Olympiasiegerin Shaunae Miller-Uibo (Bahamas) gehören nun zu Gina Lückenkempers Trainingskollegen.

„Wir sitzen alle im selben Boot“

Von dieser Konstellation profitiert die Sprinterin vor allem in besonders anstrengenden Einheiten wie bei Tempoläufen am Berg. „Es ist schön, Trainingskollegen zu haben, die einen auffangen und trotz schwerer Beine wieder mit zum Start herunter schleifen“, erzählt sie lachend. „Wir sitzen alle im selben Boot, egal woher man kommt. Wir haben alle Ziele, die wir erreichen wollen, und sind aus dem Grund da, dass wir besser werden wollen. Die gegenseitige Unterstützung im Training ist eine sehr schöne Erfahrung für mich.“

Insgesamt waren für die Studentin der Wirtschaftspsychologie in Clermont drei Aufenthalte von jeweils etwa sechs Wochen Dauer geplant – zwei davon hat sie bereits hinter sich. Und die ersten Veränderungen zeigen Wirkung. Strukturell unterscheidet sich das Training in den USA vor allem in der Anzahl der Einheiten sowie der Länge der Regenerationszeit von den gewohnten Abläufen.

„Wir gehen nach jeder Trainingseinheit noch einmal in den Kraftraum. Deswegen dauert das auch mal bis zu viereinhalb Stunden. Andere splitten das Ganze auf und machen daraus zwei Einheiten. Wir machen das alles in einer längeren Einheit am Vormittag, damit wir anschließend eine längere Regenerationsphase am Stück haben“, erklärt Gina Lückenkemper.

Stallgeruch für das Wohlbefinden

Insgesamt stehen pro Woche vier Einheiten sowie ein aktiver Regenerationstag auf dem Plan. Denn die Regeneration habe unter Brauman einen sehr hohen Stellenwert – auch mental. „Mein Trainer hat mir sogar die Möglichkeit gegeben, ein bisschen Stallgeruch zu schnuppern, und extra den Kontakt zu einem Stall hergestellt. Weil er einfach weiß, wie wichtig das für mein Seelenheil ist – auch wenn ich mein Pferd Picasso natürlich vermisse“, sagt die Hobbyreiterin.

Gleichermaßen wird viel Wert auf das regelmäßige und sauber durchgeführte Training im Kraftraum gelegt. Weil sie früher nie viel im Kraftraum trainiert habe, sei das für die zweimalige WM-Halbfinalistin eine große Umstellung gewesen. „Deswegen bin ich da manchmal noch etwas zögerlich und zaghaft“, meint sie, „aber ich habe das entsprechende Umfeld, das mich da unterstützt. Zudem haben wir tolle Trainer an unserer Seite, wie etwa unseren Kraftcoach Steven, der großen Wert darauf legt, dass wir alle Übungen vernünftig ausführen.“

Doch weil Kraft allein einen Sprinter nicht schnell macht, nimmt auch das Techniktraining viel Raum im täglichen Training ein. „Ich merke, dass ich vor allem im technischen Bereich große Fortschritte mache“, erzählt die gebürtige Soesterin. Und ergänzt: „Das ist vor allem meinem Coach Lance zu verdanken, dass er da teilweise anders an Dinge herangeht. Er sagt mir nicht nur, wo das Problem liegt, sondern zeigt mir direkt eine Lösungsmöglichkeit auf. Das hilft mir ungemein.“

Fortschritte im technischen Bereich

Derzeit arbeite sie unter anderem intensiv an ihrem Start: „Obwohl ich keine Hallensaison bestreite, sitze ich zweimal in der Woche im Startblock.“ Zudem treffe sich die Trainingsgruppe jeden Mittwoch in einem Klassenzimmer, um gemeinsam über Sprinttechnik zu diskutieren. „Das ist sehr produktiv. Somit entwickeln wir ein besseres Verständnis dafür, was wir auf der Bahn machen“, berichtet die 23-Jährige.

Ebenfalls besonders sei für die mehrmalige Deutsche Meisterin die Trainingsphilosophie ihres Trainers Lance Brauman. „Lance glaubt persönlich an den puren, an den reinen Athleten. Er ist davon überzeugt, dass ein Leistungssportler keine Nahrungsergänzungsmittel oder Sonstiges nehmen muss, sondern dass man das alles auch aus der Ernährung an sich ziehen kann“, sagt Gina Lückenkemper. Und die sei bei ihr schon immer sehr ausgewogen gewesen.

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