| München 2022

EM Tag 2 | Christopher Linke erfüllt sich seinen Medaillentraum

München ist ein gutes Pflaster für die deutschen Athleten – vor allem ein gutes Straßenpflaster. Nach EM-Gold im Marathon der Männer haben auch die deutschen Geher überzeugt. Allen voran Christopher Linke, der am Dienstag über 35 Kilometer Gehen Silber gewonnen hat. Der Olympia-Zweite über 50 Kilometer Jonathan Hilbert wurde Fünfter, Carl Dohmann kam auf Rang acht.
Jane Sichting

Neue Strecke, neue Chance! Der Dienstagmorgen bot bei strahlendem Sonnenschein in der Münchner Innenstadt beinahe perfekte Bedingungen für die Premiere der 35 Kilometer Gehen. Wenngleich es für die Athletinnen und Athleten bereits sehr warm war, präsentierte sich vor allem Christopher Linke (SC Potsdam) zum Saisonhöhepunkt topfit. Musste er seinen WM-Start noch coronabedingt absagen, überzeugte er bei der Heim-EM in Bestform und erfüllte sich den Traum von einer internationalen Medaille – beim Heimspiel in München gewann er Silber.

Nachdem sich der Spanier Miguel Ángel López bereits frühzeitig vom Feld absetzen konnte und bis zum Schluss im Alleingang zu Gold ging, war Linke zunächst auch noch mit dem Thüringer Jonathan Hilbert (LG Ohra Energie) in der Verfolgergruppe unterwegs. Nach 20 Kilometern befand er sich noch immer in der Gruppe, die um die Medaillen kämpften. Während Hilbert ein wenig abreißen lassen musste, konnte Linke sogar noch attackieren und setzte sich acht Kilometer vor dem Ziel an Position zwei vor den Schweden Perseus Karlström.

Endlich die langersehnte Medaille gewonnen

Angefeuert vom Münchner Publikum blieb er auf Silberkurs und konnte sich sogar weiter absetzen und den Vorsprung zum späteren Drittplatzierten Matteo Giupponi aus Italien noch ausbauen. Bereits hundert Meter vor dem Ziel hatte Linke ein breites Lächeln im Gesicht und feierte mit Deutschlandfahne in den Händen in persönlicher Bestzeit von 2:29:30 Stunden den bislang größten Erfolg seiner Karriere: EM-Silber über 35 Kilometer Gehen! "Ich träume noch immer von einer internationalen Medaille", hatte der 33-Jährige im Mai im Interview mit leichtathletik.de gesagt. Ausgerechnet bei der Heim-EM konnte er diesen Traum nun verwirklichen. 

Eine Portion extra Motivation hatte er dafür noch am Abend zuvor im Fahrstuhl von Marathonsieger Richard Ringer (LC Rehlingen) bekommen, welcher ihm gute Beine wünschte und meinte, er solle es ihm nachmachen. Als Linke dann beim Eingehen am Morgen bereits Schmerzen im linken Schienbein – eine typische Geherkrankheit – merkte, hatte er wenig Hoffnung auf Edelmetall. Doch bekam er die Schmerzen in den Griff und konnte voll auf Angriff gehen.

DLV-Trio in den Top Acht

Ein wenig mehr erhofft hatte sich Jonathan Hilbert. Der Olympia-Zweite über 50 Kilometer zeigte sich mit Platz fünf dennoch versöhnlich und schöpfte mit ebenfalls neuer persönlicher Bestzeit (2:32:44 h) Optimismus für die kommenden Jahre. Und auch Carl Dohmann (SCL Heel Baden-Baden; 2:36:53 h) war zunächst ein wenig enttäuscht, freute sich schließlich aber über die gute Mannschaftsleistung und beglückwünschte Christopher Linke zur Medaille.

Bei den Frauen ging Gold im 35-Kilometer-Rennen nach Griechenland. Nachdem die Ungarin Viktoria Madarász bereits nach zwei Kilometern davongezogen war, konnte sie das hohe Tempo nicht konsequent durchziehen und musste sich am Ende mit Platz drei zufriedengeben. Gold gewann die Griechin Antigoni Ntrismpioti (2:47:00 h), die sich auf den letzten Kilometern durchsetzen konnte und Raquel González (2:49:10 h) aus Spanien auf den Silberrang und Viktoria Madarasz (Ungarn; 2:49:58 h) auf Bronze verwies. Die Deutsche Vizemeisterin Katrin Schusters (Polizei SV Berlin; 3:18:38 h) musste früh abreißen lassen und kam bei ihrer EM-Premiere auf Platz 17. Im Ziel nahm sie noch die letztplatzierte Ukrainerin in die Arme und versorgte sie mit Eis.

Stimmen zum Wettbewerb

Christopher Linke (SC Potsdam; 2:29:30 h):
„Ich bin bisher mit Platz vier und fünf bei internationalen Meisterschaften und Olympia immer ganz knapp an einer Medaille vorbeigegangen. Jetzt war Eugene für mich eine Riesen-Enttäuschung, denn ich bin mit sehr hohen Zielen zur WM hingefahren und wollte ganz klar zweimal Top Acht machen. Dass ich natürlich drei Tage vorher Corona bekomme, das konnte ich nicht wissen. Jetzt habe ich 14 Tage trainiert und unsere DLV-Ärzte haben zu mir gesagt, aus medizinischer Sicht bin ich einsatzfähig, solle mir aber keine großen Hoffnungen machen. Ich denke, dass das Geheimrezept heute war, dass ich locker rangegangen bin und mir anders als in der Vergangenheit überhaupt keinen Druck gemacht habe, unbedingt eine Medaille holen zu müssen. Von dem Druck, immer eine Medaille holen zu müssen, davon habe ich mich gelöst und versuche jetzt einfach, immer mein Bestes zu geben. Und wenn es für eine Medaille reicht, dann reicht es für eine Medaille. Die letzten zehn Kilometer waren aber echt hart und ich konnte mir absolut nicht sicher sein, eine Medaille zu holen. Unter diesen Bedingungen heute WM-Norm und Bestzeit zu gehen, ist definitiv kein Glück. Mit Glück allein holt man über 35 Kilometer keine Medaille, dafür ist es einfach zu lang.“

Jonathan Hilbert (LG Ohra Energie; 2:32:44 h):
„Es war sehr hart, die ganze Saison war sehr hart. Nach Olympia brauchte ich lange, lange Pause. Weil ich mental ziemlich fertig war. Ich habe erst Mitte Oktober wieder angefangen mit Training so richtig und bin echt schwer reingekommen. Die Saison lief echt sehr zäh – erst habe ich die Team-EM vermasselt, dann Magenprobleme bei den Deutschen Meisterschaften in Frankfurt. Alle zwei Wochen hat sich der Körper im Training irgendwie gemeldet und ich hatte irgendwelche Probleme, was super mies war. Dann hatte ich jetzt noch Corona vor einem Monat und drei Wochen Training verpasst. Der fünfte Platz ist nichts Halbes und nichts Ganzes irgendwie. Es wird sicherlich noch ein paar Tage dauern, bis ich das wertschätzen kann und mich freuen kann. Aber in Anbetracht der ganzen Saison und der Vorbereitung, die sehr holprig war, sich jetzt hier in den Top Fünf in Europa zu zeigen – knapp geschlagen vom Spanier und fast Vierter geworden, also in Reichweite der Medaillen – ich denke, da muss ich zufrieden sein. Und es ist ein klares Ausrufezeichen für das nächste Jahr, für die Weltmeisterschaft. Wie hat mal so schön ein Fußballer gesagt: 'Jetzt lege ich mich eine Woche in die Eistonne und dann geht´s weiter'.“

Carl Dohmann (SCL Heel Baden-Baden; 2:36:53 h):
„Es war heute ein sehr hartes Rennen. Ich wusste nicht genau, wie fit ich bin. Ich bin ja Mitte Juli an Covid-19 erkrankt und hatte eine sehr schwierige WM-Vorbereitung gehabt. Bei der WM hatte ich dann noch starke Atemprobleme und bin bis auf den letzten Platz durchgereicht worden. Der EM-Start stand zunächst auch noch auf der Kippe. Vor zehn Tagen lief ein Test im Training aber gut, volle Belastung ging aber nicht mehr. Von der Zeit habe ich mir ein bisschen mehr erhofft, aber achter Platz, darüber muss ich froh und dankbar sein. Besonders wenn ich daran denke, wie abgeschlagen ich noch vor drei Wochen war. Es war schon sehr schwer, ich habe es versucht und bin letztlich dankbar, dass ich hier starten konnte, und verneige mich vor meinen Teamkameraden. Vor allem vor Christopher, der es nach so vielen Versuchen endlich geschafft hat, seine Medaille zu gewinnen.“

Katrin Schusters (Polizei SV Berlin; 3:18:38 h):
„Das Rennen lief nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Bei den Deutschen Meisterschaften in Frankfurt bin ich eine 3:14 Stunden gegangen, das hätte ich heute gern getoppt und hatte mich gut vorbereitet. Jetzt war es heute leider so, dass ich zwei Disqualifikations-Anträge bekommen habe. Das passiert mir sonst nie und beim dritten hätte es 3:30 Minuten Zeitstrafe gegeben, beim vierten ist man disqualifiziert. Deswegen musste ich ein wenig das Tempo rausnehmen, um nichts zu riskieren. Insofern war es ein bisschen schade, aber ich bin froh, dass ich durchgekommen bin. Ich freue mich, dass ich bei meiner ersten Europameisterschaft ins Ziel gekommen bin und finde es richtig, dass ich an den Start gegangen bin. Weil wir ja Gastgeber sind, hätte ich es schade gefunden, wenn keine Deutsche am Start gewesen wäre.“

EM 2022 München

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