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Marvin Schlegel – Nächster Titelträger aus U23-Goldstaffel

Olympia-Verschiebung, EM-Absage, viel Unsicherheit, dann aber doch Deutsche Meisterschaften in Braunschweig. Im Jahr 2020 war coronabedingt vieles anders. Hervorgebracht hat der Sommer dennoch wieder neun DLV-Athletinnen und -Athleten, die ihren ersten nationalen Einzeltitel bei den Erwachsenen gewonnen haben. Wir stellen sie vor, heute Langsprinter Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz).
Jan-Henner Reitze

Marvin Schlegel
LAC Erdgas Chemnitz

Bestleistungen:

400 Meter: 45,80 sec (2020)

Erfolge:

U23-Europameister 2019 (Staffel)
Fünfter U20-WM 2016 (Staffel)
Vierter U18-WM 2015 (Mixed-Staffel)
Deutscher Meister 2020

Schon in seiner Zeit als U20-Athlet hat Marvin Schlegel großes 400-Meter-Talent gezeigt. In diesem Jahr ist es ihm erstmals gelungen, die Spitzenposition in seiner Disziplin in Deutschland zu erobern. Nachdem er in vier Rennen die zum Teil versammelte nationale Konkurrenz in Schach gehalten hatte, reiste der 22-Jährige als Favorit zu den Deutschen Meisterschaften nach Braunschweig und wurde dieser Rolle gerecht. In 45,80 Sekunden war außerdem die Bestzeit aus dem DM-Finale 2018 (45,95 sec) Geschichte.

Damit konnte der Chemnitzer auch Titelverteidiger Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund) hinter sich lassen, mit dem er im Vorjahr noch gemeinsam Staffel-Gold bei der U23-EM in Gävle (Schweden) gewonnen hatte. Nach seinem ersten deutschen Meistertitel bei den „Großen“ sammelte Marvin Schlegel noch Erfahrung in internationalen Rennen, zum Beispiel bei seinem ersten Start in der Diamond League in Stockholm (Schweden). Unterm Strich hat 2020 einen weiteren wichtigen Leistungs-Fortschritt gebracht, neue Situationen mussten gemeistert werden und der Hunger auf mehr ist ungebrochen.

„Die Olympiaabsage war zuerst ein Rückschlag. Dann haben meine Trainingsgruppe und ich aber das Beste daraus gemacht. Wir haben ein Jahr gewonnen, um an unseren Schwächen zu arbeiten und noch besser zu werden“, erzählt der Aufsteiger. „Für mich hieß das mein Rennmodell zu optimieren, also kontrollierter anzugehen, um hinten raus nicht mehr so einzubrechen. Außerdem habe ich so viele Rennen wie noch nie gemacht und konnte dabei vielfältige, wertvolle Erfahrungen sammeln.“

Vater Kay erkennt Schnelligkeit

Der Anstoß, es überhaupt mit der Leichtathletik zu versuchen, kam von Vater Kay, von Beruf Sportlehrer. Sohn Marvin hatte es in seiner Kindheit zuerst in den Fußall-Verein gezogen. Dort stand er in seiner sächsischen Heimat beim SV Einheit Bräunsdorf im Tor. Seine Schnelligkeit, die sein Vater in ihm sah, konnte der heutige Leistungssportler dabei nicht unter Beweis stellen. Im Alter von 12 Jahren probierte er deshalb das Training in der Leichtathletik-Abteilung aus und fuhr sportlich erst einmal zweigleisig.

Mit 14 Jahren wechselte der Langsprinter zum LAC Erdgas Chemnitz und gab den Vereins-Fußball auf, denn es hatte sich rausgestellt: Sein Vater hatte Recht. In der Altersklasse M14 stellte Marvin Schlegel mit 37,07 Sekunden einen sächsischen Landesrekord über 300 Meter auf. In der Langsprint-Gruppe von Lars Milde wurde das Talent weiter gefördert. Nach dem Realschulabschluss in Freiberg besuchte der Nachwuchsathlet mit dem Sportgymnasium auch eine Schule in Chemnitz.

Frühe Einsätze im Nationaltrikot

Mit der U18 begann die 400-Meter-Karriere, die gleich 2014 den ersten von insgesamt vier Titeln bei Deutschen Jugendmeisterschaften bereithielt. Ein Jahr später blieb der damalige Schüler in 46,92 Sekunden als erster deutscher U18-Athlet in diesem Jahrtausend unter 47 Sekunden und qualifizierte sich für die U18-WM in Cali (Kolumbien). Der Einzelstart führte ins Halbfinale, mit der Mixed-Staffel fehlten nur neun Zehntel zu Bronze.

„Das war ein Punkt, an dem ich mir dachte, es kann was werden mit dem Leistungssport. Insgesamt war das aber ein Prozess, in den ich immer weiter reingewachsen bin“, so Marvin Schlegel. Bei U20-WM und -EM folgten 2016 und 2017 weitere Einsätze bei internationalen Nachwuchsmeisterschaften.

Als U20-Athlet schon in A-Nationalmannschaft

Als damals 19-Jähriger lief der Aufsteiger 2017 aber auch schon in die A-Nationalmannschaft. Seine 46,78 Sekunden von der Vize-Meisterschaft bei der Hallen-DM wurden zwischenzeitlich sogar als U20-Europarekord geführt. Der Europaverband EAA hatte diese Bestmarken reformiert, so dass auch der Deutsche U20-Hallenrekord von Thomas Schönlebe (46,39 sec) aus dem Jahr 1984 nicht mehr berücksichtigt wurde.

Diese Leistung führte Marvin Schlegel zur Hallen-EM nach Belgrad (Serbien). „Mit dieser Zeit und auch dem Rekord hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Von der ganzen Situation war ich ein wenig überwältigt, habe aber auch viel daraus gelernt.“ Im gleichen Jahr wurden auch endgültig die Weichen in Richtung Sport gestellt.

Die Landespolizei Sachsen nahm den Langsprinter in seine Sportfördergruppe auf, der dafür auf das Abitur verzichtete. Außerdem folgte der Wechsel in die Trainingsgruppe von Jörg Möckel und Christopher Montague. Mit dem Vorlauf-Einsatz bei der Heim-EM in Berlin und dem Gold-Gewinn bei der U23-EM 2019 in Gävle (Schweden) ging es in der Staffel international nahtlos weiter. Im Einzel war die nationale Konkurrenz allerdings näher gekommen und zum Teil vorbeigezogen.

Langjährige Konkurrenten, aber auch Teamspirit

Vor allem Manuel Sanders und Fabian Dammermann (LG Osnabrück) schnappten Marvin Schlegel schon in der U20, aber auch der U23 den ein oder anderen deutschen Meistertitel weg. Gleichzeitig wurden gemeinsam internationale Staffel-Erfolge gefeiert, mit U23-EM-Gold als vorläufigem Höhepunkt. „Wir kennen uns schon lange und profitieren voneinander. Nicht nur, dass wir uns im Einzel gegenseitig ans Limit pushen. Wir wissen auch, dass in der Staffel jeder für den anderen das absolut Beste gibt.“

Mit Corinna Schwab (LG Telis Finanz Regensburg) ist eine weitere langjährige Bekannte mittlerweile sogar Trainingspartnerin in der Gruppe von Jörg Möckel, beide standen schon 2015 gemeinsam in der Mixed-Staffel der U18-WM. Die 21-Jährige hat in diesem Jahr bei den Frauen national die 400-Meter-Rennen dominiert und hat sich damit eine ähnliche Position erarbeitet wie Marvin Schlegel. Auch Trainingsgruppen-Mitglied Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar) konnte 2020 an ihre besten Zeiten anknüpfen. Das Trio hat einen erfolgreichen Sommer hingelegt und damit ordentlich Selbstvertrauen für weitere Steigerungen getankt.

Entwicklung fortsetzen, langfristiges Ziel: Unter 45 Sekunden

Denn zu verbessern gibt es immer etwas. „Meine Rennen gegen internationale Konkurrenz haben mir noch Defizite aufgezeigt. Gegen größere Namen zu laufen, ist schon eine Hausnummer“, berichtet Marvin Schlegel. „Ich muss es noch schaffen, auch unter diesen Umständen mein Rennen durchzuziehen.“ Als nächstes möchte er konstant um oder unter 46,0 Sekunden laufen und seine Bestzeit Richtung 45,5 Sekunden drücken.

Das erklärte Ziel ist auch die Staffel-Teilnahme bei den Olympischen Spielen in Tokio (Japan). Genauso gerne wie der neue Deutsche Meister, würden auch seine Eltern eine Reise dorthin planen. Sie versuchen kein Rennen ihres Sohnes zu verpassen. Auch im sportlichen Alltag sind Familie, genauso wie seine Freundin, eine große Unterstützung.

Das langfristige Ziel ist eine Zeit unter 45 Sekunden. „Dafür gehe ich jeden Tag zum Training. Allerdings gibt es auf dem Weg dorthin noch viele Zwischenstationen.“

Video: Marvin Schlegel dominiert heißes 400 Meter Rennen

Das sagt Bundestrainer Edgar Eisenkolb:

Marvin hat einen furiosen Karrierestart hingelegt. Bis zum Ende seiner U20-Zeit wurde er von Lars Milde trainiert, der durch Peter Dost geprägt wurde, dem früheren Trainer von Thomas Schönlebe. Damit, dass dann Jörg Möckel die Betreuung übernommen hat, war auch ein Systemwechsel verbunden. Die Sprintschnelligkeit wurde gegenüber der Sprintausdauer mehr in den Mittelpunkt gestellt.

Damit ging die Entwicklung erst einmal nicht so rasant weiter. In diesem Jahr nun ist der Knoten geplatzt. Das System ist stabiler, Marvin beherrscht sein Rennmodell besser. Er gehört zu unseren Hoffnungsträgern aus der U23-Goldstaffel von Gävle. Charakterlich ist Marvin ein eher ruhiger Typ, der sich seinen Aufgaben stellt, trainingsfleißig ist und versucht, alles auf den Punkt umzusetzen.

Das am Rennmodell orientierte Training bietet sehr gute Möglichkeiten, sich kontinuierlich weiter zu entwickeln. Dieses Jahr hat es zu 45,80 Sekunden geführt. Das nächste Ziel sind 45,50 Sekunden. Davor liegen 365 Tage Arbeit.

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