| Interview der Woche

Johannes Vetter: „Ich fange gerade erst an“

Speerwurf-Ass Johannes Vetter (LG Offenburg) ist am Samstag mit einem Paukenschlag in die Sommersaison gestartet. Im Interview erklärt der 28-Jährige, warum noch deutlich mehr möglich ist als die 91,50 Meter, und spricht über seinen Fahrplan Richtung Olympische Spiele sowie Missgeschicke im Training.
Martin Neumann

Johannes Vetter, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem starken Saisoneinstand in Offenburg mit 91,50 Metern.

Johannes Vetter:

Vielen Dank.

Haben Sie in den letzten Trainingseinheiten gespürt, dass eine solche Weltklasse-Weite schon zu Beginn der Saison möglich ist?

Johannes Vetter:

Ich habe ja schon im Februar aus der Halle heraus 87 Meter geworfen. Seitdem haben wir im Training weiter gut gearbeitet, sodass auch eine Entwicklung zu sehen sein sollte. Diese Entwicklung konnte ich bestätigen. Dass es aber eine so stabile Serie wird, habe ich nicht erwartet.

Sie sprechen es an: Alle Ihre sechs Versuche sind jenseits der 86 Meter gelandet. Was macht Sie zufriedener: die Konstanz auf höchstem Niveau oder die Top-Weite von 91,50 Metern?

Johannes Vetter:

Es ist ein beruhigendes Gefühl, im April im Durchschnitt eines Wettkampfs 88 Meter zu werfen. Es war es ein solider Auftritt, aber es gibt noch Entwicklungspotenzial. Ich werde mich mit 91,50 Metern nicht zufriedengeben. Man darf nicht vergessen: Ich habe den Wettkampf fast komplett aus dem Training heraus bestritten. Nur am Freitag hatte ich trainingsfrei. Donnerstag stand noch eine harte Einheit im Kraftraum an. Da habe ich 230 Kilo beim Bankdrücken bewegt. Erholt ist anders.

Wo sehen Sie besonders großes Potenzial für noch weitere Würfe?

Johannes Vetter:

Da gibt es verschiedene Bereiche. Zum einen wie gesagt in der körperlichen Erholung. Man ist einfach schneller und spritziger, wenn man ausgeruht an den Start geht. Außerdem spielt die Motivation eine Rolle. Es ist etwas Anderes, bei einem großen Wettkampf zu werfen als bei einem Trainingswettkampf wie am Samstag. Mein Ziel ist es, über Wettkämpfe ein hohes und konstantes Niveau zu erreichen. Den richtigen Weg haben wir dafür eingeschlagen. Ich habe mich selten nach einem Wettkampf so gut gefühlt wie dieses Mal. Das heißt: Der Körper hat sich gut an die Belastungen im Training angepasst.

Wie sieht Ihr weiterer Fahrplan Richtung Olympische Spiele in Tokio aus und welche Wettkämpfe sind schon geplant?

Johannes Vetter:

Der nächste Start ist der Winterwurf-Europacup in Split am 8. Mai. Danach folgen die Meetings am 19. Mai in Ostrava und zwei Tage später in Dessau. Auch bei der Team-EM Ende Mai möchte ich auf jeden Fall dabei sein. Und dann kommen schon eine Woche später die Deutschen Meisterschaften.

Bei den Deutschen Meisterschaften am 5./6. Juni in Braunschweig werden die ersten Olympia-Tickets vergeben. Freuen Sie sich auf ein Wiedersehen mit der nationalen Konkurrenz? 2020 waren Sie ja nahezu der „Alleinunterhalter“ in der aktuell wohl stärksten deutschen Disziplin.

Johannes Vetter:

Natürlich freue ich mich auf die Deutschen Meisterschaften. Noch mehr würde ich mich freuen, wenn der Belag bis dahin ein „Update“ bekommt. Der war vergangenes Jahr im Abwurfbereich viel zu weich. Das kann schnell zu Verletzungen führen. Zur Konkurrenz: Ich habe die Jungs im März im Trainingslager in Belek gesehen. Die sind bestimmt alle gut drauf. Daher bin ich auch gespannt, was bei denen geht.

Von heute an gerechnet in exakt 103 Tagen wird in Tokio das olympische Speerwurf-Finale ausgetragen. Nach der Leistung von Offenburg sind Sie erster Gold-Favorit. Sind Sie vielleicht schon zu früh in Top-Form?

Johannes Vetter:

Nein, garantiert nicht. Ich fange gerade erst an. Wenn ich am Samstag Weltrekord geworfen hätte, hätte man das sagen können. Wie gesagt: Ich habe aus dem Training heraus geworfen. So muss man die Leistung einordnen, auch wenn sie weit war.

Obwohl die Saison noch jung ist: Welche Konkurrenten haben Sie beim Rennen um Olympia-Gold ganz oben auf der Rechnung?

Johannes Vetter:

Mit der Konkurrenz beschäftige ich mich sehr wenig. Ich werde auch nicht in Schockstarre verfallen, wenn jemand 90 Meter wirft. Klar ist: Das Jahr wird eine kleine Wundertüte, weil einige ja 2020 gar nicht geworfen haben.

Das Bundesinnenministerium hat angekündigt, alle deutschen Olympioniken vor Tokio gegen Covid-19 zu impfen. Welche genaueren Informationen haben Sie, wann die Impfung stattfinden soll? Schließlich besteht der volle Impfschutz bei fast allen Impfstoffen ja erst nach der zweiten Dosis.

Johannes Vetter:

Die Impfungen sollen jetzt in den kommenden Wochen erfolgen. Diese Entscheidung macht Mut und Olympia auf alle Fälle realistisch, sofern ein Impfangebot den Athleten weltweit zur Verfügung gestellt wird. Ohne Zweifel ist es in jedem Fall ein Privileg.

In der Olympia-Stadt Tokio wurde aktuell erneut der Corona-Notstand ausgerufen. Lassen Sie Gedanken an eine immer noch mögliche Absage oder Verschiebung der Olympischen Spiele überhaupt heran?

Johannes Vetter:

Wir tun weltweit alles dafür, dass alle Athleten vor den Olympischen durchgeimpft werden. Damit wäre für die Japaner, die momentan die Spiele kritisch sehen, das Infektionsrisiko auf ein Minimum reduziert. Deshalb glaube ich fest daran, dass die Olympischen Spiele stattfinden werden. Auch das IOC hat klar gesagt, dass die Spiele ausgetragen werden.

Sie posten in sozialen Netzwerken immer mal wieder Eindrücke aus dem Training. Vergangene Woche war ein Video aus dem Krafttraining dabei, als Sie bei einer Übung das Gewicht nicht mehr halten konnten und es beim Hinunterfallen hinter Ihrem Rücken nur knapp Ihren rechten Fuß verfehlte. Kommen solche Missgeschicke häufiger vor, wenn Sie im Training ans Limit gehen müssen?

Johannes Vetter:

Was heißt häufiger?

Jede Woche?

Johannes Vetter:

Nein, lange nicht. Als Leistungssportler muss man wie Sie richtig sagen ans Limit gehen, ab und zu auch „all in“. Wir bewegen uns in einem extremen Bereich, das ist kein Reha- oder Gesundheitssport. Genau das möchte ich den Menschen zeigen. Und dazu zählen auch Momente, in denen etwas mal nicht klappt und daher auf den ersten Moment gefährlich wirkt.

Apropos Limit: Im September 2020 haben Sie mit 97,76 Metern den zweitweitesten Versuch der Speerwurf-Geschichte hingelegt. Ist diese Weite schon Ihr Limit oder träumen Sie vom Weltrekord von Jan Zelenzny (Tschechien; 98,48 m) oder sogar vom ersten 100-Meter-Wurf mit dem neuen Speer?

Johannes Vetter:

Ich träume von vielen Sachen. Ob aber die 97 Meter schon das Limit gewesen sind, weiß ich nicht. Ich setze mir keine Grenzen, sondern will mich ständig weiterentwickeln.

Hat sich der Speerwerfer Johannes Vetter seit seinem 97-Meter-Wurf weiterentwickelt?

Johannes Vetter:

Ich glaube schon, das hat Offenburg gezeigt. Ich habe körperlich und technisch ein sehr hohes Niveau erreicht. Ich traue mir zu, mein Limit weiter zu verschieben. Leider ist es aber nicht planbar, wann sich diese Verschiebung in Weite auszahlt. Dazu spielen zu viele Faktoren eine Rolle: die Tagesform, die äußeren Bedingungen, die Beschaffenheit der Anlage. Fest steht: Ich lasse ich mich gern von meiner weiteren Entwicklung überraschen.

Die 10 weitesten Würfe von Johannes Vetter:

97,76 m, 6. September 2020, Chorzów (POL)
94,84 m, 6. September 2020, Chorzów (POL)
94,44 m, 11. Juli 2017, Luzern (SUI)
93,88 m, 18. August 2017, Thum
93,06 m, 11. Juli 2017, Luzern (SUI)
92,70 m, 11. März 2018, Leiria (POR)
91,67 m, 18. August 2017, Thum
91,56 m, 4. Mai 2018, Doha (QAT)
91,50 m, 24. April 2021, Offenburg
91,49 m, 11. August 2020, Turku (FIN)

Mehr:

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