| Interview der Woche

Karl Junghannß: „Die letzten acht Kilometer waren die härtesten“

Im slowakischen Dudince hat Karl Junghannß (LAC Erfurt Top Team) am Samstag als erster deutscher Langstrecken-Geher die Olympia-Norm über 50 Kilometer unterboten. Er kam in 3:49:45 Stunden als Vierter ins Ziel. Im Interview erzählt er von den letzten 100 Metern, bangen Stunden vor seinem Start und die weitere Vorbereitung.
Sandra Arm

Karl Junghannß, herzlichen Glückwunsch zur Olympia-Norm. Wie haben sich für Sie die letzten 100 Meter angefühlt?

Karl Junghannß:

Nicht so gut. Ich habe mächtig gekämpft und war froh, als ich im Ziel war. Ab Kilometer 42 ging es bei mir richtig schwer und dann wurden die letzten acht Kilometer richtig hart.

Ein Lächeln huschte Ihnen kurz vor der Ziellinie dennoch über die Lippen.

Karl Junghannß:

Das war ein kleiner Moment, ich war erleichtert. Viel mehr kam dann nicht mehr.

Mit welcher Devise sind Sie in Ihren ersten Wettkampf des Jahres gestartet?

Karl Junghannß:

Ich wollte schon deutlich unter meiner Bestzeit gehen und versuchen, unter 3:45 Stunden zu bleiben. Das Hauptziel war die Olympia-Norm – das habe ich erreicht und kann damit zufrieden sein.

Die Zwischenzeiten gaben Hoffnung für mehr. Wann haben Sie gemerkt, dass Sie das schnelle Tempo nicht mehr halten können?

Karl Junghannß:

Ich bin risikobereit angegangen. Bis Kilometer 35, 40 hat sich alles noch recht gut angefühlt. Meine Durchschnittszeit auf den Kilometer lag bei 4:28 Minuten. Dann kam der Einbruch, irgendwann war die Energie komplett leer. Am Ende hatte ich eine Rundenzeit von um die fünf Minuten auf einen Kilometer. Das ist vergleichbar mit einem normalen Trainingstempo. Das ist schon sehr viel Zeit, die man auf den nachfolgenden Runden verliert. Ich wusste, ich bringe das Rennen mit der Norm zu Ende.

Das erklärt, weshalb Sie vom zweiten auf den vierten Platz durchgereicht wurden.

Karl Junghannß:

Für mich war es einfach schwer, nochmal mit jemandem mitzugehen. Die Beiden [Anm. d. Red.: Rafal Augustyn und Andrés Chocho] waren zwar ebenfalls nicht mehr so schnell unterwegs, aber ich hatte dann nichts mehr zuzusetzen.

Was hat Ihnen auf den letzten acht Kilometern gefehlt?

Karl Junghannß:

Mir hat die Ausdauer gefehlt. Wir haben dieses Jahr an der Technik und der Stabilität gearbeitet. Vielleicht lag es auch daran, dass wir in den vergangenen Monaten nicht die Dichte an langen Strecken trainiert haben. Das habe ich hinten raus schon ein bisschen gemerkt. Für mich war es trotzdem ein guter Wettkampf.

Der für Sie wirklich am seidenen Faden hing. Ihr erstes Corona-Testergebnis aus Erfurt ließ lange auf sich warten. Der Start war plötzlich ungewiss.

Karl Junghannß:

Das war wirklich ein großes Problem. Ich habe mich am Mittwoch in Erfurt testen lassen. Das Testergebnis durfte nicht älter als 72 Stunden sein. Es kam nicht innerhalb von 24 Stunden, auch nicht nach 48 Stunden. Ich bin ohne zu wissen, ob ich überhaupt starten darf, trotzdem am Freitag angereist. Glücklicherweise wurde noch ein Test vor Ort durchgeführt. Ich wusste dann in der Nacht von Freitag zu Samstag, dass der Test negativ ist und ich starten darf. Das war nicht optimal und trug mit dazu bei, dass ich mich nicht zu 100 Prozent auf den Wettkampf fokussieren konnte. Das Ergebnis von meinem ersten Test habe ich erst am Samstagabend per Mail bekommen.

Wie haben Sie die Bedingungen vor Ort wahrgenommen?

Karl Junghannß:

Ich bin dem Veranstalter sehr dankbar, dass er in diesen schwierigen Zeiten den Mut hatte, diesen Wettkampf unter den strengen Hygienebestimmungen durchzuführen. Der Wettkampf stand zwischendurch sogar auf der Kippe. Es war eine sehr gut organisierte Veranstaltung. Die Athleten konnten sich auf den Wettkampf sehr gut fokussieren. Es hat alles prima geklappt, ohne dass wir die großen Einschränkungen hatten. Eine der Auflagen war, am Start eine Maske zu tragen. Die konnten wir nach 100 Metern wegwerfen. Im Ziel gab es dann eine neue.

Wie ist es Ihnen nach dem Rennen ergangen?

Karl Junghannß:

Ich konnte im Ziel noch stehen (lacht). Im Zelt habe ich mich etwas hingelegt. Der Körper hatte Zeit sich zu regenerieren, und nach einigen Minuten fühlte ich mich wieder besser. So richtig genießen konnte ich das Erreichte noch nicht.

Wie sieht Ihre weitere Vorbereitung aus?

Karl Junghannß:

So genau kann ich das gar nicht sagen. In der aktuellen Situation ist es natürlich schwierig. Geplant ist ein Trainingslager im Dezember und ich hoffe, dass wir ein weiteres in wärmeren Gefilden durchführen können. Wo genau? Das werden wir spontan entscheiden. Im nächsten Frühjahr soll ein weiterer Wettkampf über 50 Kilometer folgen. In der Hoffnung auf eine schnellere Zeit speziell auf den letzten acht Kilometern.

Vielleicht werde ich in zwei Wochen noch an einem Halbmarathon teilnehmen. Mir ginge es dort weniger um die Zeit, mehr um den Spaß an einen Wettkampf teilzunehmen. Meine Form ist weiterhin gut. Der Start ist momentan abhängig von der aktuellen Corona-Situation, wie sich meine Beine anfühlen und momentan befinde ich mich in Quarantäne. Ich weiß nicht, ob das Erfurter Gesundheitsamt meine zwei negativen Testergebnisse der vergangenen drei Tage anerkennt oder ob ich nochmals getestet werden muss.

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Die kompletten Resultate finden Sie in unserer Ergebnisrubrik...

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